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TG_106: Runde Bildscheibe Franz Karl Büeler mit Noahs Arche und Dankopfer, der Verheissung des Bundes, dem Turm zu Babel und dem Heiligen Messopfer
(TG_Bischofszell_Ortsmuseum_TG_106)

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Titel

Runde Bildscheibe Franz Karl Büeler mit Noahs Arche und Dankopfer, der Verheissung des Bundes, dem Turm zu Babel und dem Heiligen Messopfer

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Probstatt, Hans Heinrich · signiert (eine der 6 Scheiben)
Datierung
1660
Masse
22,5 cm im Licht

Ikonografie

Beschreibung

Das durch einen gegliederten Stab unterteilte Hauptbild zeigt in der linken Hälfte das Ende der Sintflut, die Tiere beim Verlassen der Arche Noahs, dessen Dankopfer, die Verheissung des Bundes im Zeichen des Bogens und den Turm zu Babel (Gn 8, 9) sowie in der rechten den Vollzug des Heiligen Messopfers unter dem Spruch “empor die Herzen!”. Die Darstellung umfasst ein grüner Lorbeerkranz, der oben von einer Schriftrolle mit der Bildlegende unterbrochen ist. Das untere Scheibendrittel füllt die Stifterinschrift mit dem zentral aufgesetzten Vollwappen Franz Karl Büelers.

Iconclass Code
11Q7311 · Heilige Messe (Gottesdienst, insbesondere der römisch-katholischen Kirche)
46A122(BÜELER) · Wappenschild, heraldisches Symbol (BÜELER)
71B342 · Noah, seine Familie und die Tiere verlassen die Arche (manchmal mit dem Regenbogen von Noahs Bund kombiniert)
71B343 · Noahs Opfer; verschiedene Tiere werden geopfert; möglich sind ein Lamm, eine Taube und ein Widder (manchmal mit dem Regenbogen von Noahs Bund kombiniert)
71B42 · der Turm von Babel
73D231 · Christus wäscht die Füße des Petrus
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Büeler, Franz Karl: geviert, 1 in Rot auf grünem Dreiberg ein silbernes Haspelkreuz; 2 in Rot ein silbernes T (Tau); 3 im Wolkenschnitt geteilt von Schwarz und Gold, belegt mit drei Kugeln (2, 1) in gewechselten Farben; 4 in Silber ein roter Hauptpfahl, belegt mit drei silbernen, pfahlweise gestellten Rosen; zentraler Helm: blau mit goldenen Spangen: Helmdecke: rot und silbern; Helmzier: in goldener Krone ein mit sechs Straussenfedern besteckter und mit silbernem Haspelkreuz belegter halber roter Flug auf grünem Dreiberg; Helm rechts: blau mit goldenen Spangen; Helmdecke: silbern und rot; Helmzier: ein silberner Jünglingsrumpf, belegt mit dem Hauptpfahl von 4; Helm links: blau mit goldenen Spangen; Helmdecke: golden und schwarz; Helmzier: ein wachsender schwarzer Bär.

Inschrift

AD: RE: DO: FRANCISCVS / CAROLVS BVEL LER DE TAV. ET / BOLLENSTEI COLLEGIATAE / ECCLESIAE S: PELAGY / EPISCOPICE CANO: ET / FABRICAE PROCVRAT / 16 60.
GENESIS. 8. ET 9 // SVRSVM CORDA (Ruf zu Beginn der Präfation in der lateinischen Messe)

Signatur

keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Zwei Sprünge; die Verbleiung erneuert.

Technik

Farbloses Glas; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb und Eisenrot sowie blauer und violetter Schmelzfarbe.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Franz Karl Büeler (†1697) von Schwyz war der Sohn Hans (Johann) Kaspars (†1664), des Obervogts zu Bischofszell, und der Thabita Tanner von Tann und Ballenstein. Am 27. Mai 1645 erhielt er im Stift St. Pelagius die erste und am 4. Februar 1653 die zweite Possession. Danach durchlief er dort die üblichen Ehrenämter, versah etliche Deputationen und wurde 1689 schliesslich zum Kustos erhoben. Er resignierte am 25. Juni 1697 (Boesch, 1947).
Von ihm gibt es in Privatbesitz ein weiteres, nur fragmentarisch erhaltenes Glasgemälde. Dieses stiftete er 1683 in die damals von seinem Bruder Johann Kaspar dem Jüngeren erbaute Kapelle der Schmerzhaften Muttergottes in Schwyz. Es besitzt folgende Inschrift: “Hr. Franz Carl Büeller von Schweitz Chorherr der Hoch vnd Wohl Ehrwürdigen Collegiat Stifft San Pelagy zuo Bischoffzell 1683”. Zwei Jahre später liess Franz Karl Büeler zudem den Barockaltar für die betreffende Kapelle ausführen (Meyer, 1978, S. 218). Der gevierte Schild auf seiner Scheibe von 1660 vereint die Wappen der Büeler (Feld 1) und der Tanner von Tann und Ballenstein (Feld 2, 3, 4), der Familie von seiner Mutter (vgl. Styger, 1936, S. 153–155 (Nr. 12), 224.)
Seine vorliegende Rundscheibe gehört zu einem Zyklus von mindestens sechs Scheiben der Chorherren des St. Pelagistifts und der Stadt Bischofszell aus dem Jahr 1660. Auf die Stiftung der Stadt bezieht sich der Eintrag in den städtischen Altratsrechnungen vom 21. April 1660: “Herrn Hans Kaspar Büeler von Schwyz umb ein Fenster undt schilt ihn seinen Neuwen Bauw vorrhat undt zallt fl. 8.-.” (Bürgerarchiv Bischofszell, Boesch, 1947). Neben den fünf Scheibenstiftern Tschudi, Büeler, Pfyffer, Wech und Reiffel gehörten 1660 drei weitere Personen, nämlich Franziskus Brandenberg, Hans Peter zum Brunnen und Kaspar Gallati, zum Chorherrenstift (Boesch, 1947, Anm. 2). Dass der Zyklus einstmals ebenfalls Glasgemälde von ihnen enthielt, ist mehr als wahrscheinlich. Mit Franz Karl Büeler zählte zu den genannten Chorherren auch der Sohn des aus Schwyz gebürtigen, in der Quelle genannten Hans Kaspar Büeler, der mit Thabita Tanner von Tau und Bollenstein verheiratet war und 1660 als konstanzisch-bischöflicher Obervogt in Bischofszell amtete. In seinen Artikeln von 1947 und 1951a ging Boesch davon aus, dass der Zyklus für ein von Büeler damals in Schwyz neu errichtetes Wohnhaus bestimmt war. Weil Büeler bis zu seinem Tod im Jahr 1664 in Bischofszell lebte, ist Albert Knoepfli (1962, S. 326–328) aber beizupflichten, dass dieser den in der Rechnung genannten “neuen Bau” um 1660 in Bischofszell erstellte. Laut Knoepfli dürfte es sich dabei um das ehemalige Ottsche Fideikommiss am Hofplatz Nr. 26 handeln. Dieses Gebäude gelangte 1662 durch Kauf an den oben erwähnten Sohn des bischöflichen Obervogtes. Da aber die Scheiben von 1660 und nicht 1662 datieren, ist ein anderes Gebäude als ursprünglicher Bestimmungsort wahrscheinlicher. 1660 konnte die unter dem Einfluss der Chorherren des St. Pelagistifts stehende katholische Stadtschule eingerichtet werden. Sie zog damals in das 1636 vom Stift erworbene Haus an der Schattengasse 41 in Bischofszell ein (Knoepfli, 1962, S. 132). Da Hans Kaspar Büeler als konstanzisch-bischöflicher Obervogt in Bischofszell wohl als Bauherr der Schule fungierte, könnte diese sehr wohl als “seinen Neuwen Bauw” bezeichnet worden sein. Eine Schule als Bestimmungsort liefert auch eine Erklärung für das ungewöhnliche, theologisch komplexe Bildprogramm der sechs Scheiben (siehe unten).

Die sechs stilistisch einheitlichen Scheiben können aufgrund der auf der Stiftung von Franz Heinrich Ludwig Pfyffer vorhandenen Meistersignatur HHP dem Luzerner Glasmaler Hans Heinrich Probstatt zugewiesen werden. Der Besteller dieser Scheibe, Chorherr Pfyffer aus Luzern, war es wohl auch, der Probstatt in seiner Heimatstadt den entsprechenden Auftrag zuhielt. Dieser komponierte alle sechs Werke in analoger Weise, indem er im unteren Drittel jeweils das Wappen mit der Stifterinschrift und darüber die von einem Lorbeerkranz und einer Schriftrolle mit der Bildlegende umrahmte biblische Darstellung festhielt. Diese biblischen Darstellungen beruhen auf den zehn Kupferstichen, die Léonard Gaultier (1561–1641) für Guillaume de Requieus “Conférence des figures mystiques” [1602] schuf. Die Stiche zeigen Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament, die einander gegenüber gestellt werden. De Requieus theologisches, antiprotestantisches Traktat diskutiert die aus der Gegenüberstellung entstehenden Bezüge (vgl. Engert, 2018, S. 157). Tamara Engert untersuchte jüngst die nach denselben Vorlagen zwischen 1612 und 1622 geschaffenen monumentalen Glasmalereien in der Kirche Saint-Etienne-du-Mont in Paris. Die Darstellung auf der vorliegenden Rundscheibe entspricht bis ins Detail dem “tableau IV” aus der “Conférence”, nur wurde die Komposition von einem Hochformat in ein Querformat übertragen und der zentrale Stab als Gliederungselement eingefügt. Die andächtige Haltung der Gläubigen bei der Eucharistie drückt wie das Opfer Noahs Dankbarkeit und Demut gegenüber Gott aus (vgl. Engert, 2018, Abb. 198, S. 214).
Diese Vorlage dürfte dem Glasmaler Probstatt durch einen Angehörigen des Bischofszeller Chorherrenstiftes St. Pelagius, der de Requieus “Conférence” kannte, vermittelt worden sein.

Die betreffenden sechs Glasgemälde finden sich in zwei im Bernischen Historischen Museum erhaltenen alten Verzeichnissen erwähnt, die ihrem Schriftcharakter zufolge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (sicher nach 1803) von unbekannter Hand erstellt und von Paul Boesch 1951 publiziert wurden (Boesch, 1951a).

Die Scheibe wird genannt in:
Boesch, 1947, S. 50–59, Abb. 3.
Boesch, 1951, S. 53.
Boesch, 1951a, S. 236–238.
Knoepfli, 1962, S. 326–328.
Ortsmuseum Bischofszell, 1971, S. 38 (ausgestellt im Raum XIII).
Knoepfli, 1975, S. 31.
Reinhart, 1999, S. 45.

Datierung
1660
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Historisches Museum Bischofszell

Vorbesitzer*in

Bis 1944 Antiquitätenhändler M.W. Jacobson, Paris · Nach 1944 Sammlung G. Wüthrich, London · 1948 Rückführung in die Schweiz (Ortsmuseum Bischofszell)

Inventarnummer
14110.3

Bibliografie und Quellen

Literatur

Boesch, P. (1947). Sechs Rundscheiben von Bischofszell von 1660. Thurgauische Beiträge zur Vaterländischen Geschichte, Bd. 83.

Boesch, P. (1951). Schweizerische Glasgemälde im Ausland. Privatsammlung von G. Wüthrich, London, II. Teil. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 12.

Boesch, P. (1951a). Quellen zur Kultur- und Kunstgeschichte. Ein altes Verzeichnis von Glasgemälden. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 12.

Engert, T. (2018). Eucharistieverehrung, Konfessionalisierung, Katechese. Ikonographische, funktions- und medientheoretische Überlegungen am Beispiel der Charnier-Fenster von Saint-Etienne-du-Mont in Paris. Regensburg: Schnell und Steiner.

Knoepfli, A. (1962). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Bd. III: Der Bezirk Bischofszell. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Verlag Birkhäuser.

Knoepfli, A. (1975). Bischofszell. Schweizerische Kunstführer. Basel: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte.

Meyer, A. (1978). Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz. Neue Ausgabe Bd. I: Der Bezirk Schwyz. I. Der Flecken Schwyz und das übrige Gemeindegebiet. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Birkhäuser Verlag.

Das Ortsmuseum Bischofszell (1971). Wegleitung, verfasst vom Amt für thurgauische Kunstdenkmäler-Inventarisation und Denkmalpflege.

Reinhart, H. (Red.) (1999). Die Erweiterung des Museums Bischofszell. Mitteilungen aus dem Thurgauischen Museum, Heft 32.

Styger, M. (1936). Wappenbuch des Kantons Schwyz. Opus posthumum. Genf: Roto-Sadag AG.

Weiteres Bildmaterial

Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Foto 42509

Vorlage

Guillaume de Requieu, “Conférence des figures mystiques”, Paris [1602], Kupferstiche von Léonard Gaultier (1561–1641)

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Bischofszell_Ortsmuseum_TG_106
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2018
Copyright
© Historisches Museum Bischofszell
Eigentümer*in

Historisches Museum Bischofszell

Inventar

Referenznummer
TG_106
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2020; Sarah Keller 2020