Forschung
Laut Siebmachers Wappenbuch (Teil 1, 44) gehören die Griesbeck (Griespeckn) mit dem hier dargestellten Wappen zu den Edelgeschlechtern Tirols. Von einer Anna Griesbeck ist im dortigen Umfeld jedoch bislang nichts Weiteres bekannt geworden. Ihre Stiftung bildete aber sicher das Gegenstück einer verlorenen Scheibe ihres unbekannten Ehemannes.
Eine Anna Griesbeck ist hingegen in Böhmen belegt. Die Tochter des böhmischen Adeligen und obrigkeitlichen Beamten Florian Griesbeck von Griesback (um 1590–nach 1642), war mit Adam Silber von Silberstein († 15.2.1597) verheiratet, der die Herrschaft Schurz (Žireč) in Böhmen besass, wo das Paar auch bestattet wurde. Im dortigen Schloss sollen sich – laut Beschreibung des 19. Jahrhunderts – auch zwei Fensterscheiben mit den Wappen Adam Silbers und seiner Frau befunden haben (Sommer 1836. Bd. 4. S. 87–88). Ob die vorliegende Scheibe der Anna Griesbeck mit diesem Ehepaar und den erwähnten Glasgemälden in Schurz in Verbindung steht, muss hypothetisch bleiben. Stilistische Vergleiche dürften jedoch darauf hinweisen (s. u.)
Das stark beschädigte Scheibchen wurde bereits anlässlich der Auktion im Jahr 1946 dem Schaffhauser Glasmaler Hans Martin Spleiss (1592–1671) zugeschrieben (zu Spleiss s. Hasler 2010. S. 137–138). Doch schon die Lebensdaten des Glasmalers stehen nicht im Einklang mit dem Entstehungsdatum des vorliegenden Stücks. Es unterscheidet sich auch aufgrund seiner technischen Eigenheiten wesentlich von der eidgenössischen Glasmalerei. Die Verwendung opaker, weisser, blauer, gelber und roter Emailfarbe verbindet es vielmehr mit gleichzeitigen Hohlgläsern, die in verschiedenen Hütten und Regionen mit eingebrannten Emailfarben dekoriert wurden. Den Anfang machte Venedig mit einem ersten Höhepunkt zwischen 1460 und 1530; in Deutschland begann man erst um 1550, Gläser zu emaillieren. Rundscheiben in dieser Technik haben sich beispielsweise in der Sammlung Tiedemann (Tiedemann 2006. S. 100), in der ehemaligen Sammlung Biemann (Klesse/von Saldern 1978. S. 316, Nr. 272 [Bildscheibe mit Taufe Christi 1595, Dm 14,20 cm]; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 313.1) oder in Breslau (Nach Klesse/von Saldern 1978. S. 316) erhalten. Sie gehören zu einer Gruppe von Scheiben mit Wappen und Bilddarstellungen christologischen Inhaltes, die offenbar in Böhmen oder Schlesien entstanden. Merkmal dieser Rundscheiben sind die dichten, glasigen und glänzenden, prinzipiell kräftigen Farben, die undurchsichtig sind und daher eher im Auflicht als im Durchlicht betrachtet werden sollten. Ihre Verwendung in Fenstern wurde daher auch schon bezweifelt (vgl. Tiedemann 2006. S. 100).
Die Emailmaler, die weiterverarbeitenden Glasveredler wie auch die Glasschleifer usw. arbeiteten – mit Ausnahme der venezianischen – in der Regel im Familienverband ausserhalb der Glashütten, welche die Gläser, Humpen, Teller und Schalen herstellten (Glas des 16. bis 19. Jahrhunderts 1992. S. 9, 13–14).
Auch im Tirol existierten im 16. Jahrhundert Glashütten, beispielsweise in Hall und Innsbruck, die für ihr Glasgeschirr “A la façon-de-Venise” bekannt und berühmt waren. Für die Dekoration benutzte man hier vorwiegend kalt aufgemalte Lackfarben und reiche Vergoldungen oder Diamantrissverzierungen (Egg 1962. S. 28, Abb. 5–7, S. 55–57, 79). Eine genauere Lokalisierung der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angefertigten Emailgläser mit süddeutschen und Tiroler Wappen ist in der Literatur stets diskutiert worden. Emailmalerei lässt sich vor 1562 im Spessart nachweisen, dann auch in Böhmen, das offenbar massenweise Glas nach Tirol importierte, so dass man 1573 in der Haller Hütte über den dadurch erlittenen grossen Schaden klagte (Rückert 1982. S. 79).
Sollte Anna Griesbeck – wie Siebmacher angibt – jedoch aus einem tirolischen Geschlecht stammen, bleibt theoretisch die Frage, ob dieses Scheibchen nicht in einer Tiroler Glashütte und Malerwerkstätte hätte entstehen können, zumal bereits 1558 in Hall, das für seine Fensterscheiben hochberühmt war (vgl. Bergmann 2014. Bd. 1. S. 182), “schön geschmelzt glesern trinkgeschirr” quellenmässig verbürgt ist (s. Rückert 1982. S. 79–80, der sich für die Entstehung einer Gruppe von emaillierten Wappenhumpen in Hall/Tirol ausspricht. Glas des 16. bis 19. Jahrhunderts 1992. S. 13; Theuerkauff-Liederwald 1994. S. 177–191, Kat.-Nr. 166–173 mit einer Reihe von Wappengläsern aus Hall [?]). Da über die Glashütten und Glasveredler im süddeutschen Raum allgemein sowie ihre Erzeugnisse noch zu wenig bekannt ist, muss die Frage nach dem Herstellungsort zunächst offen bleiben (Freundlicher Hinweis von Erwin Baumgartner, Basel).
Datierung
1588
Eingangsdatum
1996
StifterIn
Schenker*in / Verkäufer*in
Sibyll Kummer-Rothenhäusler, Zürich.
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
1946, 1951 und 1954 im Auktionhaus Fischer, Luzern. 1996 Schenkung Sibyll Kummer-Rothenhäusler, Zürich.
Inventarnummer
VMR 157