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BE_3: Wappenscheibe Basler Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee mit hl. Kaiser Heinrich II. und hl. Pantalus
(BE_Pieterlen_refK_BlarerJC)

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Titel

Wappenscheibe Basler Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee mit hl. Kaiser Heinrich II. und hl. Pantalus

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Herstellungsort
Datierung
1607
Masse
68.5 x 34.5 im Licht
Standort
Lage
s IV, 2a
Inventar

Ikonografie

Beschreibung

Das hochrechteckige Glasgemälde ist in drei Bildfelder unterteilt. Davon enthält das grosse Mittelfeld das gevierte Vollwappen des Basler Fürstbischofs Jakob Christoph Blarer von Wartensee. Als Schildbegleiter sind daneben die Schutzpatrone des Basler Münsters postiert, links der hl. Kaiser Heinrich II. in kurzem blauem Gewand und mit dem Modell des Basler Münster in der Hand sowie rechts der hl. Pantalus, der legendäre erste Bischof Basels in Pontifikalkleidung. Ihnen beigesellt ist die Muttergottes mit dem Jesuskind, ebenfalls Patronin des Basler Münsters. In der Strahlenglorie von blauen Wolken umkränzt, erscheint sie in blauem Mantel als Halbfigur über dem bischöflichem Schild. Auf sie bezieht sich die Darstellung im oberen Feld. Durch eine rote Kartusche mit geflügeltem Engelskopf in der Mitte unterteilt, schildert sie die Verkündigung an Maria. Links schreitet der Verkündigungsengel Gabriel mit dem Botenstab heran und rechts wendet sich Maria kniend am Betpult der Taube des Heiligen Geistes zu, die sich ihr von oben nähert. Das untere Feld füllt die von zwei Putten gehaltene blau und gelb gefärbte Rollwerkkartusche mit der Stifterinschrift. Zwischen den drei beschriebenen Bildfeldern aufgereiht sind die namentlich bezeichneten Wappenschilde der bischöflich-baslerischen Vogteien. Die obere Schildreihe umfasst die Wappen von Laufen, Pruntrut (Porrentruy), Neuenstadt (La Neuveville), Biel, Delsberg (Delemont), St. Ursitz (St-Ursanne) und Zwingen sowie die untere diejenigen von Pfeffingen, Erguel, Münstertal, Birseck, Freyenberg, Ilfingen (Orvin) und Schliengen.

Iconclass Code
11F4 · Madonna; d.h. Maria mit dem Christuskind
11H(HENRY) · Kaiser Heinrich II. (von Bamberg); mögliche Attribute: Krone, Lilie, Kirchenmodell, Kugel, Zepter, Schwert
11H(PANTALUS) · männliche Heilige (PANTALUS)
11Q7112 · ein Patron übergibt das Modell einer Kirche (oder einer Kapelle)
46A122 · Wappenschild, heraldisches Symbol
92D1916 · Amoretten, Putten; amores, amoretti, putti
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Basler Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee; Wappen 14 bischöflich-baslerischer Vogteien: Laufen, Pruntrut (Porrentruy), Neuenstadt (La Neuveville), Biel, Delsberg (Delemont), St. Ursitz (St. Ursanne), Zwingen, Pfeffingen, Erguel, Münstertal, Birseck, Freyenberg, Ilfingen (Orvin), Schliengen.

Inschrift

VON GOTTES GNA / DEN IACOB CHRISTOPH / BISCHOVE ZV BASEL / 1607.
Wappen oben: Lauffen, Purendrutt, Neüwenstatt, Bÿel, Tellsperg, S.Vrßitz, Zwÿngen.
Wappen unten: Pfeffingen, Erguel, Münsterthal, Birseckh, Freyenberg, Ilfingen, Schliengen.
In den Nimben: S. KEISER HEINRICH ORA PRO NOBIS, S. PANTHALVS ORA PRO NOBIS.
HD 1934.

Signatur

Keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Die beiden Eckfelder am oberen Rand, der Kopf des hl. Pantalus, zwei Gläser oberhalb des Kopfes von Kaiser Heinrich sowie dessen Beine mit dem angrenzenden Stück der Helmdecke, der ganze untere Fliesenboden mit den Wappennamen sowie die darunter befindlichen Wappen von Orvin und Schliengen neu ergänzt; mehrere Sprünge und Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Restaurierungen
1858/59 Johann Jakob Röttinger, Zürich: Restaurierung im Auftrag Sigmund Heinrich Wildermeths (Rauscher 2005).
1934 Hans Drenckhahn, Thun: Einsetzen von Ergänzungen, davon mehrere mit dem in Miniaturfromat radierten Monogramm "HD 1934" (von blossem Auge kaum erkennbar). Die damals von Drenckhahn aus der Scheibe entnommenen Gläser (Ergänzungen Röttingers?) befinden sich im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 24683). Laut Regierungsratsprotokoll des Kantons Bern vom 20. April 1934 war damals Rudolf Wegeli, Direktor des BHM, beauftragt, die drei alten Scheiben nach dem Kostenvoranschlag Hans Drenckhahns (im Belauf von Fr. 418.-) durch diesen Glasmaler ausbessern zu lassen (Rauscher 2005).
2001/02 Martin Halter, Bern: Reinigung, Entfernung alter Sprungbleie und stattdessen Sprungklebungen und Einfügung neuer Sprungbleie; Einsetzung zwei kleiner Glasstücke an Stelle von Bleistücken oben rechts. Diese Restaurierung wurde durch den Staat Bern (als Rechtsnachfolger des Fürstbistums Basel), die Stadt Biel und die Abtei Bellelay subventioniert (Rauscher 2005).

Technik

Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit rückseitigem Ausschliff. Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb, Eisenrot sowie blauer und violetter Schmelzfarbe.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Um 1607 sind zwar keine Erneuerungsarbeiten an der Kirche von Pieterlen bezeugt. Gleichwohl dürften die drei aus dem Jahre 1607 stammenden Glasgemälde für dort und nicht für den Wohnsitz bestimmt gewesen sein, den sich damals Hans Heinrich I. Thellung mit einer darin integrierten Gerichtsstube in Pieterlen errichten liess (s. ref. Kirche Pieterlen). Gegen ihre Herkunft aus Thellungs Haus sprechen zum einen ihre monumentalen Ausmasse und zum anderen das Fehlen jeglicher Nachrichten über eine spätere Überführung derselben in die Kirche. Man darf Heinz Rauscher deshalb beipflichten, wenn er davon ausgeht, dass 1607 die vom Basler Fürstbischof durchgesetzten neuen Machtverhältnisse im Erguel den Anlass für dessen Wappenstiftung sowie diejenigen des Klosters Bellelay und Biels in die Kirche von Pieterlen boten.

Jakob Christoph Blarer von Wartensee (1542–1608) wurde 1575 zum Basler Bischof gewählt. Während seiner Amtszeit gelang es ihm, das daniederliegende Basler Fürstbistum zu sanieren und seinen Einflussbereich wieder zu stärken. Erfolg beschieden war ihm dabei unter anderem im Konflikt mit der Stadt Biel. Laut dem Vertrag von 1606 musste diese ihm nämlich den Treueid leisten. Zudem wurde ihr Einfluss in der Herrschaft Erguel auf das Mannschaftsrecht eingeschränkt und ihr Burgrechtsvertrag mit der Abtei Bellelay aufgehoben (Helvetia Sacra I, 1, S. 204f.; HLS 2/2003, S. 478f.). Mit seiner Wappengabe in die Kirche Pieterlen trachtete er vermutlich danach, die durch ihn herbeigeführten neuen landesherrlichen Verhältnisse im Erguel zu unterstreichen. Wahrscheinlich sahen sich die Stadt Biel und das Kloster Bellelay durch ihn dazu veranlasst, dorthin gleichzeitig ihre Wappen zu schenken.

Die in der Kirche Pieterlen aus dem Jahre 1607 erhaltenen drei Glasgemälde bilden eine Werkgruppe von durchaus beachtlicher künstlerischer Qualität, zeichnen sie sich doch durch eine sorgfältige und detaillierte Bemalung aus. Laut den wohl von Hans Lehmann stammenden Angaben auf den alten Aufnahmen des Schweizerischen Nationalmuseums in Zürich sollen sie vom Berner Glasmaler Hans Zeender (tätig 1580–1633) geschaffen worden sein. Mit den Glasgemälden von 1597 in der Kirche Grosshöchstetten gibt es von diesem zwar Arbeiten von vergleichbarer Qualität, die stilistisch zumindest gewisse Berührungspunkte dazu bieten. Dessen ungeachtet erweist sich die Zuschreibung an Zeender als unhaltbar, insbesondere wenn man die Auftraggeber in die Betrachtung einbezieht. Welche genaue Rolle der Basler Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee bei der Wahl der Werkstatt spielte, geben uns die Quellen nicht preis. Jedenfalls trat er mehrfach als Scheibenstifter in Erscheinung. Dies zeigt seine im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befindliche Wappenscheibe von 1605, die derjenigen in Pieterlen nicht unähnlich ist (GNM, Inv. MM 705). Wenn Blarer mit den drei Glasgemälden in Pieterlen die wiedergewonnene fürstbischöfliche Macht im Erguel medial wirksam inszenieren wollte, dann wird er kaum bereit gewesen sein, deren Herstellung ausgerechnet einer Werkstatt im angefeindeten reformierten Bern zu überlassen. Vielmehr dürfte er dieselben in diesem Fall in Basel oder in der Werkstatt eines katholischen Ortes wie Luzern oder Solothurn in Auftrag gegeben haben. Diesbezüglich bleibt jedoch festzuhalten, dass die Glasgemälde von Pieterlen keine engen stilistischen Bezüge zu den Werken der Glasmaler besitzen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den drei genannten Orten tätig waren. Vielleicht war bei der Werkstattwahl denn auch nicht Blarer selbst, sondern Hans Heinrich I. Thellung (1550–1637) aus Courtelary federführend. Als getreuer Gefolgsmann des Fürstbischofs amtete dieser im Jahr der Scheibenstiftung als Meier zu Biel, das heisst als dessen dortiger Statthalter. Unter Blarers Nachfolger wurde er 1610 Landvogt im Erguel und als solcher hatte er seinen Sitz im Schloss von Courtelary. Dorthin erhielt er 1613 von der Stadt Nidau eine vom Bieler Glasmaler Peter Feitknecht angefertigte Wappenscheibe geschenkt (Burgermeisterrechnung im Burgerarchiv Nidau von 1613/14, S. 29; davon Auszug von Frau Trudi Aeschlimann, Burgdorf, in den Unterlagen von Andres Moser im Vitrocentre Romont). Sollte Thellung als Bieler Meier 1606/07 für die Auftragserteilung aller drei Glasgemälde verantwortlich gewesen sein, dann dürfte er am ehesten eine Werkstatt in Biel damit betraut haben. Als Glasmaler tätig waren dort damals Peter Feitknecht (1585–1645) und Hilarius Dürr (1602–1610 nachweisbar). Weil von ihnen beiden keine gesicherten Werke erhalten sind, muss leider aber offen bleiben, ob einer von ihnen die Scheiben für Pieterlen herstellte. Wo und von wem diese geschaffen wurden, lässt sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand somit nicht beantworten.

Die drei Glasgemälde werden 1607 im Kirchenchor zur Aufstellung gekommen sein. Gemäss der Baunotizen von Rudolf Emanuel Dick, zwischen 1843 und 1888 Vikar und Pfarrer in Pieterlen, befanden sie sich vor 1858 jedenfalls "im grossen Fenster des Chors". Beim Umbau von 1858/59 wurden sie ins Kirchenschiff versetzt (Schmucki 1957), wo sie auch heute zu sehen sind.

Datierung
1607
Herstellungsort
Eigentümer*in

Laut Regierungsratsprotokoll des Kantons Bern vom 20. 4. 1934 haben an den drei früher im Chor befindlichen, jetzt im Südfenster IV angebrachten Scheiben der Staat und die Kirchgemeinde ein Miteigentumsrecht.

Bibliografie und Quellen

Literatur

Ludwig Gerster, Bernische Kirchen, Manuskript im Eidg. Archiv für Denkmalpflege, [Kappelen nach 1892].

Egbert Friedrich von Mülinen, fortgesetzt von Wolfgang Friedrich von Mülinen, Beiträge zur Heimathkunde des Kantons Bern deutschen Theils, Sechstes Heft. Das Seeland, Bern 1893, S. 444f.

Franz Thormann/Wolfgang Friedrich von Mülinen, Die Glasgemälde der bernischen Kirchen, Bern o. J. [1896], S. 82.

Heinrich Oidtmann, Geschichte der Schweizer Glasmalerei, Leipzig 1905, S. 236.

Gustave Amweg, Les arts dans le Jura bernois et à Bienne, tome 2, Biel 1941, S. 460, Nr. 3 (vermutlich 1615).

Erinnerungsschrift zur Renovation der Kirche Pieterlen, Pieterlen 1957, S. 15.

Johann Schmucki, Die Kirche von Pieterlen, in: Hornerblätter 1957 (Vereinigung für Heimatpflege Büren a. A.), S. 12f.

Peter Lerch u. a., Pieterlen. Seeländer Dorf am Jurafuss (Berner Heimatbücher 106), Bern 1968, S. 13f.

Robert Aeberhard, Kirchen im Seeland, Biel 1980, S. 190.

Andres Moser/Ingrid Ehrensperger, Arts et monuments. Jura bernois, Bienne et les rives du lac, Bern-Wabern 1983, S. 68.

Cyrille Gigandet, Bellelay, Histoire d'une ancienne abbaye de Prémontré, in: Intervalles, Revue culturelle du Jura bernois et de Bienne, No 15, Juin 1986, S. 81.

Heinz Rauscher, Pieterlen und seine Nachbarn. 2000 Jahre Geschichte und Geschichten, Bd. II, in: Hornerblätter 2004, S. 34–36, Farbabb. S. 34.

Heinz Rauscher, Pieterlen und seine Nachbarn. 2000 Jahre Geschichte und Geschichten, Bd. III,1, in: Hornerblätter 2005, S. 90.

Heinz Rauscher, Die Kirchenfenster von Pieterlen – oder von grosszügigen Spenden und vom Wandel des Geschmacks, in: Der Seebutz 2008, S. 63, 66, Abb. S. 68.

Vgl.

Albert Bruckner (Red.), Schweizerische Kardinäle. Das apostolische Gesandtschaftswesen in der Schweiz. Erzbistümer und Bistümer (Helvetia Sacra, Abteilung I, Bd. 1), Bern 1972.

Historisches Lexikon der Schweiz (HLS)

Weiteres Bildmaterial

BHM Bern, 29144; Denkmalpflege Kt. Bern, Neg. Hesse 05896; SNM Zürich, Neg. 8980

Bildinformationen

Name des Bildes
BE_Pieterlen_refK_BlarerJC
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2015
Copyright
© Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Pieterlen
Eigentümer*in

Laut Regierungsratsprotokoll des Kantons Bern vom 20. 4. 1934 haben an den drei früher im Chor befindlichen, jetzt im Südfenster IV angebrachten Scheiben der Staat und die Kirchgemeinde ein Miteigentumsrecht.

Inventar

Referenznummer
BE_3
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2016; Sarah Keller 2016

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