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FR_101: Figurenscheibe um 1625: Hl. Petrus Canisius
(FR_Freiburg_MAHF_FR_101)

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Titel

Figurenscheibe um 1625: Hl. Petrus Canisius

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Herstellungsort
Datierung
Um 1625

Ikonografie

Beschreibung

Das hochovale Mittelbild zeigt das Bildnis des Jesuitenheiligen Petrus Canisius, der in einer randständigen Inschriftleiste bezeichnet wird. Der Heilige ist nach rechts gewandt und leicht nach links ausgedreht. Der greise Petrus Canisius trägt einen dunklen Mantel mit hochgezogenem Kragen. Ihn kennzeichnet eine über der Stirne gerade geschnittene Frisur und der kurze Bart. Seine Gesichtszüge sind hager, die Augen ernst blickend, der Mund ist fest verschlossen. Das Oval umgibt heute eine neue architektonische Rahmung mit maskengeschmückten Säulen und Rollwerkkartuschen, von denen die untere die Jahreszahl 1591 trägt.

Iconclass Code
11H(PETER CANISIUS) · Petrus Canisius, Jesuitenpater; mögliche Attribute: Buch, Kruzifix, IHS-Monogramm, Schreibfeder, Totenschädel
Iconclass Stichworte
Inschrift

Bildinschrift: PETRVS CANISIVS SOCETATIS (sic) IESV TH[EOLOGVS] [ergänzt].

Signatur

Keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Erhaltung: Die ganze Rahmung und der linke obere Teil des Mittelbildes 1891 ergänzt. Vorderseitig spätere Einritzung mit dem Diamanten: Seelig (? schlecht lesbar) – Petrus.
Restaurierung: 1891: Kirsch & Fleckner, Freiburg: Ergänzungen.

Technik

Farbloses Glas. Sorgfältige Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb. Rahmung (1891): Farbloses, grünes und rotes Glas. Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb, grünen und braunen Schmelzfarben.

Entstehungsgeschichte

Forschung

In Nijmegen im damaligen Gelderland und in den heutigen Niederlanden als Bürgermeistersohn geboren, studierte Petrus Canisius (8.5.1521–21.12.1597) in Köln und trat 1543 als erster Deutscher dem Jesuitenorden bei. Er legte in Rom die Profeß bei Ignatius von Loyola ab, lehrte an den Universitäten von Ingolstadt und Wien und gründete die erste Jesuitenniederlassung in Köln. Canisius war ein begehrter und überzeugender Prediger und wurde der erste Provinzial der Oberdeutschen Provinz des Jesuitenordens. In dieser Funktion war er an der Gründung, Organisation und Führung einer Reihe von Kollegien beteiligt. Sein schriftliches theologisches Werk begann er schon 1543, widmete sich diesem aber vor allem während der letzten 17 Jahre seines Lebens. Mit Vehemenz trat er für eine Reformation der Kirche in Deutschland ein. 1580 nach Freiburg zur Gründung des Kollegiums St. Michael entsandt, verstarb Canisius hier 1597 und wurde unter hoher Anteilnahme in der Stadtkirche St. Nikolaus beigesetzt. Seine Verehrung setzte schon bald nach seinem Tod ein, 1625 wurde der Leichnam in die jüngst vollendete Jesuitenkirche überführt. Unmittelbar darauf wurde seine Kanonisation angestrebt, doch erst 1864 erfolgte die Seligsprechung und 1925 die Heiligsprechung des “Kirchenlehrers” und “zweiten Apostels Deutschlands”.
Das Glasgemälde entstand nach einer graphischen Vorlage von Dominikus Custos (1559/60–1612) aus dem Jahr 1599, die im Auftrag des Octavianus Secundus Fugger (1549–1600) in einer Auflage von 170 Exemplaren gedruckt und 13 Jahre später in den “Bildnissen berühmter Männer” wiederverwendet wurde (Clarissimorum aliquot litteris, ingenio, fama virorum effigies XXXIX, 2. Auflage Augsburg 1612; Rom in Bayern 1997. S. 500–501, Kat.-Nr. 166; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 101.1). Da die Masse von Stich und Scheibe identisch sind, ist anzunehmen, dass die Graphik direkt und ohne zeichnerische Zwischenstufe als Modell diente. Das Glasgemälde ist somit eine recht genaue, wenn auch schematische Kopie des Kupferstichporträts mit seinem beschrifteten Ovalrahmen. Die heute mit der irreführenden Jahreszahl 1591 versehene Kartusche geht auf die Restaurierung des 19. Jahrhunderts zurück. Unklar ist, inwieweit sich die ganze Rahmung an einstigen, schlecht erhaltenen Fragmenten orientierte. Sibylle Appuhn-Radke, die davon ausging, dass das Glasgemälde 1891 historisch korrekt ergänzt wurde und auf originale Reste zurückgeht, stellte die an sich plausible These auf, der Restaurator habe ein Originalfragment mit dem Datum 1597, dem Todesdatum Petrus Canisius’, falsch gelesen und zu 1591 verfälscht. Die Jahrzahl wurde aber offenbar von Max de Techtermann verbreitet, der behauptete, die Jahrzahl habe schon unter dem Bild gestanden, als er es kaufte. Sicher lieferte er auch dem Restaurator Kirsch den Entwurf zur Ergänzung der Scheibe (Herr Kirsch erhielt offenbar nur die oben als original bezeichneten Teile sowie den Entwurf für die Ergänzung, aber kein Fragment mit einer Jahrzahl. Vgl. Reiners 1931/I. S. 5. bzw. Reiners 1931/II. S. 243).
Der Mittelteil der Scheibe dürfte Anfang bis Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden sein. Ob die Scheibe im Zuge der ersten Seligsprechungskampagne, die 1627 eingeleitet wurde, entstand, oder bereits kurz zuvor, ist schwer zu beantworten. Sicher wurde der Heilige schon früh in Freiburg verehrt, sein Bildnis war in seinem Epitaph in der Kirche St. Nikolaus präsent und durch den Stich von Custos durchaus über den Jesuitenkreis hinaus verbreitet. 1621 und 1623 sollen Jesuitenporträts, unter denen sich auch das Bildnis des Petrus Canisius befand, im Kollegium St. Michael aufgehängt worden sein (Rom in Bayern 1997. S. 519). Vielleicht entstand die Scheibe, als 1625 sein Leichnam feierlich in das neuerbaute Jesuitenkollegium überführt wurde. Dass es zu dieser Zeit solche Bildnisscheiben gab, ist dem Protokoll des Seligsprechungsprozesses von 1627 zu entnehmen, in welchem der Freiburger Staatskanzler Anton von Montenach bemerkt, dass das Bildnis des Verehrten an Fenstern und Wänden sehr vieler Häuser zu sehen sei. Im Seligsprechungsprozess von 1740–1742 gibt ein Zeuge zu Protokoll, er bewahre sorgfältig ein durch seine Vorfahren überliefertes, auf Glas gemaltes Bildnis des Petrus Canisius (Braunsberger 1923. S. 822–823; Reiners 1931/I. S. 4. Das auf Glas gemalte Bild könnte auch ein Hinterglasgemälde gewesen sein. Freundlicher Hinweis von Yves Jolidon, Vitrocentre Romont).
Wie die ursprüngliche Rahmung ausgesehen haben mag, ist heute schwer zu entscheiden. Die Ergänzung zu einer Rechteckform mit architektonischen Elementen und Rollwerkkartuschen (s. u.) könnte dem Original entsprochen haben, doch wirken die einzelnen Elemente zu historistisch, um als Kopien von Originalfragmenten gelten zu können. Möglicherweise folgte sie aber auch in den Randteilen stärker dem Augsburger Stich und trug eine Stifterinschrift bzw. zweite Bildinschrift in der unteren Rollwerkkartusche. Scheiben mit ovalen Mittelbildern, die meist das Wappen des Stifters tragen, sind in Freiburg allgemein recht beliebt. Porträtscheiben sind jedoch verhältnismässig selten und beschränkten sich wohl in der Regel auf Studierstuben von Gelehrten und Geistlichen. Wappen und Stifterinschrift fehlen auf solchen. Die früheste uns bekannte Scheibe dieser Art ist das Porträt des Antistes Heinrich Bullinger, das 1571 datiert und vom Schaffhauser Glasmaler Daniel Forrer monogrammiert ist (Schweizerisches Nationalmuseum Inv. LM 15917; Schneider 1971. Bd. I. S. 116, Nr. 333; nach Boesch 1955. S. 169–170 vom Zürcher Glasmaler Fridly Burkhart; Bergmann 2014. Katalog. Abb. 101.2). Sie steht auch in der ovalen Form mit den üblichen Rahmenarchitekturen, Allegorien und Inschriften den typischen Schweizerscheiben und der vorliegenden Porträtscheibe am nächsten. Bildnisscheiben kommen offenbar in protestantischen Kreisen häufiger vor (vgl. Lehmann 1913–1920). Diese isolierten Bildnisscheiben mit Porträts von Heinrich Bullinger, Philipp Melanchton, Johannes Hus usw. entstanden seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhundert vor allem in Deutschland, in geringerem Ausmass auch in der Schweiz. Sie zeichnen sich allerdings meist durch ihre runde Form aus, die sich der damaligen Verglasung mit Butzenscheiben bestens anpasste. Dass dieses Bildnis des Petrus Canisius – nach einer These Stefan Trümplers – wie diese Rundscheibchen ohne Rahmung allein als Ovalscheibe in das Fenster integriert war, ist ebenfalls denkbar. Vielleicht wurde sie auch mit rein ornamentalen Zwickeln zu einem schlichten Rechteck ergänzt wie das Bildnis des Reformators Calvin im Musée Ariana in Genf (Inv. G 548. 20,50 x 17,50 cm. Deonna 1929. S. 86; Emotion[s] en lumière 2008. S. 33, Abb. 39; Bergmann 2014. Katalog. Abb. 101.3).

Datierung
Um 1625
Zeitraum
1620 – 1630
Eingangsdatum
1902
Schenker*in / Verkäufer*in

Max de Techtermann, Freiburg

Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Musée d’art et d’histoire Fribourg (e-collection MAHF)

Vorbesitzer*in

Aus der Sammlung Max de Techtermann 1902 angekauft. Als Herkunft wird in seinem Inventar “Freiburg (Dekan von Lully)” angegeben. Die Scheibe soll aus einem Nebengebäude des ehem. Jesuitenkollegiums stammen Vgl. Brief des Kantonsarchäologen an Wilhelm Schamoni 15.12.1936, MAHF Correspondances 1927–1931, p. 104). Nach anderer Quelle hatte Techtermann die Scheibe bei einem Antiquar gekauft, der sie wiederum von einem Geistlichen auf dem Lande im Kanton erworben hatte (Braunsberger 1923. S. 822. Vgl. Reiners 1931/I. S. 4).

Inventarnummer
MAHF 4380

Bibliografie und Quellen

Literatur

Berthier, J. J. Vitrail – Portrait du B. P. Canisius – 1591. In: Fribourg Artistique à travers les âges 8, 1897. Pl. XXII.

Catalogue du Musée Cantonal des Beaux-Arts et d’Antiquités Fribourg. Répertoire général. 1909 ff. (Handschriftlicher Katalog Archiv MAHF) Nr. 216.

Reiners, Heribert. Wahre Bildnisse des hl. Canisius. Freiburg 1931. S. 3–6, Taf. IV, 1 und VI.

Reiners, Heribert. Über die ältesten Bildnisse des hl. Canisius. In: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 25, 1931. S. 242–245, Taf. IV, Abb. 1.

Boesch, Paul. Die Schweizer Glasmalerei. (Schweizer Kunst Bd. 6) Basel 1955. S. 168–170, Abb. 100.

Marquis, André-Jean. Le collège Saint-Michel de Fribourg (Suisse), sa fondation et ses débuts 1579–1597. (Archives de la Société d’Histoire du Canton de Fribourg 20, 1969) Fribourg 1969. Abb. S. 144–145.

Appuhn-Radke, Sibylle. Petrus Canisius im Bild – Entwicklungsstadien einer Heiligenikonographie. In: Petrus Canisius – Reformer der Kirche. Festschrift zum 400. Todestag. Jahrbuch Verein für Augsburger Bistumsgeschichte 30, 1996. S. 247–252.

Petrus Canisius 1597–1997. (Exposition Fribourg, Musée d’art et d’histoire 5 septembre–9 novembre 1997) Fribourg/Freiburg 1997. S. 75, Nr. 236.

Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden. (Begleitband zur Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg) Hrsg. von Carl A. Hoffmann, Markus Johanns, Annette Kranz, Christof Trepesch, Oliver Zeidler. Regensburg 2005. S. 471, Nr. VI.14.

Bergmann, Uta. Die Freiburger Glasmalerei des 16.–18. Jahrhunderts / Le vitrail fribourgeois du XVIe au XVIIIe siècle (Corpus vitrearum Schweiz, Reihe Neuzeit, Bd. 6 / époque moderne vol. 6). 2 Bde / vol. Bern et al. 2014. Bd. 2. Kat.-Nr. 101.

Vgl.

Lehmann, Hans. Bildnisse auf Glasgemälden. In: Zwingliana III, 1913–1920. S. 273–277, 293–296, 325–328.

Braunsberger, P. O. S. J. Beati Petri Canisii Societatis Jesu Epistulae et Acta, VIII. Band (1581–1597). Freiburg i. Br. 1923. S. 822–823.

Deonna, Waldemar. Collections archéologiques et historiques. Moyen Âge et Temps Modernes. Genève 1929.

Boesch, Paul. Die Schweizer Glasmalerei. (Schweizer Kunst Bd. 6) Basel 1955.

Schneider, Jenny. Glasgemälde. Katalog der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums Zürich. 2 Bde. Stäfa o. J. [1971]. Bd. I. S. 116, Kat.-Nr. 333; Bd. II. S. 290, Kat.-Nr. 508, S. 333, Kat.-Nr. 669, 670.

Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten. (Katalog zur Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums München 30. April bis 20. Juli 1997) Hrsg. von Reinhold Baumstark. München 1997. S. 499–502.

Emotion(s) en lumière. Le vitrail à Genève. Genève 2008.

Vorlage

Kupferstich von Dominikus Custos (1559/60–1612), Bildnis des Petrus Canisius 1599.

Bildinformationen

Name des Bildes
FR_Freiburg_MAHF_FR_101
Fotonachweise
© MAHF (Foto: Primula Bosshard)
Copyright
© Musée d'art et d'histoire Fribourg (MAHF)
Eigentümer*in

Musée d’art et d’histoire Fribourg (e-collection MAHF)

Inventar

Referenznummer
FR_101
Autor*in und Datum des Eintrags
Uta Bergmann 2016