Forschung
Möglicherweise war es Matthäus Ensinger, der selbst mit einer Wappenscheibe in der Kirche vertretene Vogt von Wangen, der sich anlässlich des 1515 errichteten Neubaues darum bemühte, dass ausser Bern weitere Stände und Institutionen dorthin Fenster und Wappen schenkten. Bern selbst machte seine Stiftung 1515, die meisten anderen Donatoren wohl aber etwas später, zum Teil vielleicht ab 1519 im Anschluss an die Übernahme des Kirchensatzes durch Bern.
Vorliegender Vinzenzenfigur liegt die gleiche Vorlage zugrunde wie der im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich befindlichen, um 1510 für eine Kirche im Wallis gefertigten Scheibe mit dem hl. Laurentius, die Hans Lehmann Jakob Meyer zuweist (Inv. 6919; Schneider 1971, Bd. 1, Kat.-Nr. 116). Laut Hans Lehmann sollen die Ursenbacher Scheiben mit Ausnahme derjenigen Solothurns jedoch nicht von Meyer, sondern von Jakob Stächeli (Stäheli) stammen. Von Stächeli kennt man jedoch weder signierte noch durch Schriftquellen bezeugte Glasgemälde. Dass dieser Berner Glaser auf Glas malte, ist demnach nicht erwiesen (Anderes 1963, S. 125, Anm. 2) und Lehmanns Zuschreibung somit nicht stichhaltig. Heinz Matile hingegen spricht die beiden Berner Stiftungen in Ursenbach ebenso wie diejenigen Freiburgs Jakob Meyer zu (Matile, in: Kartei Ortskatalog Glasgemälde, BHM Bern). Er verweist dabei auf das Damastmuster der Freiburger Nikolaus-Scheibe, das mit jenem der mit Meyer in Verbindung gebrachten Mauritius-Scheibe in der Kirche Jegenstorf übereinstimmt. Die Kombination von hochrechteckiger Vinzenzen- und runder Ämterscheibe kennt man ebenfalls von Berns Doppelstiftung von 1519 in der Kirche Aeschi. Während die dortige Vinzenzenscheibe hinsichtlich der Figurenkomposition mit derjenigen in Ursenbach übereinstimmt, besitzt Berns runde Ämterscheibe in Aeschi mit der Freiburger von Ursenbach verwandte Züge. Von der Annahme ausgehend, dass Jakob Meyer der Schöpfer der beiden genannten Glasgemälde in Aeschi war, zieht Matile ihn auch als solchen für die Stiftungen Berns und Freiburgs in Ursenbach in Betracht. Dazu bleibt jedoch festzuhalten, dass die Zuschreibung der zwei Glasgemälde in Aeschi an Meyer nicht zu überzeugen vermag und dass die betreffenden Werke in Ursenbach von ihrer Qualität her nicht an die bei Meyer in Auftrag gegebene Freiburger Stiftung in Jegenstorf heranreichen. Matiles Zuschreibung an Jakob Meyer ist deshalb ebenso in Zweifel zu ziehen wie diejenige Lehmanns an Stächeli. Zudem dürften die Stiftungen Berns und Freiburgs für Ursenbach kaum von derselben Hand geschaffen worden sein. Neben durchaus vorhandenen Parallelen (z. B. das gleiche Damastmuster bei der Nikolaus- und Vinzenzenscheibe) lassen sich zwischen ihnen jedenfalls Stildifferenzen wahrnehmen, insbesondere bei der Gestaltung der Löwen beider Ämterscheiben. Damit bleibt festzuhalten, dass die zwischen 1515 und 1523 in die Kirche Ursenbach gekommenen Scheiben stilistisch keine homogene Gruppe bilden. An ihrer Herstellung werden sicher mehrere Glasmaler beteiligt gewesen sein. Beim gegenwärtigen Kenntnisstand lässt sich allerdings nicht beantworten, wie diese organisiert waren, d. h. ob sie verschiedenen Werkstätten angehörten oder ob sie für das Projekt in Ursenbach zeitweilig in einer Werkstattgemeinschaft zusammenarbeiteten. Kaum aufrechtzuerhalten sind die von der Forschung im 20. Jahrhundert gemachten Zuschreibungen an einzelne Berner Glasmaler.
Von der Scheibe gibt es eine Pause Johann Heinrich Müllers (1822–1903) im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich (Inv. LM 24498.64). Darauf ist beinahe die ganze Heiligenfigur nicht ausgeführt. Zudem existiert von diesem Werk eine Zeichnung Johann Rudolf Rahns von 1879 (Zentralbibliothek Zürich, Sammlung Rahn, Skizzenbuch Nr. 438a, S. 7).
Laut Egbert Friedrich von Mülinen (1872) wurden die alten Glasgemälde nach der Restaurierung Röttingers von diesem in den Fenstern "unrichtig und bunt durcheinander" eingesetzt. Die beiden Berner Stiftungen kamen dabei in ein Fenster des Langhauses. Franz Thormann und Wolfgang Friedrich von Mülinen ist zuzustimmen, wenn sie davon ausgehen, dass diese ursprünglich im zentralen Chorfenster angebracht waren.
Datierung
1515
StifterIn
Bern, Stand bzw. Stift St. Vinzenz
Herstellungsort
Eigentümer*in
Kirchgemeinde Ursenbach.
Die Unterhaltspflicht der zwölf 1901 im Chor befindlichen Glasgemälde damals vom Staat Bern zusammen mit dem Chor an die Kirchgemeinde abgetreten (nach dem am 1. April 1940 überarbeiteten Verzeichnis der Glasgemälde in den Kirchenchören des Kantons Bern, erstellt 1936 von B. von Rodt; Staatsarchiv Bern, Inv. BB 05.7.343).