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TG_101: Wappenscheibe Matthias Stähelin, Abt Kloster Fischingen
(TG_Fischingen_Benediktinerstift_TG_101)

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Titel

Wappenscheibe Matthias Stähelin, Abt Kloster Fischingen

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Erhart, Tobias · signiert
Datierung
1605
Masse
31.3 x 20.4 cm im Licht

Ikonografie

Beschreibung

Im Zentrum steht vor farblosem Grund der gevierte Wappenschild des Fischinger Abtes Matthias Stähelin mit Inful und Pedum. Zu beiden Seiten davon befinden sich in doppelstöckigen Nischen je zwei Heiligenfiguren. Auf der linken Seite handelt es sich um die hl. Anna selbdritt (oben, Flickstück) und den Klosterpatron Johannes den Täufer (unten) sowie auf der rechten um den Pilgerheiligen Jakobus (oben, Flickstück) und die hl. Katharina mit Rad und Schwert (unten). Im Oberbild über dem roten Gebälk sind Szenen aus der Legende der hl. Idda festgehalten. Im Bilde links wird geschildert wie ein Jäger des Toggenburger Grafen den Ring von dessen Gemahlin Idda im Nest des Raben findet und die Gräfin aus dem Fenster gestürzt wird. Daneben ist deren Wiederentdeckung in der Rabensteinschlucht festgehalten, wo sie nach der Verstossung durch ihren Mann von der Welt abgeschieden ein gottseliges Leben in einer Höhle führte. Die Szene rechts zeigt die hl. Idda in Begleitung des Hirsches auf ihrem allmorgendlichen Gang zur Mette in der Klosterkirche zu Fischingen. Den Scheibenfuss füllt die von geflügelten Engelsköpfen flankierte Inschriftenkartusche.

Iconclass Code
11H(JOHN THE BAPTIST) · Johannes der Täufer; mögliche Attribute: Buch, Schilfkreuz, Taufgefäß, Honigwabe, Lamm, Stab
11HH(CATHERINE) · Katharina von Alexandrien, jungfräuliche Märtyrerin; mögliche Attribute: Buch, Krone, Kaiser Maxentius, Palmwedel, Ring, Schwert, Rad
11HH(IDDA) · weibliche Heilige (IDDA)
44A1(+6) · Wappen (als Staatssymbol etc.) (+ Kirche, Kloster; ekklesiastische Gemeinschaft)
46A122(STAEHELIN) · Wappenschild, heraldisches Symbol (STAEHELIN)
73A221 · Anna selbdritt: Anna, Maria und das Christuskind als Figurengruppe
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Stähelin, Matthias: Geviert, 1 und 4 in Blau zwei übereinander vorbeischwimmende silberne Fische (Kloster Fischingen), 2 und 3 in Rot gespannte, goldene Armbrust mit goldenem Pfeil, beseitet von zwei golden besamten, silbernen Rosen mit goldenen Kelchblättern (Stähelin); anstelle von Helm und Helmzier: goldene Mitra mit grünen Infuln, goldenem Pedum und silbernem Panisellus.

Inschrift

Mathÿas von Gott[es] gn[a] / den Abbte deβ würd[i]gen / Gotzhauβ Fisching[e]n / 16[0]5 (in eckigen Klammern die durch Sprungbleie verdeckten Buchstaben)

Signatur

TE

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Mehrere alte Flickstücke (Gläser mit Heiligen Anna selbdritt und Jakobus, Stück in der Rollwerkkartusche); einige Sprünge und zahlreiche Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Technik

Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit rückseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb, Eisenrot und blauer Schmelzfarbe.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Matthias Stähelin (†1636) war bis 1604 Prior und ab diesem Jahr bis zu seiner Resignation 1616 Abt des Benediktinerklosters Fischingen. Er setzte den Reformkurs seines Vorgängers Benedikt Rennhas fort, unterhielt eine Klosterschule, richtete eine Bibliothek im Kloster ein und schaffte eine grosse Orgel für die Kirche an. Sowohl Stähelin als auch der Konvent pflegten nach Ansicht der Visitatoren jedoch zu enge Beziehungen zur Umwelt, statt sich völlig dem inneren Leben des Klosters zu widmen. 1616 resignierte Stähelin deswegen, lebte aber noch zwanzig Jahre als Mönch im Kloster bis er 1636 verstarb (Meyer, 1976, S. 121f.; Meyer, 1986, S. 701).
Die vorliegende Stiftung machte er bald nach Amtsantritt, das heisst 1605 (die durch das Sprungblei verdeckte dritte Ziffer ist sicher eine “0” und bei der letzten Ziffer muss es sich um eine “5” handeln). In den damals errichteten Bibliotheksraum stiftete der Rheinauer Abt Gerold Zurlauben 1606 eine Scheibe (Knoepfli, 1955; S. 83). Man kann sich deshalb fragen, ob Stähelin eines seiner beiden heute im Kloster Fischingen befindlichen Glasgemälde (TG_101, TG_1681) damals gleichfalls für dort anfertigen liess. Ein zweiter möglicher Bestimmungsort ist der in jener Zeit erneuerte Kreuzgang des Zisterzienserinnenklosters von Magdenau (Kanton St. Gallen). 1607 stiftete der St. Galler Abt Bernhard Müller ein ebenfalls bei Tobias Erhart in Auftrag gegebenes Glasgemälde dorthin (Anderes, 1994, Nrn. 10, 11).
In der Kirche St. Catherine in Birtles (England) gibt es von Abt Matthias Stähelin eine ähnlich wie dessen Wappenstiftungen in Fischingen komponierte, jedoch unsignierte Scheibe von 1606 (Boesch, 1953). Verschollen ist die 1610 datierte, dem Wiler Glasmaler Hans Melchior Schmitter zugeschriebene Wappenscheibe Stähelins, die sich vormals im Kunsthandel befand (49 x 38.5 cm; Foto 22996 im Schweizerischen Nationalmuseum; Boesch, 1949, S. 28, Nr. 23).

Die Scheiben Stähelins zeigen jeweils vier Heiligenfiguren. Bei der vorliegenden, von Tobias Erhart signierten Scheibe sind nur die unteren, Johannes der Täufer und die hl. Katharina original. Auf der ebenfalls von Erhart signierten Scheibe Stähelins von 1606 (TG_1681) gehören nur die linken beiden Figuren, Johannes der Täufer und der Apostel Matthias, zum alten Bestand. Auf der Scheibe von 1610 sind wahrscheinlich alle Figuren original: oben links Johannes der Täufer, rechts Johannes der Evangelist, unten links der Apostel Matthias und rechts die hl. Katharina. Demnach waren ursprünglich auf vorliegender Scheibe neben den original erhaltenen Figuren ebenfalls Johannes der Evangelist und der Apostel Matthias dargestellt. Während zur Gründungszeit Maria die Patronin des Klosters Fischingen war, wurde später (ab 12. Jh.?) Johannes der Täufer Mitpatron. Zu Beginn des 17. Jh. wurden dann Johannes der Täufer und Johannes Evangelist als Patrone des Klosters Fischingen genannt. Die hl. Katharina erhielt 1637 unter Abt Placidus Brunschwiler eine Kapelle in Fischingen (Knoepfli, 1955, S. 83) und kam auf dessen Wappenscheiben wiederholt zur Darstellung. Offenbar war die Heilige bereits davor, unter Abt Matthias Stähelin, für Fischingen bedeutsam.
Die im Oberbild dargestellte hl. Idda von Toggenburg trat seit der Gründung der Idda-Bruderschaft 1580 immer stärker in den Vordergrund. Ende des 17. Jh. wird sie dann neben Maria zur eigentlichen Klosterpatronin (Meyer, 1976, S. 135f.). Der Legende nach war Idda die Tochter eines Grafen von Kirchberg bei Ulm und mit einem Grafen von Toggenburg (nach 1562 trägt er den Namen Heinrich) verheiratet. Einst stahl ein Rabe Iddas Ehering und wird von einem Jäger in dessen Nest gefunden. Als Iddas Ehemann den Ring an der Hand des Jägers bemerkt, bezichtigt er Idda der Untreue, lässt den Jäger töten und stürzt Idda im Jähzorn aus dem Fenster seiner Burg. Während dem Sturz fleht sie zu Gott und wird auf wundersame Weise gerettet. In einer Höhle später aufgespürt, klärt sich der Irrtum auf, aber Idda will weiterhin als Einsiedlerin ihr Leben Gott widmen. Ihr reuiger Mann lässt ihr später in der Au beim Kloster Fischingen eine Klause errichten, wo sie im Ruf der Heiligkeit stirbt. Sie wird oft mit einem Hirsch mit leuchtendem Geweih, der sie von ihrer Klause zur Klosterkirche begleitet haben soll, dargestellt.

Nach demselben Schema mit den vier Heiligenfiguren ist auch die Scheibe des Fischinger Abtes Benedikt Rennhas von 1602 (TG_1680) aufgebaut. Als Heilige erscheinen die beiden Johannes, der hl. Benedikt und die hl. Anna. Das Oberbild mit der mit der hl. Idda ist identisch gestaltet, sowie dies bereits auf der 1595 entstandenen Scheibe des Abtes Jakob Walkmeister (TG_217) vorgebildet war. Rennhas' Scheibe ist ebenfalls Tobias Erhart zuzuweisen.

Die Scheibe wird genannt in:
Ackermann, 1932, S. 14, 99.
Henggeler, 1938, S. 31.
Knoepfli, 1955, S. 215f.
Schildknecht, 1993, S. 54f.

Datierung
1605
Herstellungsort
Eigentümer*in

Verein Kloster Fischingen

Bibliografie und Quellen

Literatur

Ackermann, A. (1932). Das Benediktiner-Kloster Fischingen einst und jetzt. Fischingen, Verlag der Waisen- und Erziehungsanstalt St. Iddazell.

Anderes, B. (1994). Stifterscheiben in und aus Magdenau, Festschrift Kloster Magdenau 1244–1994. Festschrift. Wolfertswil: Zisterzienserinnenkloster Magdenau, S. 199, Nr. 11 (Abb.).

Boesch, P. (1949). Die Wiler Glasmaler und ihr Werk. 89. Neujahrsblatt Historischer Verein des Kantons St. Gallen.

Boesch, P. (1953). Schweizerische Glasgemälde im Ausland. Sammlungen in England. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 14, Heft 2, S. 98f.

Henggeler, R. (1938). Zur Ikonographie der hl. Idda von Toggenburg. Anzeiger für Schweizerischen Altertumskunde, Bd. XXXX, Heft 1.

Knoepfli, A. (1955). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Bd. II: Der Bezirk Münchwilen. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Birkhäuser Verlag.

Meyer, B. (1976). Die Äbte des Klosters Fischingen. Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 113, S. 95–136.

Meyer, B. (1986). Fischingen, Benediktiner. In E. Gilomen-Schenkel (Red.). Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz. Helvetia Sacra (HS), Abteilung III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 1 (S. 672–710). Bern: Francke Verlag.

Schildknecht, B. (1993). Kloster Fischingen. Kirche, Idda-Kapelle und Konventbauten. Fischingen: Benediktinergemeinschaft.

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Fischingen_Benediktinerstift_TG_101
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2018
Copyright
© Benediktergemeinschaft Kloster Fischingen
Eigentümer*in

Verein Kloster Fischingen

Inventar

Referenznummer
TG_101
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2020; Sarah Keller 2020

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Schema