Forschung
Auf dem Tartschenschild sind die “Arma Christi” dargestellt, d. h. die Leidenswerkzeuge der Passion: Grab, Kreuz, Leiter, Lanze, Stab mit Essigschwamm, Schwert, Geissel, Rute, Fesseln, Nägel, Hammer, Zange, Würfel, Purpurrock, Kelch, Kanne der Handwaschung, drei Salbbüchsen, Laterne und Schweisstuch der Veronika (?). Die Männerköpfe beziehen sich auf Personen, die an der Passion beteiligt waren: Herodes, Pontius Pilatus und Judas. Mit den "Waffen Christi” überwand der Heiland das Böse und erlöste die Menschheit. Diese “Kampfinsignien” wurden schon in der frühchristlichen Zeit als Triumphzeichen des auferstandenen Herrn verstanden. Die Verehrung der Passionsreliquien kam daher schon früh auf. Neben die Geisselsäule trat im 4. Jahrhundert das von der Kaisermutter Helena aufgefundene Golgathakreuz, später tauchten im Orient auch Nägel, Inschrifttafel, Dornenkrone usw. auf. Durch die Kreuzzüge gelangten solche Reliquien ins Abendland. Als Andachtsmotiv kommen Hoheits- und Siegeszeichen v. a. seit dem 14. Jahrhundert vor; sie werden dann auch mit den Bildmotiven des ”Ecce Homo” oder der “Gregorsmesse” verbunden. Als Verbildlichungen des Leidens Christi fanden die Waffenbilder aber auch durch Bernhard von Clairvaux (1091–1153) oder Franz von Assisi (1182–1226) Eingang in die Passionsfrömmigkeit der Mönche. Die Anordnung als heraldisches Wappen scheint seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts aufgekommen zu sein, bedeuten “arma” doch sowohl “Waffen” als auch “Wappen”. Kupferstiche Israels von Meckenem oder des Meisters E. S. verbreiteten die Wappen Christi am Ende des 15. Jahrhunderts als Andachtsbilder (Meister E. S. 1986/1987. S. 74, Kat.-Nr. 89. Auch spätere Flugblätter trugen zur Verbreitung bei. Vgl. Deutsche illustrierte Flugblätter 1989. S. 30–31). Anhand dieser Bilder konnte sich der Gläubige die Leidensstationen Schritt für Schritt vergegenwärtigen. Sie waren ebenso Gedächtnishilfen wie Anregungsmittel der Meditation (Berliner 1955. S. 95). Die häufig dargestellten Evangelisten vertreten dabei die biblische Grundlage des Erlösungswerkes.
Die inhaltliche Bedeutung der vorliegenden Scheibe ist somit komplex und tief religiös. Da eine Stifterinschrift fehlt, bleiben Datierung und Verwendungszweck ungeklärt. Als Stifter käme wohl am ehesten eine Bruderschaft in Frage, die das Leiden Christi verehrte, worauf auch die Ehrenkette unterhalb des Wappens weist (Eine Bruderschafts[?]-fahne mit dem Christuswappen hat sich im Schweizerischen Nationalmuseum Zürich erhalten. Inv.-Nr. LM 17724. Himmel, Hölle, Fegefeuer 1994. S. 215, Kat.-Nr. 38). Ein Scheibenriss mit dem Arma Christi-Wappen 1594 von Daniel Lindtmayer entstand nach Friedrich Thöne wohl im Auftrag einer Toten- oder Seelenbruderschaft (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv.-Nr. XI 117. Thöne 1975. S. 211, Nr. 266, Abb. 325; Mensger 2012. Bd. 1. S. 129, Nr. 164; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 114.1). In Freiburg käme vielleicht ebenfalls die bisher wenig erforschte Seelenbruderschaft in Frage. Aber auch die Kartäuser führten die Arma Christi in ihrem Wappen.
Es müssen mehrere Scheiben dieser Ikonographie in Freiburg existiert haben. Im Musée Grobet-Labadié in Marseille hat sich zumindest als Fragment ein sehr ähnliches Passionswappen nach dem gleichen Riss erhalten (Inv.-Nr. SN-MGL-41. Unpubliziert. 18,30 x 12,90 cm; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 114.2). Als graphische Vorlagen für die Evangelisten standen dem Glasmaler vier Kupferstiche aus einem bei Kunst- und Buchhändler Paul Fürst (1608–1666) in Nürnberg erschienenen Druckwerk zur Verfügung, oder aber wahrscheinlicher die diesen zugrundeliegenden Kupferstiche des Hieronymus Wierix (1553–1619) (Die aus einem Band herausgelösten Stiche (S. 154–157) in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel [Inv. A1:751–754]. [am 18.9.2013]. Mauquoy-Hendrickx 1978/1979. Bd. II. Nr. 844–847; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 114.3). Beide Graphikserien unterscheiden sich motivisch nur wenig, doch sind die Evangelisten bei Fürst in Ovale eingeschrieben und formal steifer.
Als Glasmaler steht aufgrund des Figurenstils und der Technik Hans Wäber zur Diskussion, der mit grosser Wahrscheinlichkeit die Standesscheiben von 1622 und 1623 geschaffen hat (FR_95 und FR_96). Es dürfte eine Vorliebe des Glasers gewesen sein, wie hier auf blau getöntem Glas zu malen.
Datierung
Um 1630
Zeitraum
1625 – 1635
Eingangsdatum
1902/03
StifterIn
Schenker*in / Verkäufer*in
Ernest de Gottrau, Freiburg
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
Aus der ehem. Sammlung Charles-Auguste Von der Weid. Später Ernest de Gottrau. 1902/03: im Tausch von Herrn Ernest de Gottrau gegen eine Scheibe Reyff-Boccard 1704, die das Museum 1899 von Frl. Dafflon in La Tour-de-Trême angekauft hatte, erworben.
Inventarnummer
MAHF 4388