Forschung
Die mittelalterliche Kirche von Niederbipp wurde 1669 und 1712 zum Predigtsaal mit polygonalem Schluss umgebaut.
Dass nicht dokumentierte, um 1622 am Vorgängerbau der heutigen Kirche unternommene Renovationsarbeiten den Grund für Hans Rudolf Lerbers Wappengabe bildeten, lässt sich zwar nicht völlig ausschliessen. Wahrscheinlich sah sich dieser 1622 jedoch nicht aufgrund von Umbauarbeiten, sondern kraft seines Amtes, d. h. als Landvogt zu Bipp, zu seiner Stiftung in die Kirche veranlasst. Darauf weisen die Wappengaben, die vier weitere Landvögte Bipps nachweislich dorthin verehrten. Fünf Scheiben mit den Wappen von Bipper Landvögten sahen Carl Friedrich Ludwig Lohner und Egbert Friedrich von Mülinen in den Jahren 1864 bzw. 1890 nämlich noch im Gotteshaus, und zwar zusammen mit einer Berner Standesscheibe von 1620 sowie zwei Glasgemälden von 1712 mit den Wappen der Berner Venner Emanuel Wurstemberger (1649–1727) und Daniel Imhof (1633–1713). Bei den Stiftungen der fünf Landvögte handelte es sich um diejenigen Hans Rudolf Lerbers von 1622, Christoph Fellenbergs (1591–1654) von 1630, Hans Jakob Binders (1582–1649) von 1636, Samuel Kohlers (1598–1662) von 1643 und Burkhard Fischers (1603–1651) von 1647. Ebenso wie die drei Glasgemälde von 1620 und 1712 müssen diese Werke kurz nach 1890 aus der Kirche entfernt worden sein, werden sie doch in der Publikation Thormanns und von Mülinens von 1896 nicht mehr erwähnt.
2015 kam das Glasgemälde Hans Rudolf Lerbers im Auktionshandel wieder zum Vorschein. In der Folge konnte es von der Burgergemeinde Niederbipp erworben und als Schenkung der Kirchgemeinde übergeben werden. Seit 2015 befindet es sich damit wieder an seinem ursprünglichen Standort. Über das Schicksal der meisten übrigen ehemals in der Kirche vorhandenen Wappenscheiben liegen keine Nachrichten vor. Einzig von der Wappenstiftung Samuel Kohlers aus dem Jahre 1643 weiss man, dass sie in Privatbesitz erhalten ist. Zudem gibt es im Schloss Jegenstorf eine in den Massen mit Lerbers Glasgemälde von 1622 übereinstimmende Scheibe des Bipper Vogtes Burkhard Fischer (Inv. 78). Sie ist allerdings nicht 1647, sondern 1642 datiert. Dabei kann man sich allerdings fragen, ob im 19. Jahrhundert die Jahreszahl auf der damals noch in der Kirche Niederbipp zu bewundernden Wappenstiftung Fischers allenfalls falsch gelesen wurde.
Von ihrem Stil her lässt sich Lerbers Scheibenstiftung ebenso wie diejenigen Burkhard Fischers und Samuel Kohlers dem Aarauer Glasmaler Hans Ulrich I. Fisch zuweisen. So gehört das architektonische Grundschema des Glasgemäldes in Form des dreiachsigen Rahmengerüsts zu den Standardmustern dieses Glasmalers. Beispiele dafür finden sich u. a. unter dessen für die Kirche Gontenschwil bestimmten Scheiben von 1622 (Hasler 2002, Nrn. 33, 34) sowie unter dessen Rissen in der Sammlung Wyss des Bernischen Historischen Museums (Hasler 1996/97, Bd. 1, Nrn. 2, 5, 10, 14 etc.).
Hans Rudolf Lerber (1582–1646), der Sohn des Interlakener Landvogtes Urs und der Brigitte Rohrer, war in Bern Tuchscherer. 1618 wurde er Landvogt zu Bipp und 1627 Landvogt zu Interlaken. Am 10. Oktober 1603 ehelichte er Maria Herport, die Tochter Beats und der Anna Hirz (HBLS 4/1927, S. 660).
Ausser der Wappenstiftung Lerbers in der Kirche Niederbipp gibt es von diesem eine solche von 1628 in der Kirche Gsteig, die er als Landvogt von Interlaken dorthin machte.
Datierung
1622
StifterIn
Lerber, Hans Rudolf (1582–1646), Vogt, Landvogt
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 2015 Kirche Niederbipp