Forschung
Die Glaseinlagen werden möglicherweise der Werkstatt Hans Jakob Sprünglis in Zürich zugewiesen. Schränke dieser Bauart wurden in der Regel in neapolitanischen Werkstätten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts angefertigt (Ruotolo 1984). Die auffallende Tiefe der "Tigeraugen" an diesem Schrank wird durch die Hinterlegung mit einer zweiten Bergkristall(?)-Platte erzielt, die mit Blattgold hinterfangen ist. Während in diesen Trümmerachat- und Halbedelstein-Hintermalungen eine verblüffende Virtuosität erreicht wird, wirkt die allegorische Figur der Fortitudo, von einer graphischen Vorlage übernommen, etwas unbeholfen.
Vergleichbare Glaseinlagen weisen, neben PSV_764 (Inv.-Nr. RY 852) in der Sammlung R.+F. Ryser, auch drei Rahmen in der Lehmann Collection in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nrn. 1975,1.2169; 1975,1.2170; 1975,1.2297. Lanmon/Whitehouse 1993. S. 280-283) sowie zwei andere, einer in der Sammlung Jeannine Geyssant, Paris und ein zweiter in der Sammlung Wolfgang Steiner (Inv.-Nr. HGS 679) (Steiner 2015. S. 38/39) auf. Im Schloss Ambras zu Innsbruck findet sich ein sehr ähnlicher Kabinettschrank fast derselben Grösse, bei dem die Einlagen aus wirklicher Pietra dura bestehen. Bei diesem Verfahren werden zugeschnittene Formstücke aus harten Gesteinsarten (Achat, Chalcedon, Jaspis, Lapislazuli, u.s.w.) verwendet, um das Bild oder die Ornamente zusammenzustellen. (Möbel. Kunsthistorisches Museum, Sammlungen Schloss Ambras. [Führer durch das Kunsthistorische Museum Nr. 34] Innsbruck 1987. Kat.-Nr. 19, Inv.-Nr. P 3410.). Hinterglaseinlagen dieser Art besitzt auch ein Kabinettschrank im Kunsthandel (Riccardi-Cubitt 1992. S. 199, Abb. 103).
Kabinettschränke dieser Spielart, bei denen anstelle von Pietra dura hintermalte Glaseinlagen treten, bilden sehr eindrückliche Zeugnisse für den Geschmack des Manierismus, der Täuschung und Verfeinerung, Kompliziertes und Bizarres, Kurioses und Verspieltes, Irreales und Surreales als stilprägendes Element stets ausdrücklich suchte. Hans Jakob Sprüngli gibt in seinem Traktat von 1600–1620 ausdrücklich Rezepte an, wie solche Edelgesteinsarten hinter Glas zu malen seien. In dieser Zeitspanne waren Kunsterzeugnisse geschätzt, deren Gestalt in gleichem Masse durch die von der Natur vorgegebene Form und Farbe wie von der Phantasie des Künstlers geprägt wurden, wo "ars und natura miteinander spilen" (Philipp Hainhofer, zitiert nach Peter Dreyer in: Wunder kann man sammeln. [Katalog Kunstkammer Georg Laue] München 1999. S. 8).
Datierung
Um 1610
Zeitraum
1600 – 1620
Eingangsdatum
2000
Schenker*in / Verkäufer*in
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
Sibyll Kummer, Zürich · R.+F. Ryser (1994)
Inventarnummer
RY M 50