Forschung
Der Scheibenriss zeigt die gleiche Komposition wie der Entwurf einer Wappenscheibe Güder aus der Hand eines unbekannten Meisters um 1611/12 (Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 120.1) und der von Samson Stark (* 1586) monogrammierte und 1607 datierte Riss mit einem unbekannten Wappen (Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 120.2). Beide werden im Bernischen Historischen Museum aufbewahrt (Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 41–42, Nr. 403 und S. 48–49, Nr. 413). Die Berner Entwürfe wie auch die vorliegende Zeichnung sind sicher Nachrisse eines ursprünglichen Originals, das im Umkreis Christoph Murers zu suchen ist. Neben den typisch murerischen Allegorien und Putten dürfte auch das Oberbild auf eine solche Vorlage weisen, findet man doch Vergleichbares auch auf Arbeiten der Murer-Werkstatt (Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 193, Nr. 580; Schneider 1971. Bd. II. Nr. 435). Eine 1608 datierte Scheibe, die der Freiherr von Spiez und Schultheiss von Burgdorf Franz Ludwig von Erlach in die Kirche von Kirchberg stiftete, zeigt mit Ausnahme des Oberbildes die gleiche Komposition (Meichtry 1994. S. 192–193; Hasler 1996/1997. Bd. II. Abb. 413.2; BE_2898).
Das Monogramm GM am Fuss des Blattes findet sich auf verschiedenen Scheibenrissen der Sammlung Wyss wieder, wo es zumeist als Besitzervermerk angebracht und mit einer Sammlungsnummer versehen wurde (Inv.-Nr. 20036.642. Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 58, Nr. 423). Es ist manchmal auch als CM lesbar. Die Risse selbst stammen aus unterschiedlichen Ateliers. Darunter finden sich Blätter eines Baslers und mehrerer Berner Glasmaler wie Thomas Vischer, Samson Stark (?) und Hans Ganting d. J. (Hasler 1996/1997. Bd. I. Nr. 142; Bd. II. Nr. 423–425 und Nr. 430). Der Numerierung ist zu entnehmen, dass der unbekannte Glasmaler 1628 schon 84 Scheibenrisse sein eigen nennen konnte und 1631 bereits 284 Zeichnungen besass. Die vorliegende Zeichnung besitzt keine Sammlungsnummer. Der Monogrammist GM/CM gilt auch als Zeichner eines Scheibenrisses für das Wappen Diesbach 1630–1635 in der Sammlung Wyss des Bernischen Historischen Museums (Hasler 1996/1997. Bd. II. Nr. 426, dort auch der Vergleich mit einem GM/CM monogrammierten Nachriss mit dem Wappen Hans Heinrich Lochmann im Schweizerischen Nationalmuseum Zürich LM 25649, Abb. 426.1; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 111.1). Stilistisch weicht dieser Riss für die Familie Diesbach zwar von der Freiburger Zeichnung ab, die sich durch die grossen Augen, die markante Oberlippe und übergrossen Arme und Hände der Engel auszeichnet, doch liessen sich diese Unterschiede durch den Charakter einer älteren Vorlage für den Berner Riss erklären.
Das Monogramm entzieht sich leider einer sicheren Identifizierung. Auffallend ist die Häufigkeit, mit der es auf Berner Scheibenrissen auftritt, auch auf solchen, die eine französischsprachige Inschrift tragen. Der Monogrammist war offenbar selbst Glasmaler, da er 1633 einen Scheibenriss (Samson Starks?) für Franz von Affry mit einer französischsprachigen Inschrift versah und nach diesem eine Scheibe ausführte (Bern, BHM Slg Wyss Inv.-Nr. 20036.442. Hasler 1996/1997. Bd. II. Nr. 425; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 111.2). Ein weiterer Scheibenriss für Anton von Erlach, der zunächst mit Maria Margaretha von Diesbach und später mit Elisabeth von Affry verheiratet war, gehörte wahrscheinlich zu einer gemeinsamen Scheibenstiftung (Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 68.1). Auch dieser Riss, der sich 1632 ebenfalls im Besitz des Monogrammisten GM befand, ist mit einer französischsprachigen Stifterinschrift versehen (Bern, BHM Slg Wyss Inv.-Nr. 20036.658. Hasler 1996/1997. Bd. II. Nr. 424).
Möglicherweise war der unbekannte Glasmaler GM/CM folglich ein Berner Glasmaler oder vielleicht gar ein Westschweizer Glasmaler, der viel für das bernische Waadtland tätig war. Es ist anzunehmen, dass der unbekannte Glasmaler in dem vorliegenden Fall nicht nur der Besitzer des Risses war, sondern auch der Hersteller und auch der ausführende Glasmaler der zugehörigen Scheibe. Denn das Allianzwappen dürfte sich auf das Ehepaar Philippe IV d’Estavayer (1621–1670) und Catherine Joffrey beziehen. Damit wird der Riss und die dazugehörige Scheibe wohl anlässlich ihrer früh geschlossenen Hochzeit im Jahr 1633 entstanden sein (Vevey 1935–1945, S. 279, 340–342). Catherine Joffrey entstammte einer Veveyser Familie, die ursprünglich wohl aus Tercier bei Bloney gebürtig war. Ihr Wappen war sechsmal gespalten von Rot, Gold und Blau (Ein Scheibenriss mit dem Allianzwappen von Erlach-Joffrey von Niklaus von Riedt 1614 befindet sich im Bernischen Historischen Museum, Slg. Wyss, Inv.-Nr. 20036.656. Galbreath 1934–1936. S. 352, Abb. 1106; Hasler 1996/1997. Bd. I. S. 262, Nr. 293). Der Ehe entsprangen drei Kinder: Ursula, André und Suzanne. Philippe IV, ein Sohn Pierre III d’Estavayers (* 1591) und Françoise Cerjats (1589–1655), heiratete nach dem Tod Catherine Joffreys im Jahr 1647 Jeanne Masset (Genealogie Montmollin und Société Genevoise de généalogie).
Datierung
1633
Eingangsdatum
Unbekannt
Ursprünglicher Standort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
Unbekannt. Alter Bestand.
Inventarnummer
MAHF 2010-1036