Dargestellt ist eine Gerichtssitzung des Niedergerichts von Niederbussnang. Seit 1443 gehörte Bussnang zur Herrschaft Weinfelden im Niedergericht Bussnang-Rothenhausen (Salathé, 2005).
Als man die Scheibe 1891 aus der Sammlung Vincent ankaufte, war sie erheblich beschädigt (Rahn, 1890). Im Auftrag des thurgauischen historischen Vereins wurde sie deshalb damals zusammen mit anderen Stücken restauriert. Ernst Hafter (1944, S. 21, Anm. 27, Abb.) bemerkt dazu, dass die Scheibe zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig erhalten war. So war ihm zufolge in der linken Wappenreihe der zweite Wappenschild von unten zerbrochen und vom dazugehörigen Namen lediglich noch “Hans Ha...” vorhanden. Dieser wurde in der Folge falsch in “Hans Hafter” ergänzt. Stattdessen sollte hier wohl der Name von Hans Häberling stehen, der 1598 Besitzer des zwischen Bussnang und Amlikon gelegenen Wildenmannsgutes war (handschriftliche Notiz in Hafter 1944, Anm. 27). Ein Hans Hafter lebte zwar zu dieser Zeit in Weinfelden, als Richter in Bussnang ist er aber nirgends verzeichnet (vgl. dazu auch Lei, 1992).
Adam Albrecht, einer der genannten Gerichtsherren, stiftete 1591 eine heute in der Sammlung Rutishauser in Kreuzlingen vorhandene Willkommscheibe (TG_1936).
Eine weitere Wappenstiftung des Gerichts von Niederbussnang befindet sich im Puschkin-Museum (Inv. Nr. II-93, unpubliziert, Foto Vitrocentre Romont) zu Moskau. Sie wurde um 1600 geschaffen (die Ziffern der Jahreszahl sind mehrheitlich verwischt), und zwar in ganz ähnlicher Form wie die vorliegende. So enthält auch ihr Mittelbild die in einem Saal mit Butzenfenstern am Tisch versammelten Gerichtsherren und davor das stehende Paar in Begleitung des in Zürcher Farben auftretenden Weibels. Zudem wird im Moskauer Stück ebenfalls das zentrale Figurenbild unten von der von zwei Putten flankierten Schrifttafel und seitlich von den beschrifteten Wappenschilden der Scheibenstifter (je sieben an der Zahl) umfasst. Während sich der Wappenkranz bei der Gerichtsscheibe von 1591 in Frauenfeld über den oberen Rand fortzieht, sind dort bei derjenigen in Moskau allerdings die liegenden Tugendgestalten der Justitia und Prudentia zu sehen. Einige der auf dem Glasgemälde von 1591 vertretenen Gerichtsherren finden sich auf der um einige Jahre jüngeren in Moskau wieder, nämlich Jörg Pupikofer, Hans Weiner und Hans Sprenger.
Die vorliegende Gerichtscheibe wurde beim Rapperswiler Glasmaler Wolfgang Breny in Auftrag gegeben, der die Scheibe mit seinem Monogramm signierte. Ein Jahr später, 1592, entstand eine Gerichtsscheibe für Einsiedeln nach exakt derselben Vorlage für die Darstellung der Gerichtsstube. Die Scheibe ist fragmentarisch in der Kunstsammlung des Klosters Einsiedeln erhalten. Rolf Kälin wies sie Christoph Murer zu (Kälin, 2003, S. 5, Abb.), in Vergleich mit der vorliegenden Niederbussnanger Scheibe ist auch diese jedoch Wolfgang Breny zuzuweisen. Der Rapperswiler Glasmaler war häufig für das Einsiedler Kloster tätig.
Das Schweizerische Nationalmuseum in Zürich besitzt eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Johann Friedrich Majores angefertigte Kopie der vorliegenden Scheibe (Inv. LM 64217; Jahresbericht SLM, 1984, Abb. 86).
Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1890, Nr. 182.
Heberle, 1891, Nr. 167.
Rahn, 1892, S. 13.
Büchi, 1892, S. 7.
Stähelin, 1893, S. 16–19.
Bornhauser, 1920, S. 59, 61, Nrn. 2, 6, S. 64, Nr. 39, S. 65, Nrn. 46, 47, 55, S. 66, Nr. 68, S. 67, Nr. 71.
Rickenmann, 1932, S. 11, 13, 15f.
Rickenmann, 1935, S. 17f.
Isler, 1937, S. 40.
Rickenmann, 1940, Abb.
Hafter, 1944, Abb. S. 21, Anm. 27.
Wyss, 1946, S. 83, Anm. 13.
Boesch, 1949, S. 22.
Etter, 1982, S. 42.
Das Rathaus Frauenfeld, S. 39.
Lei, 1983, Taf.-Abb. nach S. 175.
Jahresbericht SLM, 1984, S. 76f.
Hafter, 1989, S. 9.
Lei, 1992, Abb. S. 37.
Volkart, 2015, S. 201, Abb. 122.