Forschung
Der hl. Beat († um 112) gilt als der Apostel der Schweiz. Laut Legende wurde er in England vom Apostel Barnabas getauft und von Petrus in Rom zum Priester geweiht. Dieser gab ihm auch den Auftrag, in der Schweiz den Glauben zu verbreiten. Der hl. Beat lebte daraufhin als Einsiedler in einer Höhle bei Beatenberg am Thunersee, wo er einen furchterregenden, die Region verwüstenden Drachen vertrieb. Seit dem 13. Jahrhundert ist ein Heiligenkult in Beatenberg belegt, und auch in der Innerschweiz galt der hl. Beat als Landespatron, der u. a. gegen die Pest angerufen wurde.
Laut Jahresbericht des Bernischen Historischen Museums von 1910 schmückte die Beatus-Scheibe "vor Jahren" in Vorderruppigen (Ruopigen) die Kapelle im Hof (Gemeinde Littau im Kanton Luzern). Die Muttergotteskapelle, heute Schwand oder beim Hof Schwand genannt, ist ein typisches Wegheiligtum an der Nord-Süd-Achse zwischen Luzern und Sempach gelegen. Der schlichte rechteckige Bau mit dreiseitig geschlossenem Chor barg vormals auch eine Muttergottesstatue aus der Zeit um 1500, die sich heute im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich befindet (Inv. LM 11020; von Moos 1946, S. 415f., Abb. 331; Hennig/Meyer 2009, S. 298). Hans Lehmann reihte die Beatusscheibe daher in die Glasmalerei Luzerns ein und schrieb sie dem dortigen Glasmaler Balthasar von Heldbrunn zu. Seit jüngerer Zeit wird jedoch mit guten Gründen angenommen, dass die Scheibe ursprünglich in eine bernische Kirche gestiftet wurde und erst während oder nach der Reformation in das katholische Luzern überführt wurde. Tatsächlich hatte die Berner Obrigkeit um 1528 die Beatus-Verehrung unterbunden und 1534 die Wallfahrtskapelle am Beatenberg zerstört sowie die Höhle geschlossen. Wahrscheinlich wurde in dieser Zeit des Ikonoklasmus und der Säkularisierung die Heiligenscheibe aus einer Kirche entfernt und nach Luzern verbracht. Denn je mehr der Beatuskult in Bern unterdrückt wurde, desto intensiver übten die katholischen Eidgenossen die Verehrung des Heiligen aus (Kat. Manuel 1979, S. 190).
Somit käme als Herstellungsort der Scheibe doch wohl eher die Stadt Bern in Betracht. Stilistische Elemente wie die Bewegtheit der Figur oder die Physiognomie des bärtigen Heiligen erinnern allerdings an Entwürfe des Zürcher Malers und Zeichners Hans Leu des Jüngeren. Dem gleichen Kopf begegnet man sowohl beim hl. Bartholomäus eines von Leu 1521 geschaffenen Risses im British Museum in London als auch in dessen Darstellung Lots mit seinen Töchtern im Schweizerischen Landesmuseum Zürich (Butts/Hendrix 2000, Kat.-Nr. 133 und S. 280). Auch die Rahmengestaltung mit den gekreuzten, bogenbildenden Ästen und hornblasenden Putten finden sich in Leus Zeichnungen (Scheibenriss mit den hl. Jakobus dem Älteren und Jodokus von 1516, SNM Zürich, Inv. LM 24738; Butts/Hendrix 2000, Kat.-Nr. 130) wie auch in den Glasgemälden aus dessen Umkreis im Kreuzgang des ehemaligen Klosters Wettingen (Hoegger 2002, S. 240–243). Hans Leu schuf auch Scheibenrisse für die Berner Funk-Werkstatt (Gutscher 1998, Bd. 2, S. 623f.), die hiermit als Produktionsort für die Beatus-Scheibe in Betracht fällt. Vergleichbar sind dabei allein dort früh entstandene Scheiben wie diejenigen Bremgartens von 1501 und 1510 im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 20274 und 370).
Datierung
um 1515
Zeitraum
1510 – 1525
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 1910 Bernisches Historisches Museum
Vorbesitzer*in
Seit 16. Jahrhundert(?) Vorder Ruppigen, Kapelle im Hof (Gemeinde Littau LU). – Bis 1910 Sammlung Meyer-Amrhyn, Luzern. – Dr. H. Meyer-Rahn, Zürich.
Inventarnummer
BHM 6828