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FR_112: Riss einer Wappenscheibe der Vogtei Murten um oder vor 1630
(FR_Freiburg_MAHF_FR_112)

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Titel

Riss einer Wappenscheibe der Vogtei Murten um oder vor 1630

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Ganting, Hans · zugeschrieben
Datierung
Um oder vor 1630

Ikonografie

Beschreibung

Vor einer Sockelzone mit der Inschriftkartusche und einer das Hauptbild zweiteilenden Mittelsäule steht die Wappenpyramide der Vogtei Murten: das Wappen der Stadt Murten, überhöht von den Schilden der beiden Herrschaften Bern und Freiburg. Zwei Engel als Schildbegleiter präsentieren darüber die Krone, der linke in antikisierender Tracht hält dazu das Schwert, der rechte in Diakonskleidung den Reichsapfel. Lilien- und Kreuzdiadem unterscheiden dazu die Engel auf der bernischen und freiburgischen Seite. Ein schmales Gebälk mit Blütenfestons und Stoffgirlanden schliesst das Mittelbild nach oben hin ab. Am Fuss der Scheibe trägt die Rollwerkkartusche ein später zugefügtes Datum 1662 und das Monogramm des Besitzers GM.

Iconclass Code
11G · Engel
44A1 · Wappen (als Staatssymbol etc.)
44B191 · Krone (als Symbol der obersten Gewalt)
44B193 · Kugel (als Symbol der obersten Gewalt; mit einem Kreuz bekrönt)
Iconclass Stichworte
Engel · Kreuz · Krone · Kugel · Wappen
Heraldik

Wappen Murten: [In Silber] über [grünem] Dreiberg ein steigender gekrönter [roter] Löwe.
Wappen Bern: [In Rot] ein [goldener] Schrägbalken, belegt mit einem schreitenden [schwarzen] Bären.
Wappen Freiburg: Geteilt von Schwarz und Silber.

Inschrift

Stifterinschrift: Fehlt.
In der Inschriftkartusche: GM (ligiert) 158.

Signatur

Keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Erhaltung: Auf dünnen Karton aufgezogen. Horizontal- und Vertikalknick. Wenig stockfleckig. Gebrauchsspuren.

Technik

Grau-schwarze Feder auf Papier, braun laviert. Farbangaben, original und später nochmals überschrieben. Späterer Besitzervermerk GM 158 (schwarze Feder). Späteres Datum 1662 (braune Feder) und Nr. 610 (lavierte Feder). Spätere Verbleiungslinien mit schwarzer und roter Feder. Kein Wasserzeichen.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Das Monogramm GM am Fuss des Blattes findet sich auf verschiedenen Scheibenrissen der Sammlung Wyss wieder, wo es zumeist als Besitzervermerk angebracht und mit einer Sammlungsnummer versehen wurde (Inv.-Nr. 20036.642. Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 58, Nr. 423). Es ist manchmal auch als CM lesbar. Die Risse selbst stammen aus unterschiedlichen Ateliers. Darunter finden sich Blätter eines Baslers und mehrerer Berner Glasmaler wie Thomas Vischer, Samson Stark (?) und Hans Ganting d. J. (Hasler 1996/1997. Bd. I. Nr. 142; Bd. II. Nr. 423–425 und Nr. 430). Der Numerierung ist zu entnehmen, dass der unbekannte Glasmaler 1628 schon 84 Scheibenrisse sein eigen nennen konnte und 1631 bereits 284 Zeichnungen besass. Dieser Scheibenriss besitzt die Sammlungsnummer 158.
Das Monogramm entzieht sich leider einer sicheren Identifizierung. Auffallend ist die Häufigkeit, mit der es auf Berner Scheibenrissen auftritt, auch auf solchen, die eine französischsprachige Inschrift tragen. Der Monogrammist war offenbar selbst Glasmaler, da er 1633 einen Scheibenriss (Samson Starks?) für Franz von Affry mit einer französischsprachigen Inschrift versah und nach diesem eine Scheibe ausführte (Bern, BHM Slg Wyss Inv.-Nr. 20036.442. Hasler 1996/1997. Bd. II. Nr. 425; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 111.2). Ein weiterer Scheibenriss für Anton von Erlach, der zunächst mit Maria Margaretha von Diesbach und später mit Elisabeth von Affry verheiratet war, gehörte wahrscheinlich zu einer gemeinsamen Scheibenstiftung (Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 68.1). Auch dieser Riss, der sich 1632 ebenfalls im Besitz des Monogrammisten GM befand, ist mit einer französischsprachigen Stifterinschrift versehen (Bern, BHM Slg Wyss Inv.-Nr. 20036.658. Hasler 1996/1997. Bd. II. Nr. 424).
Möglicherweise war der unbekannte Glasmaler GM/CM folglich ein Berner Glasmaler oder vielleicht gar ein Westschweizer Glasmaler, der viel für das bernische Waadtland tätig war.
Als Reisser und Glasmaler des vorliegenden Risses wird man den Berner Glasmaler Hans Ganting d. J. (1586–nach 1634) vermuten dürfen, der einen eng verwandten Scheibenriss für die Stadt Murten signierte und 1634 datierte (BHM Inv. 20036.619. Aus der Slg. Wyss. Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 68, Nr. 432; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 112.1). Neben der schlichten Komposition, in der die Architektur kaum in Erscheinung tritt, verbinden die beiden Risse stilistische Komponenten wie die untersetzten, puppenhaften Engelsfiguren, die prallen grossäugigen Gesichter, aber auch zeichnerische Eigenheiten wie die gestrichelten und gewellten Trennlinien in Gewand und Flügeln, die auch am Murtner Riss Gantings und beispielsweise auch an seinem Scheibenriss mit der Taufe Christi aus dem Jahr 1626 im Bernischen Historischen Museum zu finden sind (BHM Inv. 20036.451. Aus der Slg. Wyss. Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 64–65, Nr. 429; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 112.2).
Hans Ganting d. J. wurde am 9.1.1586 als Sohn des Berner, ursprünglich aus der Grafschaft Neuenburg stammenden Steinmetzen Hans Ganting (Quanting) getauft. Der junge Hans war wie sein Vater Mitglied der Steinhauerzunft, der sogenannten Gesellschaft zum Affen. 1618 klagte man darüber, dass er sich mehr mit dem “opus perpetuum” abgebe als mit seinem Handwerk. Er erwiderte, er habe schon drei gemacht, und sei am vierten, das ihm gut geraten sei, und am Handwerk habe ihn das nicht gehindert. Der Meister weilte etliche Jahre im Ausland. 1627 erhielt die Frau des “kunstrichen und erfarnen” Johann Ganting von der Stadt eine Unterstützung. Sein Todesdatum ist unbekannt. Über die zweite Frau seines Vaters war Hans Ganting d. J. auch mit dem Glaser Jeronymus Gering, seinem Stiefbruder, und dem Glasmaler Jakob Spengler, dem Ehemann seiner Stiefschwester, verwandt (Brun SKL IV, 1917. S. 168 [H. Türler]; Mensger 2012. Bd.1. S. 92). Diese Verwandtschaft führte ihn wahrscheinlich zur Wahl seines Berufes. Als Glasmaler ist Ganting zwar nicht fassbar, doch schuf er eine Reihe von Scheibenrissen, die er meist mit dem ligierten Monogramm “HG” oder mit “IHGanttinn” signierte.

Datierung
Um oder vor 1630
Zeitraum
1620 – 1635
Eingangsdatum
Unbekannt
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Musée d’art et d’histoire Fribourg (e-collection MAHF)

Vorbesitzer*in

Unbekannt. Alter Bestand.

Inventarnummer
MAHF 2010-1080

Bibliografie und Quellen

Literatur

Bergmann, Uta. Die Freiburger Glasmalerei des 16.–18. Jahrhunderts / Le vitrail fribourgeois du XVIe au XVIIIe siècle (Corpus vitrearum Schweiz, Reihe Neuzeit, Bd. 6 / époque moderne vol. 6). 2 Bde / vol. Bern et al. 2014. Bd. 2. Kat.-Nr. 112.

Vgl.

Brun, Carl. Schweizerisches Künstler-Lexikon. 4 Bde. Frauenfeld 1905 (Bd. 1), 1908 (Bd. 2), 1913 (Bd. 3), 1917 (Bd. 4 = Suppl.).

Hasler, Rolf. Die Scheibenriss-Sammlung Wyss. Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bernischen Historischen Museum. 2 Bde. Bern 1996–1997. Bd. II. S. 68, Nr. 432.

Mensger, Ariane. Die Scheibenrisse der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. 2 Bde. Köln 2012.

Bildinformationen

Name des Bildes
FR_Freiburg_MAHF_FR_112
Fotonachweise
© MAHF (Foto: Francesco Ragusa)
Copyright
© Musée d'art et d'histoire Fribourg (MAHF)
Eigentümer*in

Musée d’art et d’histoire Fribourg (e-collection MAHF)

Inventar

Referenznummer
FR_112
Autor*in und Datum des Eintrags
Uta Bergmann 2016