Martin von Weissenburg (um 1470–1508) war Magister, Konventherr und von 1491–1508 Fürstabt des Benediktinerklosters Reichenau. Er stammte aus dem Geschlecht der Freiherren von Krenkingen, die sich später von Weissenburg nannten. In seinem Auftrag verfasste der Kaplan Gallus Oehem die Chronik von Reichenau (Begrich, 1986, S. 1089–90). Zwei Stiftungen des Abtes aus dem Jahr 1504 haben sich in der Sammlung auf Burg Kreuzenstein in Österreich sowie im Schweizerischen Nationalmuseum erhalten (Buchinger/Oberaidacher-Herzig/Wais-Wolf, 2017, S. 145, Abb. 314, 315; Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 72).
Der Reichenauer Abt Martin von Weissenburg machte vorliegende Stiftung im Jahr 1495 in Funktion als Kollator der Kirche Gachnang anlässlich ihrer zwischen 1493 und 1495 erfolgten Erneuerung (Neubau von Chor und Turm). Seine Scheibe befindet sich im Chormittelfenster, einem zweilanzettigen Masswerkfenster mit Rautenverglasung, zur rechten Seite, neben einer Figurenscheibe (TG_116). Dort waren die beiden Scheiben nach einer Skizze des Einsiedler Benediktinermönch R. P. Lukas von der Weid bereits im Jahr 1774 (Stiftsarchiv Einsiedeln, E A I; vgl. auch Brun, 1888, S. 62). Johann Rudolf Rahn sah die Scheibe 1899 noch ohne ihr unteres, die Schriftrolle enthaltendes Glasfeld. Dieses wurde demnach nicht von Karl Wehrli 1888, sondern erst später eingefügt (vgl. Hermann 1991a, S. 22).
Weitere fünf Glasgemälde aus der Erbauungszeit des Chores sind durch eine Beschreibung und die genannten Wappenskizzen des Einsiedler Benediktinermönch R. P. Lukas von der Weid von 1774 belegt. In der ersten Reihe beginnt von der Weid mit der Allianz von Schienen-von Hohenrechberg und der Jahreszahl 1493. Die Allianz bezieht sich auf Hugo von Schienen, Herr zu Gachnang bis 1505, und Agnes von Rechberg (Hofmann-Hess, 1945, S. 63). Als zweite Wappenskizze folgen die heute noch vorhandenen Scheiben mit den Heiligen Mauritius und Augustinus (auch von von der Weid so bezeichnet und als Wappen behandelt) und des Martin von Weissenburg (als Bischof von Konstanz bezeichnet). Anschliessend folgt die Allianz Ludwig Ryff genannt Welter zu Blidegg und Amalia von Weiler, zusammen mit der Jahreszahl 1495. Ludwig Ryff war bis 1529 Herr zu Kefikon (Trösch, 2013). In der zweiten Reihe folgt eine Allianz mit dem Wappen von Gachnang und einem unbekannten Wappen (in Weiss drei rote Hämmer), das Wappen Stör sowie die Allianz von Schienen-von Hohenlandenberg. Letztere bezieht sich auf Sixtus von Schienen, vormaliger Herr zu Gachnang, und Margaretha von Hohenlandenberg, die Eltern des Hugo (Schellberger, 2006, S. 118). Der 1493/95 in die Kirche von Gachnang gestiftete Zyklus der Herren zu Gachnang lässt sich somit grösstenteils rekonstruieren. Vermutlich kamen auch später noch Stiftungen in die Kirche, denn nach der 1695 vom Gachnanger Pfarrer Johann Heinrich Lavater verfassten Beschreibung waren damals in den Chorfenstern der Kirche “etliche alte und neue Wappen” zu sehen (Rahn/Haffter, 1899; Hofmann-Hess, 1945, S. 152f.; Herrmann, 1991, S. 44f.). In den Kirchrechnungen sind ab dem Jahr 1563 zahlreiche Zahlungen an Glaser verzeichnet, diese beziehen sich aber hauptsächlich auf Blankverglasungen und Flickarbeiten (Herrmann, 1991a, S. 20–21). Die fünf verschollenen Glasgemälde aus der Erbauungszeit des Chores wurden 1887 verkauft (Kirchgemeindearchiv Gachnang, U.XI/7–11/G; vgl. Herrmann, 1991a, S. 24).
Die vorliegende Scheibe des Reichenauer Abtes entstand wahrscheinlich in der dem Kloster nahe gelegenen Stadt Konstanz. Dort war in dieser Zeit Hans Stillhart (†1522) tätig. Da von diesem jedoch keine gesicherten Glasmalereien überliefert sind, die einen Vergleich erlauben würden, bleibt die Zuschreibung hypothetisch.
Die Scheibe wird genannt in:
Brun, 1888, S. 62.
Büchi, 1890, S. 29.
Rahn/Haffter, 1899, S. 163.
Hofmann-Hess, 1945, S. 156, Abb. S. 155.
Knoepfli, 1950, S. 194f., Abb. 138.
Raimann, 1981, S. 27, 31.
Bollhalder-Müller, 1990, S. 11.
Herrmann, 1991, S. 44f., Abb. 34.
Herrmann, 1991a, S. 22.
Ducret et al., 1999, S. 211.
Volkart, 2018, S. 304, Abb. 151.