Forschung
Die Gehorsamsprobe des Landvogts Hermann Gessler gehört zur Eingangsszene der Eidgenössischen Befreiungsgeschichte. Gessler liess zu Altdorf eine Stange mit einem Hut aufrichten und forderte jeden Vorrübergehenden dazu auf, sich vor dem Hut zu verneigen, als sei der Kaiser selbst anwesend. Wilhelm Tell, der mit seinem Sohn Walter nach Altdorf kam, leistete dieser Aufforderung keine Folge, worauf ihn Gessler zwang, seinem Sohn einen Apfel vom Haupt zu schiessen, um der anstehenden Todesstrafe zu entgehen.
Die Scheibe hat einen um 1600 entstandenen Teilriss zur Vorlage, der für das Mittelbild einer Scheibe vorgesehen war. Er wird dem Zürcher Glasmaler und Zeichner Christoph Murer (1558–1614) zugeschrieben (Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 283.1) und gehört zu einem in mehreren Kopien überlieferten Zyklus mit Darstellungen aus der Schweizer Gründunggeschichte (Kunsthaus Zürich, Z. Inv. A.B. 1127). Die Zeichnungen dienten zahlreichen Glasmalern als Grundlage für die Gestaltung von Bildscheiben (vgl. FR_315) und wurden auch noch 1652–1657 von Michael IV. Müller in Zug für eine Scheibenserie verwendet, die er für eine Nidwaldner Kundschaft schuf (Bergmann 2004. S. 347–355). Die vorliegende Scheibe muss aus stilistischen Gründen dem Winterthurer Glasmaler Hans Jegli (1579–1643) zugeschrieben werden, der auch 1624 eine signierte, vergleichbare Reihe von Scheiben nach den Zeichnungen Murers mit der Befreiungslegende schuf. Die Serie befindet sich heute im Schlossmuseum Berchtesgaden; die zugehörige Scheibe mit der Gehorsamsprobe stiftete Jakob Wamly aus Kappel (Foto SLM 20572. Fischer 1912. S. 65, Nr. 74; Boesch 1955. S. 50; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 283.2). Eine andere Bildscheibe mit den drei Wappen befreundeter Schuhmacher und der gleichen Telldarstellung gelangte 1954 in der Galerie Jürg Stuker in Bern zur Auktion (Auktion Stuker 1954. S. 7, Nr. 15. Foto SLM Nachlass Boesch; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 283.3). Jegli besass für die Herstellung seiner eigenen Vorlagen mehrere Zeichnungen Christoph Murers, den er sicher persönlich kannte, wurde Murer doch 1611 zum Amtmann seiner Heimatstadt Winterthur gewählt (Vgl. Boesch 1955. S. 55; Hasler 1996/1997. Bd. II. S. 181–182, 203). Seine signierten Glasgemälde lehnen sich im Figurenstil und Schriftcharakter stark an die vorliegende Scheibe an. In Schaffhausen und Bern ausgebildet, arbeitete Jegli v. a. für die Zürcher Landschaft und das Toggenburg (Boesch 1955. S. 23–55).
Hans Kaspar Huber (1566–1629), Bürger der Stadt Zürich und Sohn des Ratsschreibers Vinzenz Huber, war Gerber. Er wurde 1594 Zwölfer, 1599 Landvogt zu Eglisau und 1614 erster Obervogt zu Pfin, nachdem er 1613 zum Zunftmeister ernannt worden war. Als solcher sass er 1613–1614 im Natalrat (Leu X, 1766. S. 332; HBLS IV, 1927. S. 304; DHBS IV, 1928. S. 176; Schnyder 1962. S. 375–376). Hans Jakob Keller wird 1600 als „Landschryber im nüwen Amt“ Schwamendingen-Dübendorf geführt (Sibler 1988. S. 171, 189). Seine genaue Identifikation ist aber ungewiss, da mehrere Männer dieses Namens zur gleichen Zeit lebten. Einer von ihnen war in Zürich seit 1604 Zwölfer der Zunft zum Kämbel, sass im Grossen Rat und amtete 1612–1618 als Vogt von Knonau. Er starb 1624 (Schneider 1971. Bd. II. S. 287–288, Nr. 501. In Schnyders Ratslisten 1962 unerwähnt).
Datierung
Um 1610/20
Zeitraum
1600 – 1630
Eingangsdatum
1958
StifterIn
Huber, Hans Kaspar (1566–1629) · Keller, Hans Jakob (?–1624?)
Schenker*in / Verkäufer*in
Gebrüder Walther und Henry Faucherre, Murten.
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
Leihgabe 1906 von Oskar Engelhard ans Museum. 1958 Schenkung durch die Enkel ans Museum.
Inventarnummer
H-IV-9