Forschung
Vor dem verheerenden Feuer von 1878 befanden sich in den drei Chorfenstern der Kirche die fünf alten, 1875 im Auftrag Friedrich Bürkis durch Johann Heinrich Müller restaurierten Glasgemälde, nämlich im Mittelfenster die Scheibe mit dem Allianzwappen Dittlinger-Huber (Bernisches Historisches Museum, Inv. 364), im zweiten Fenster die Bannerträgerscheiben Saanens (BHM, Inv. 367) und des Niedersimmentals sowie im dritten Fenster die Vinzenzen- und Bannerträgerscheiben Berns (BHM Bern, Inv. 365 und 366). Dank des mutigen Einsatzes von Gottlieb Steiner konnten diese Glasgemälde 1878 beim Brand mit einer Ausnahme unversehrt aus der Kirche gerettet werden. Durch das Feuer vernichtet wurde jedoch die 1509 datierte Scheibe des Niedersimmentals (offenbar blieben davon im Schutt keine Fragmente mehr übrig; vgl. dazu Heinz Matile, in: Kartei Ortskatalog Glasgemälde, BHM Bern). Zu der von der Kirchgemeinde ursprünglich geplanten Überführung der vier vor dem Feuer verschont gebliebenen Glasgemälde in den 1881 vollendeten Kirchenneubau kam es in der Folge nicht mehr, wurden doch diese nach dem Brand für 2'400 Franken an den Berner Grossrat Friedrich Bürki veräussert (Heinz Matile, in: Inventar Bürki, S. 63, BHM Bern). Nach Bürkis Tod 1881 gelangten sie über dessen Erben ans Bernische Historische Museum (unzutreffend ist der Hinweis in Allemann-Wampflers Artikel von 1917, wonach die beim Brand geretteten Scheiben dem Hersteller der neuen Fenster übergeben und von diesem nach Paris verkauft wurden).
Die Saaner Scheibe ist 1566 datiert. Die drei letzten Ziffern der Jahreszahl scheinen aber nicht korrekt ergänzt worden zu sein. Darauf weist die von der Scheibe existierende Pause, die Johann Heinrich Müller 1875 anlässlich seiner Restaurierung anfertigte (s. u.). In dieser hielt Müller nämlich ohne Angabe irgendeines Sprungbleies die Jahreszahl "M D LXV" fest. Die heute in der Scheibe vorhandene Ergänzung mit den Ziffern "XVI" dürfte demnach erst aus der Zeit nach 1875 datieren. Allerdings kann die betreffende Restaurierung nicht viel jünger als diejenige Müllers sein, bemängelte doch bereits 1885 Eduard von Rodt das falsch restaurierte Datum. Bei dieser von unbekannter Hand durchgeführten Reparatur wurde die Jahreszahl offenbar irrtümlicherweise mit der zusätzlichen Endziffer "I" versehen.
Man darf somit davon ausgehen, dass Saanen seine Wappenstiftung 1565 machte. Weil für die Kirche Lenk damals keine Erneuerungsarbeiten belegt sind, liegt es an sich nahe, darin einen Ersatz für eine in die Brüche gegangene ältere, wahrscheinlich für den Neubau von 1505 bestimmte Scheibe zu vermuten. Anlass zur Stiftung könnte aber auch die politische Situation in der Landschaft Saanen um 1565 geboten haben. Der mittelalterliche Landschaftsverband Saanen bildete von 1555 bis 1798 die gleichnamige bernische Landvogtei. Vor 1555 genossen die in einem Landschaftsverband organisierten Saaner Talleute im Berner Oberland viele Freiheiten (sie konnten z.B. selbständig Soldverträge abschliessen). 1555 gelang es Bern jedoch, das obere Saanenland zu erwerben und die Reformation einzuführen. Von da an verwaltete ein Bernburger Landvogt die dortige Landschaft (HLS 10/2011, S. 596f.). Es könnte deshalb sein, dass nach der Konsolidierung der bernischen Herrschaft in Saanen, der dort residierende Berner Vogt die Talleute animierte, der Kirche von Lenk in der benachbarten Vogtei (Kastlanei) Obersimmental ein Glasgemälde zu verehren.
Als Schöpfer von Saanens Stiftung stehen in der Literatur Mathis Wather (Foto SNM Zürich) und Joseph Gösler (Haldi 1971) beziehungsweise ein unbekannter Mitarbeiter desselben (Scheidegger 1947) zur Diskussion. Die Scheibe aus Lenk besitzt jedoch weder zu den rein hypothetisch mit Joseph Gösler in Verbindung gebrachten Werken noch mit denjenigen Walthers nähere stilistische Verbindungen.
Im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich gibt es von der Scheibe eine Pause Johann Heinrich Müllers (SNM, Inv. LM 24498). Darin sind die Säulenbasis unten links, das daran angrenzende kleine Landschaftsstück und das Bogenscheitelstück über dem Banner nicht eingezeichnet. Die betreffenden Teile wird Müller demnach in der Scheibe ergänzt haben.
Datierung
1565
StifterIn
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vor/seit 1882 Bernisches Historisches Museum
Vorbesitzer*in
Bis 1878 Kirche Lenk. – Friedrich Bürki, Bern
Inventarnummer
BHM 367