Forschung
Von den beiden Stiftern wurde Johannes Appenzeller († 1693), der Sohn des aus Ursenbach gebürtigen Heinrich Appenzeller, 1639 in Burgdorf zum Burger angenommen. Von Beruf Balbierer (Barbier, Chirurg) und seit 1650 mit der Burgerstochter Verena Rüthi verheiratet, fand er 1655 in den Gross- und 1680 in den Kleinrat von Burgdorf Aufnahme. Daneben amtete er als Kirchmeier (1662–1667), Unter- (1677–1680) und Oberspitalvogt (1683–1686) sowie Schaffner (1689–1693). Den aus Grosshöchstetten stammenden Schuhmacher Christoffel Zingg nahm Burgdorf 1639 für die hohe Summe von 110 Kronen zum Burger an. 1656 wurde er vom dortigen Rat zum Iseler (Aufseher über Mass und Gewicht) erhoben. Er muss ein Verwandter Adam Zinggs gewesen sein, der im Burgdorfer Ratsmanual von 1645 als in Lotzwil ansässig erwähnt wird. Ein weiterer Angehöriger seiner Familie war Klaus Zingg, der seit Ende 1653 in Gutenburg über lange Jahre als Bader wirkte (Aeschlimann).
Die Scheibe weist enge kompositorische und stilistische Parallelen zum Glasgemälde Heinrich Stählis von 1656 im Museumsdepot des Burgdorfer Kornhauses auf (Inv. 40.52). Diese zwei auch in den Massen übereinstimmenden Werke stammen aus derselben Werkstatt und wurden vermutlich an denselben Ort gestiftet. In Stil und Schriftcharakter ist Stählis Glasgemälde der 1666 in die Kirche Seeberg gestifteten Bildscheibe Wangens mit der Verklärung Christi verwandt, die sich anhand eines Rechnungsbeleges dem Burgdorfer Glasmaler Bendicht Kupferschmid (1633–1673) zuweisen lässt. Man darf deshalb davon ausgehen, dass Stähli ebenso wie Appenzeller und Zingg ihre Stiftungen 1656 in der Burgdorfer Werkstatt Kupferschmids in Auftrag gaben. Dieselbe war offenbar nicht allein im Besitz Bendicht Kupferschmids, sind doch ausser ihm damals als Glasmaler in Burgdorf ebenfalls seine beiden Onkel Heinrich (1623–1689) und Samuel (1627–1688) bezeugt. Von ihnen beiden liegen keine gesicherten Werke vor, und ebenso wenig weiss man, inwieweit die drei Glasmaler Kupferschmid zusammenarbeiteten. Stilistisch dürften sie sich in ihrem Schaffen aber kaum grundlegend unterschieden haben. Es muss deshalb offen bleiben, welcher oder welche der drei betreffenden Glasmaler an der Ausführung der beiden genannten Scheiben beteiligt war(en).
Kompositorische Parallelen bestehen auch zur wesentlich älteren Scheibe Gruner/Manuel im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 8886), die möglicherweise der Berner Werkstatt Matthias Zwirns entstammt.
Weil sich Heinrich Stähli auf seiner Scheibe "Vogt allhier zu Lotzwil" nennt, muss es sich beim Bestimmungsort um ein Gebäude in oder um Lotzwil gehandelt haben. In Frage kommen dabei in erster Linie der 1654 umgebaute, dem Lotzwiler Vogt möglicherweise als Absteigequartier dienende Gutenburghof oder das Bad Gutenburg bei Lotzwil, wo 1656 mit Klaus Zingg ein Verwandter Christoffel Zinggs als Bader und Wirt wirkte.
Als Vorlage zum Mittelbild der Scheibe diente eine Radierung Matthäus Merians des Älteren für die erste Blattfolge der "Novae regionum aliquot amaenissimarum delineationes", erschienen 1622/24 bei Peter Aubry in Strassburg (Wüthrich 1966, I, S. 116, Nr. 469, Abb. 249; Virtuelles Kupferstichkabinett). Sie symbolisiert den "vir bonus", den Ehrenmann, der sein Hab und Gut gegeneinander aufwiegt. Denn der weise Mann hält seine Waage im Gleichgewicht und lässt nicht zu, dass Habsucht, Begierde oder Ungerechtigkeit von seinem Herz Besitz ergreifen.
Datierung
1656
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 1916 Bernisches Historisches Museum
Vorbesitzer*in
Bis 1916 Sammlung Knechtenhofer, Thun.
Inventarnummer
BHM 8890