Forschung
Wegen Raumnot erfuhr die Nydeggkirche 1668 eine Erweiterung im Schiff und Chor. Hauptursache des vermehrten Platzbedarfs war offenbar der grosse Zulauf, den der Dekan Johann Heinrich Hummel bei seinen Predigten in der Nydeggkirche hatte (Hofer/Mojon 1969, S. 242, Anm. 5). Die damalige Haupterneuerung betraf den "Lättner", das heisst den Einbau einer Doppelempore vor der Nordwest- und Westwand (mit dem Standeswappen am Podest). Zugleich erhielt die Westfassade zwei Rundbogenfenster. Welch grosse Bedeutung die Berner Obrigkeit der Erweiterung der Kirche beimass, zeigt sich an den dort erhaltenen Wappengaben von 1668. Ausser der prächtigen Standesscheibe zählen dazu mehrere Glasgemälde von zum Teil hochrangigen Berner Amtsträgern, nämlich diejenigen der beiden Schultheissen, des Kirchmeiers und Altvenners Vinzenz Stürler, des Dekans Johann Heinrich Hummel und des Seckelmeisters (welscher Lande!) Emanuel Steiger. Hinzu kommen einige Scheiben, bei denen es sich allem Anschein nach nicht um Stiftungen von Amts-, sondern von Privatpersonen handelt. Dass der heute in der Nydeggkirche vorhandene Zyklus von 1668 ursprünglich umfangreicher war, belegen die damals von den Vennern Christoph von Graffenried und Sigmund von Erlach dorthin gemachten Wappengaben, die sich beide in Privatbesitz befinden (BE_1668, BE_60).
Wie die durch die Kirchmeierrechnung von 1669 für Hans Jakob Güder gesicherten Glasgemälde Berns und Johann Heinrich Hummels lassen sich auch die drei analog komponierten Scheiben mit den Wappen von Karl von Bonstetten, Samuel Frisching und Vinzenz Stürler diesem Berner Glasmaler zuweisen. Das ihnen zugrunde liegende Schema mit dem zwischen Vorhängen in einen Blattkranz gestellten Stifterwappen kennt man beispielsweise von den Glasgemälden, die Güder 1671 für die Kirche Ringgenberg und 1676 für Johann Leonhard Engel (Bergmann 2014, Kat.-Nr. 160) anfertigte. Ähnlich komponiert ist ebenfalls die Wappenscheibe Hummels in der Nydeggkirche. Wie bei den Stiftungen von Bonstettens, Frischings und Stürlers erscheint darin oben über dem Blattkranz zudem ein pausbäckiger Engelskopf.
Franz Thormann und Wolfgang Friedrich von Mülinen sahen Stürlers Scheibe 1896 im ersten Fenster auf der Schiffssüdseite.
Vinzenz Stürler (16.4.1592–2.8.1670), Sohn des Abraham (1566–1624), war mit Anna Willading, Tochter des Landvogts von Avenches Johannes Willading verheiratet. Seine Frau brachte ihm Rebgüter in Cotterd ein, von seinem Vater erbte er solche zu Chardonne. Stürler kam 1619 in den Grossen Rat in Bern. 1628–1634 war er Vogt von Moudon, 1636–1670 Kleinrat, 1645–1649 Kirchmeier sowie 1646–1651, 1655–1659 und wiederum 1659–1667 –nach dem Tod seines Nachfolgers– Venner zu Gerbern (HBLS 6/1931, S. 588; HLS 12/2012, S. 102).
Wappenscheiben Vinzenz Stürlers haben sich in der Kirche Habkern von 1666 sowie in der Berner Nydeggkirche von 1668 erhalten. Zum Hans Jakob Güder zugeschriebenen Glasgemälde in der Nydegg existiert in der Sammlung Wyss der Entwurf (Hasler 1997, S. 80/81, Nr. 452). Im Bernischen Historischen Museum befindet sich zudem eine ovale Wappenscheibe Stürlers, die 1664 datiert ist (BHM Bern, Inv. 1920).
Datierung
1668
StifterIn
Stürler, Vinzenz (1592–1670)
Herstellungsort