Rudolf von Erlach (1448–1507), Sohn des Petermann († 1471), gehörte zu den bedeutendsten Berner Bürgern seiner Zeit. Er war Ritter, Mitglied der Berner Gesellschaft zum Distelzwang sowie Inhaber mehrerer Herrschaften wie Bümpliz, Wyl, Jegenstorf, Balm und Erlach. 1471 wurde er Berner Grossrat, 1473 Schultheiss zu Burgdorf und 1476 Kleinrat zu Bern. Hier bekleidete er 1479–1481, 1492–1495, 1501–1504 und 1507 das Schultheissenamt. Im Schwabenkrieg 1499 befehligte er die bernischen Truppen im Zug nach dem Hegau und in der Schlacht von Dornach. Rudolf von Erlach war Kastvogt verschiedener geistlicher Institutionen, unter anderem des Kollegiatsstifts St. Vinzenz in Bern (1487–1489 und 1504–1507). 1471 ehelichte er Barbara von Praroman, die Tochter des Freiburger Schultheissen Johann, und 1492 Barbara von Scharnachtal, die Tochter des Kaspar. Diese war "Doppelwitwe" aus ihren Allianzen mit Schultheiss Niklaus von Diesbach und Hans Friedrich von Mülinen. 1484/85 liess Rudolf von Erlach von Diebold Schilling eine private Fassung der Berner Chronik (sog. Spiezer Chronik) anfertigen. Darin zeigen zwei Miniaturen Rudolf von Erlach und Barbara von Praroman zusammen mit ihren Kindern. Die Kopie eines Porträts Rudolf von Erlachs aus der Zeit um 1492 befindet sich im Besitz der Stiftung Schloss Spiez (HBLS 3/1926, S. 59; von Erlach 1989, S. 68–89, Abb. S. 79; HLS 4/2005, S. 257f., Abb.).
Ausser den Wappenstiftungen, die Rudolf von Erlach ins Berner Münster (s. u.) sowie in die Kirchen von Oberbüren, Oberbalm und Jegenstorf machte, existierten vormals zwei runde Gedenkscheiben von Erlachs und seiner zweiten Frau Barbara von Praroman. Sie gehörten dem umfangreichen Glasgemäldezyklus an, der um 1525 für das seit 1516 im Besitz der Familie von Erlach befindliche Bubenberg'sche Sässhaus in Bern geschaffen worden war und 1911 in der Kirche Hindelbank verbrannte (Lehmann 1913).
Die vorliegende Scheibe wurde 1895 als Depositum aus der reformierten Kirche von Büren an der Aare ans Bernische Historische Museum übertragen (s. u.). Bis 1332 war die einstige Katharinenkirche Filiale von Oberwil bei Büren gewesen. Ihr Chor (wohl aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts) und ihr Schiff (aus dem 14. u. 15. Jahrhundert) wurden um 1500 grundlegend erneuert. Renovationen fanden 1906 und 1963/64 statt. Die aus dem frühen 16. Jahrhundert erhaltene Scheibe könnte also an sich eine Stiftung in die um 1500 erneuerte Katharinenkirche gewesen sein. Vieles weist allerdings darauf hin, dass die Wappenscheibe Rudolf von Erlachs wie diejenige des Abtes von St. Johannsen, Rodolphe Benoît, für die Wallfahrtskirche von Oberbüren (Gemeinde Büren) geschaffen wurde. Um 1470 wurde an Stelle einer älteren Marienkapelle eine grössere Kirche errichtet, weil sich dorthin ein erheblicher Pilgerstrom entwickelt hatte. Grund dafür waren die von Maria vollbrachten Wunder, das heisst die kurze Wiedererweckung totgeborener Kinder, die so noch lebend getauft werden konnten. Als Auferweckungsheiligtum erlebte diese Wallfahrtskirche in den Jahrzehnten vor und nach 1500 einen eigentlichen Boom (über 2000 tote Kinder sollen nach Oberbüren gebracht worden sein; s. Gutscher/Ulrich-Bochsler/Utz Tremp 1999). Das Patronatsrecht über die Kirche hatte zunächst das Benediktinerkloster Erlach St. Johannsen. Der Wallfahrtsort wurde auch vom Berner Rat gefördert. Dieser setzte 1482 einen Vogt über die Kapelle ein, übernahm 1495 von St. Johannsen das Patronatsrecht und stiftete bis 1518 vier Kaplaneien. Nach der Reformation 1528 wurde das Marienheiligtum von Oberbüren abgeschafft und die Kirche zwischen 1530 und 1532 abgebrochen (HLS 9/2010, S. 314). Während ihrer Blütezeit erhielt die Wallfahrtskirche grosszügige Vergabungen. Viele der Geber waren Angehörige der freien Bruderschaft, die sich dort gebildet hatte. Zu diesen zählte laut dem Bruderschaftsrodel auch Rudolf von Erlach. Von ihm weiss man, dass er als Mitglied dieser Bruderschaft zusammen mit dem Venner von Büren Niklaus Zoffinger 1502 in Meienried bei Büren ein Haus mit Hofstatt kaufte, wovon er den jährlichen Zins von "fünff pfund löüffiger wärung" der Wallfahrtskirche von Oberbüren zukommen liess (Moser 1977, S. 21–23). Die Annahme liegt nahe, dass er zu dieser Zeit der Kirche auch ein Fenster mit der vorliegenden Scheibe spendete. Nach dem Berner Ratsmanual vom 6. Juli 1530 (Staatsarchiv Bern, Ratsmanual 226,54/58) verfügte damals der Rat, die Wallfahrtskirche in Oberbüren abzubrechen und den ehemaligen Gönnern der Kirche bzw. ihren Nachkommen, die Glasgemäldestiftungen zurückzugeben (Moser 1977, S. 21). Nach Moser verzichteten die Nachkommen des Rudolf von Erlach und des Abtes von St. Johannsen (s. d.) vermutlich auf die Rücknahme der Stiftungen, was dem Schultheissen von Büren ermöglichte, die entsprechenden Glasgemälde zu behändigen und in die seit dem frühen 12. Jahrhundert bezeugte Katharinenkirche in Büren an der Aare überführen zu lassen.
Über das anschliessende Schicksal der Scheiben von Rudolf von Erlach und von Johann Jakob Heimberg geben die Protokolle der Kirchgemeinde Büren von 1887–1895 Auskunft: 1888 wurde ins zentrale Chorfenster die neue Christusfigur von Frau Küpfer-Güder eingesetzt. Die beiden alten Scheiben befanden sich damals rechts und links dieser Figur in den seitlichen Chorfenstern und waren offenbar in schlechtem Zustand. Da sie nach Ansicht des damaligen Kirchenrates nicht mehr zum neuen Christus-Fenster passten, übergab sie dieser auf Ansuchen des Museumsdirektors Hermann Kasser 1895 schliesslich dem Bernischen Historischen Museum. Kasser liess dafür die beiden "entleerten" Kirchenfenster farbig verglasen sowie die beiden dem Museum übergebenen Schultheissenscheiben in Bern restaurieren (vgl. Moser 1977, S. 29f.).
Wie Brigitte Kurmann-Schwarz aufzeigte, kommt als Hersteller der Scheibe ein namentlich nicht bekannter Mitarbeiter der sogenannten Erlach-Scharnachtal-Werkstatt in Frage. Die Werkstatt schuf mehrere Scheiben für das Berner Münster, darunter auch ein Allianzscheibenpaar für Rudolf von Erlach und seine Frau Barbara von Scharnachtal (Kurmann-Schwarz 1998, Abb. 290, 291). Derselben Werkstatt wies Kurmann-Schwarz die beiden Scheiben zu, die Rudolf von Erlach der Kirche Oberbalm und 1505 der Kirche Jegenstorf verehrte, ebenso die Scheibe des Gutmann Zoller von 1522 in der Kirche Worb und die runde Berner Standesscheibe mit schildhaltenden Engeln in der Kirche Lützelflüh (Kurmann-Schwarz 1998, S. 372).