Bruno Müller (um 1569–1651) aus Warth wurde von seinen Eltern an sich unter dem Namen “Michael” getauft. Schon in der Jugend vertrauten ihn diese den Ittinger Mönchen zur Erziehung an. Am Brunotag, dem 6. Oktober 1588, legte der junge Bruder die Profess ab und nahm den Namen des Ordensgründers an. Zunächst als Prokurator in Ittingen (um 1606–1609) und Freiburg im Breisgau (1609–1613) tätig, wirkte er von 1614–1648 als Prior in Ittingen. Unter ihm erlebte das Kloster nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine ausserordentliche geistige Blüte. Zeugnis davon gibt beispielsweise der Verbrüderungsvertrag, den er und seine Konventualen 1628/29 mit den Kartausen von Buxheim und Freiburg im Breisgau abschlossen. Aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit trat er 1648 als Prior ab (Früh, 2006, S. 132f.).
Weil Bruno Müller dieses Amt 1614–1648 inne hatte, vermutet Margrit Früh wohl zu Recht, dass der auf der 1626 entstandenen Scheibe festgehaltene Stiftername “Hugo” auf einem Irrtum des Glasmalers beruht (das betreffende Glasstück ist original).
1623/24 gelangte in den Kreuzgang des Zisterzienserklosters Wettingen ein vom Zuger Glasmaler Christoph Brandenberg geschaffener, dem Marienleben gewidmeter Scheibenzyklus, zu dem auch eine die Himmelfahrt Mariens darstellende Stiftung des Ittinger Priors Bruno Müller gehört (Hoegger, 2002, S. 362f., Farbabb. S. 166).
Das Glasgemälde befand sich bis 1891 in der Sammlung Vincent in Konstanz, und zwar zusammen mit sechs weiteren Scheiben von 1626, die ähnlich wie Niklaus Bluntschlis berühmter und weit umfangreicherer Zyklus von 1558/59 für den Kreuzgang des Frauenklosters Tänikon eine Folge zum Leben Christi bildeten. Dazu zählten die Glasgemälde des in Tänikon als Beichtiger wirkenden Wettinger Konventualen Rudolf Guggenbühl (Marienkrönung), der Schwestern Margaretha und Maria Ursel von Bayern (Himmelfahrt Mariens) sowie diejenigen der Äbte Bernhard Müller von St. Gallen (Begrüssung Joachims und Annas), Ulrich V. Amstein von St. Urban (Anbetung der Könige), Jakob I. Denkinger von Kreuzlingen (Zacharias küsst den Christusknaben) und Placidus I. Brunschweiler von Fischingen (Auferstehung Christi). Zum Zyklus gehörte überdies die Scheibe des Tänikoner Beichtigers Laurenz Auricularius. Während die übrigen Scheiben ebenso wie diejenigen aus dem Kreuzgang 1832 nach Konstanz in die Sammlung Vincent gelangten, ist der Verbleib der Stiftung von Auricularius unbekannt (Kat. Vincent 1891, S. 37f.; Boesch 1943, S. 65f.; Bergmann 2004, S. 101).
Laut der Chronik des Klosters Tänikon verehrten Rudolf Guggenbühl, die Schwestern Ursel sowie Laurenz Auricularius ihre Scheiben 1626 in das dortige, damals unter der Äbtissin Magdalena Hoppler umgebaute Refektorium (Refenthal). Demnach muss die ganze Scheibenfolge für das Refektorium von Tänikon bestimmt gewesen sein. Die davon bildlich dokumentierten Werke, das heisst diejenigen Guggenbühls (Boesch, 1943, Abb. 14), Brunschweilers und Müllers, werden von der Forschung mit guten Gründen dem Zuger Glasmaler Paul Müller zugewiesen. Dies legt der Vergleich mit der stilistisch nahe stehenden Bildscheibe nahe, die Paul Müller zusammen mit dem Ulmer Maler Georg Rieder 1626 in den Kreuzgang des Klosters Wettingen verehrte und die zweifellos auch von ihm selbst geschaffen wurde (Hoegger, 2002, S. 304–306, Farbabb. S. 114).
Die Himmelfahrtsszene der vorliegenden Scheibe beruht auf der gleichen unbekannten Vorlage wie auf der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einer südniederländischen Werkstatt zur Ausführung gelangten Bildscheibe, die sich in den Kunstsammlungen des Bundes in Bern befindet (Inv. Lo 370, BE_8876).
Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1890, Nr. 294.
Heberle, 1891, Nr. 272.
Wyss, 1940a, S. 10 (Paul Müller).
Wyss, 1940b, S. 7 (Paul Müller).
Boesch, 1943, S. 66, Nr. 12.
Früh, 1983, S. 194.
Guhl, 1991, S. 22.
Früh, 1992, S. 92.
Zehnder, 1992, S. 121.
Bergmann, 2004, S. 101, Abb. 80.