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TG_109: Runde Bildscheibe Johann Georg Reiffel mit dem Sündenfall, dem Opfer Abels und Kains Brudermord sowie dem Taufakt angesichts des gekreuzigten, sein Blut dem Brunnen spendenden Christus
(TG_Bischofszell_Ortsmuseum_TG_109)

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Titel

Runde Bildscheibe Johann Georg Reiffel mit dem Sündenfall, dem Opfer Abels und Kains Brudermord sowie dem Taufakt angesichts des gekreuzigten, sein Blut dem Brunnen spendenden Christus

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Probstatt, Hans Heinrich · signiert (eine der 6 Scheiben)
Datierung
1660
Masse
22.5 cm im Licht

Ikonografie

Beschreibung

Das durch einen gegliederten Stab unterteilte Hauptbild zeigt in der linken Hälfte den Sündenfall, Abels Erstlingsopfer und Kains Brudermord (Gn 3 und 4) sowie in der rechten die heilige Taufe, eine Monstranz mit Hostie auf einem Altar und Christus am Kreuz mit seinem aus den Wundmalen in eine Brunnenschale fliessenden Blut unter dem sinngemässen Evangelientext “Wenn einer nicht aus Wasser und heiligem Geist wiedergeboren wird, kann er nicht eingehen in das Reich Gottes” (Jo 3,5). Die Darstellung umfasst ein grüner Lorbeerkranz, der oben von einer Schriftrolle mit der Bildlegende unterbrochen ist. Das untere Scheibendrittel füllt die Stifterinschrift mit dem zentral aufgesetzten Vollwappen Johann Georg Reiffels.

Iconclass Code
11D3262 · Christus am Kreuz (in einer Quelle) vergießt sein Blut
11Q73211 · feierliche Taufe (durch einen Bischof oder Priester)
11Q73214 · Taufbecken
11Q73241 · Kelch mit Hostie(n)
46A122(REIFFEL) · Wappenschild, heraldisches Symbol (REIFFEL)
71A422 · Eva bietet die Frucht Adam an
71A812 · der Rauch von Abels Opfer steigt zum Himmel empor, während der Rauch von Kains Opfer nicht aufsteigt
71A82 · die Ermordung Abels: Kain erschlägt ihn mit einem Stein, einem Knüppel oder einem Eselskinnbacken, manchmal auch mit einem Spaten oder einer anderen Waffe
73D231 · Christus wäscht die Füße des Petrus
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Reiffel, Johann Georg: In Schwarz auf blauem Dreiberg zwei goldene, steigende zugewendete Greife, mit den Vorderpranken eine aus dem Dreiberg wachsende, blaue Tulpe an grünem Blätterstiel haltend; Helm: blau mit goldenen Spangen; Helmdecke: schwarz und golden; Helmzier: zwei goldene und zwei schwarze Straussenfedern wechselweise aus goldener Krone wachsend.

Inschrift

ADM: RDVS: DNV[S] I[OA] NES GEORGIVS REIFFEL / SS T[HEO]LOGIAE BACCA LAVREVS FORMATVS / COLLEGIATAE EC / CLESIAE SANCTI / PELAGY EPISCO PICELLAE CANO= / NICVS ET PAROCHVS. / ANNO DOMINI / 1.6. 6.0
GENESIS III. ET IIII // NISI QVIS RENAT9 · FVERIT / EX AQVA ET SPIRITV SAN / CTO, NON POTEST INTR / ...IRE IN REGNVM DEI.

Signatur

keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Einige Sprünge und Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Technik

Farbloses und farbiges Glas; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb und Eisenrot sowie blauer Schmelzfarbe; rückseitig die eingeritzte Brandmarke "2".

Entstehungsgeschichte

Forschung

Johann Georg Reiffel († 1683) aus Konstanz bewarb sich am 13. August als Pfarrer in Bischofszell und wurde bald danach als solcher gewählt (Boesch, 1947). Seine vorliegende Rundscheibe gehört zu einem Zyklus von mindestens sechs Scheiben der Chorherren des St. Pelagistifts und der Stadt Bischofszell aus dem Jahr 1660. Auf die Stiftung der Stadt bezieht sich der Eintrag in den städtischen Altratsrechnungen vom 21. April 1660: “Herrn Hans Kaspar Büeler von Schwyz umb ein Fenster undt schilt ihn seinen Neuwen Bauw vorrhat undt zallt fl. 8.-.” (Bürgerarchiv Bischofszell, Boesch, 1947). Neben den fünf Scheibenstiftern Tschudi, Büeler, Pfyffer, Wech und Reiffel gehörten 1660 drei weitere Personen, nämlich Franziskus Brandenberg, Hans Peter zum Brunnen und Kaspar Gallati, zum Chorherrenstift (Boesch, 1947, Anm. 2). Dass der Zyklus einstmals ebenfalls Glasgemälde von ihnen enthielt, ist mehr als wahrscheinlich. Mit Franz Karl Büeler zählte zu den genannten Chorherren auch der Sohn des aus Schwyz gebürtigen, in der Quelle genannten Hans Kaspar Büeler, der mit Thabita Tanner von Tau und Bollenstein verheiratet war und 1660 als konstanzisch-bischöflicher Obervogt in Bischofszell amtete. In seinen Artikeln von 1947 und 1951a ging Boesch davon aus, dass der Zyklus für ein von Büeler damals in Schwyz neu errichtetes Wohnhaus bestimmt war. Weil Büeler bis zu seinem Tod im Jahr 1664 in Bischofszell lebte, ist Albert Knoepfli (1962, S. 326–328) aber beizupflichten, dass dieser den in der Rechnung genannten “neuen Bau” um 1660 in Bischofszell erstellte. Laut Knoepfli dürfte es sich dabei um das ehemalige Ottsche Fideikommiss am Hofplatz Nr. 26 handeln. Dieses Gebäude gelangte 1662 durch Kauf an den oben erwähnten Sohn des bischöflichen Obervogtes. Da aber die Scheiben von 1660 und nicht 1662 datieren, ist ein anderes Gebäude als ursprünglicher Bestimmungsort wahrscheinlicher. 1660 konnte die unter dem Einfluss der Chorherren des St. Pelagistifts stehende katholische Stadtschule eingerichtet werden. Sie zog damals in das 1636 vom Stift erworbene Haus an der Schattengasse 41 in Bischofszell ein (Knoepfli, 1962, S. 132). Da Hans Kaspar Büeler als konstanzisch-bischöflicher Obervogt in Bischofszell wohl als Bauherr der Schule fungierte, könnte diese sehr wohl als “seinen Neuwen Bauw” bezeichnet worden sein. Eine Schule als Bestimmungsort liefert auch eine Erklärung für das ungewöhnliche, theologisch komplexe Bildprogramm der sechs Scheiben (siehe unten).

Die sechs stilistisch einheitlichen Scheiben können aufgrund der auf der Stiftung von Franz Heinrich Ludwig Pfyffer vorhandenen Meistersignatur HHP dem Luzerner Glasmaler Hans Heinrich Probstatt zugewiesen werden. Der Besteller dieser Scheibe, Chorherr Pfyffer aus Luzern, war es wohl auch, der Probstatt in seiner Heimatstadt den entsprechenden Auftrag zuhielt. Dieser komponierte alle sechs Werke in analoger Weise, indem er im unteren Drittel jeweils das Wappen mit der Stifterinschrift und darüber die von einem Lorbeerkranz und einer Schriftrolle mit der Bildlegende umrahmte biblische Darstellung festhielt. Diese biblischen Darstellungen beruhen auf den zehn Kupferstichen, die Léonard Gaultier (1561–1641) für Guillaume de Requieus “Conférence des figures mystiques” [1602] schuf. Die Stiche zeigen Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament, die einander gegenüber gestellt werden. De Requieus theologisches, antiprotestantisches Traktat diskutiert die aus der Gegenüberstellung entstehenden Bezüge (vgl. Engert, 2018, S. 157). Tamara Engert untersuchte jüngst die nach denselben Vorlagen zwischen 1612 und 1622 geschaffenen monumentalen Glasmalereien in der Kirche Saint-Etienne-du-Mont in Paris. Die Darstellung auf der vorliegenden Rundscheibe entspricht bis ins Detail dem “tableau II” aus der “Conférence”, nur wurde die Komposition von einem Hochformat in ein Querformat übertragen und der zentrale Stab als Gliederungselement eingefügt. Der Sündenfall wird typologisch dem erlösenden Kreuzestod Christi und der Taufe gegenübergestellt (vgl. Engert, 2018, Abb. 182, S. 176).
Diese Vorlage dürfte dem Glasmaler Probstatt durch einen Angehörigen des Bischofszeller Chorherrenstiftes St. Pelagius, der de Requieus “Conférence” kannte, vermittelt worden sein.

Die betreffenden sechs Glasgemälde finden sich in zwei im Bernischen Historischen Museum erhaltenen alten Verzeichnissen erwähnt, die ihrem Schriftcharakter zufolge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (sicher nach 1803) von unbekannter Hand erstellt und von Paul Boesch 1951 publiziert wurden (Boesch, 1951a).

Die Scheibe wird genannt in:
Boesch, 1947, S. 50–59, Abb. 6.
Boesch, 1951, S. 53.
Boesch, 1951a, S. 236–238.
Knoepfli, 1962, S. 326–328, Abb. 281.
Ortsmuseum Bischofszell, 1971, S. 38 (ausgestellt im Raum XIII).
Knoepfli, 1975, S. 31.
Reinhart, 1999, S. 45.

Datierung
1660
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Historisches Museum Bischofszell

Vorbesitzer*in

Bis 1944 Antiquitätenhändler M.W. Jacobson, Paris · Nach 1944 Sammlung G. Wüthrich, London · 1948 Rückführung in die Schweiz (Ortsmuseum Bischofszell)

Inventarnummer
14110.1

Bibliografie und Quellen

Literatur

Boesch, P. (1947). Sechs Rundscheiben von Bischofszell von 1660. Thurgauische Beiträge zur Vaterländischen Geschichte, Bd. 83.

Boesch, P. (1951). Schweizerische Glasgemälde im Ausland. Privatsammlung von G. Wüthrich, London, II. Teil. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 12.

Boesch, P. (1951a). Quellen zur Kultur- und Kunstgeschichte. Ein altes Verzeichnis von Glasgemälden. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 12.

Engert, T. (2018). Eucharistieverehrung, Konfessionalisierung, Katechese. Ikonographische, funktions- und medientheoretische Überlegungen am Beispiel der Charnier-Fenster von Saint-Etienne-du-Mont in Paris. Regensburg: Schnell und Steiner.

Knoepfli, A. (1962). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Bd. III: Der Bezirk Bischofszell. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Verlag Birkhäuser.

Knoepfli, A. (1975). Bischofszell. Schweizerische Kunstführer. Basel: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte.

Das Ortsmuseum Bischofszell (1971). Wegleitung, verfasst vom Amt für thurgauische Kunstdenkmäler-Inventarisation und Denkmalpflege.

Reinhart, H. (Red.) (1999). Die Erweiterung des Museums Bischofszell. Mitteilungen aus dem Thurgauischen Museum, Heft 32.

Weiteres Bildmaterial

Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Foto 42411

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Bischofszell_Ortsmuseum_TG_109
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2018
Copyright
© Historisches Museum Bischofszell
Eigentümer*in

Historisches Museum Bischofszell

Inventar

Referenznummer
TG_109
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2020; Sarah Keller 2020