Forschung
An sich spricht Vieles dafür, dass das Glasgemälde aus Anlass des um 1516 erfolgten Kirchenumbaues (Turmerneuerung) nach Neuenegg gelangte. Seine damalige Entstehung wird jedoch durch die widersprüchlichen Angaben zur darin festgehaltenen Jahreszahl in Frage gestellt. Diese lasen nämlich Lohner (1864) als "1507", von Mülinen (1881) als "1517" und erst Kasser (1894) als "1516". Ob das Glas mit der Jahreszahl zwischen 1864 und 1894 gleich zweimal ersetzt und dabei jeweils anders datiert wurde oder ob den genannten Autoren bei der Transkription ein Fehler unterlief, lässt sich zwar nicht mehr beantworten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte das betreffende Glas im Laufe des 19. Jahrhunderts zumindest aber einmal (durch Johann Heinrich Müller?) ergänzt worden sein (s. Erhaltungszustand und Restaurierungen). Weil um 1507 kein Kirchenumbau bezeugt ist, darf man von den im Raum stehenden Jahresangaben dabei am ehesten 1516 als Entstehungsjahr in Betracht ziehen (diese Datierung vertreten u. a. Hans Lehmann und Bernhard Anderes).
Wie Berns Stiftung wird diejenige Freiburgs ursprünglich zwei Glasgemälde umfasst haben, d. h. ausser der Scheibe mit der Wappenpyramide Freiburg-Reich auch eine Figurenscheibe mit dem hl. Nikolaus.
Die Freiburger Standesscheibe wird von Hans Lehmann und ihm folgend auch von Anderes, Kurmann und Bergmann als Arbeit des Berner Glasmalers Jakob Meyer angesprochen. Lehmann verweist dabei auf den Freiburger Seckelmeistereintrag von 1516, demzufolge damals Meyer etwas mehr als 20 Pfund für die Lieferung von zwei Fenstern nach Thörigen und Gümmenen erhielt: "Denne geben Jacoben Meyer, dem glaser zu Bern gesessen, umb II pfenster gon thoringen (Thörigen) und guminen (Gümmenen) geben 20 lb. 9β" (Anderes 1963). Weil Gümmenen 1516 zwar die wichtige Saanebrücke, jedoch keine Kirche besass, geht Lehmann davon aus, dass der Schreiber im betreffenden Eintrag Gümmenen mit dem nahe davon gelegenen Neuenegg verwechselte. Gümmenen besass allerdings ein Zollhaus, das u. a. 1585 vier vom Berner Glasmaler Thüring Walther gefertigte neue Fenster erhielt. Lehmanns Annahme ist deshalb keineswegs gesichert, d. h. der Freiburger Rat könnte Meyer 1516 durchaus auch für zwei Fenster im Zollhaus von Gümmenen bezahlt haben.
Der genannte Rechnungseintrag kann somit nicht als Beleg für Meyers Autorschaft der von Freiburg und Bern nach Neuenegg verehrten Scheiben gewertet werden. Dass diese beiden Stände ihre Fenster- und Wappenschenkungen nach Neuenegg um dieselbe Zeit machten, legen ihre beiden analog gestalteten Standesscheiben nahe. Aufgrund ihrer Stilverwandtschaft lassen sich dieselben und Berns Vinzenzenscheibe dem gleichen Glasmaler zuweisen. Bei ihm soll es sich laut Forschung um Jakob Meyer handeln (Lehmann 1914, Kurmann-Schwarz 1998). Die nahe Verwandtschaft der von Bern nach Neuenegg verehrten Vinzenzen- und Standesscheibe zu dessen mit Meyer in Verbindung gebrachten Doppelstiftung von 1522 in der Kirche Reitnau (Hasler 2002, Kat.-Nrn. 92, 93) scheint die Zuweisung an diesen zwar zu untermauern, um so mehr als die an Meyer bezahlte Freiburger Standesscheibe in Jegenstorf von 1515 ganz ähnlich wie diejenigen in Neuenegg gestaltet ist. Jakob Meyer dürfte jedoch auch der Schöpfer von Berns Vinzenzenscheibe in der Kirche Leuzigen gewesen sein, die keinerlei Stilbezüge zu der in Neuenegg besitzt. Angesichts dieser verworrenen Ausgangslage lässt sich nicht schlüssig beantworten, ob die hier angesprochenen Glasmalereien in den Kirchen von Neuenegg und Reitnau tatsächlich von Meyer geschaffen wurden oder ob sie das Werk einer anderen, bislang nicht identifizierbaren Hand sind, die nach gleichen Vorlagen wie dieser arbeitete.
Laut der Beschreibung von Mülinens von 1881 dürfte sich die Freiburger Standesscheibe damals im gleichen Fenster wie heute befunden haben. Wo ihr ursprünglicher Standort war, weiss man nicht.
Datierung
1516 (?)
Zeitraum
1507 – 1517
StifterIn
Herstellungsort
Eigentümer*in
Der Kirchenchor wird 1883 vom Staat Bern an die Kirchgemeinde abgetreten. Scheiben: Seit 1984 Kirchgemeinde Neuenegg (laut Gebrauchsleihevertrag mit dem Kanton Bern vom 25.1.1984).
Vorbesitzer*in