Forschung
Die Inschrift auf vorliegender Scheibe ist falsch erneuert. Das Wappen ist dasjenige der Familie von Roll und nicht dasjenige vom in der neuen Inschrift genannten Hans Konrad Kym, Ammann von Ermatingen (Wappen Kym: gespalten, im rechten silbernen Feld aufstrebender goldener Löwe mit einer goldener Kugel in den Pranken, im linken grünen Feld drei goldene Sterne (Nägeli, 1902, S. 100f.).
Die von Roll waren ein Aristokratengeschlecht aus Altdorf im Kanton Uri. Sie hatten aber Besitztümer im Thurgau: Johann Walter von Roll (um 1579–1639) war seit 1621 zusammen mit seinen Brüdern Besitzer der nahe bei Ermatingen gelegenen Herrschaft Mammern. Nach seinem Tod 1639 gelangte die Herrschaft an Johann Walters Neffen Walter von Roll (1597–1657) und nach dessen Tod an die Brüder Johann Peter III., Franz Karl und Walter Ludwig von Roll. 1663 erfolgte eine Teilung der Erbschaft, bei der Franz Karl und Walter Ludwig Mammern erhielten. 1667 mussten die Brüder die Herrschaft Mammern verkaufen (Stauber, 1934, S. 77).
Der unbekannte Restaurator, der die Inschrift erneuerte, hat diese nicht frei erfunden. Hans Konrad Kym (1618–1684) entstammte der gleichnamigen katholischen Familie aus Ermatingen. Seine Eltern waren der Barbier und Chirurg Salomon Kym († 1626) und Dorothea Ribin. Den gleichen Beruf wie sein Vater ausübend, ehelichte er 1639 Margaretha Strassburger von Ermatingen, die ihm fünf Kinder schenkte. Nach ihrem Tode heiratete er 1654 Marie Magdalena Handlin aus Biberach († 1661), die ebenfalls Mutter von fünf Kindern wurde. Noch in ihrem Todesjahr ging er eine dritte Ehe mit Anna Thurnheer († 1683) aus Bregenz ein. Kym scheint seinen angestammten Barbier- und Arztberuf nur in seinen jüngeren Jahren betrieben zu haben. Er war nämlich Besitzer bedeutender Anwesen mit grossem Grundbesitz, die es ihm erlaubten, sich als Gast- und Landwirt zu betätigen. Dementsprechend gehörte er zu den herausragenden Persönlichkeiten Ermatingens, wo er mindestens seit 1654 bis spätestens 1668 als Ammann und über lange Jahre auch als Quartierhauptmann amtete (Nägeli, 1902, S. 85–87).
Die Verbindung des von Roll-Wappens mit der Stifterinschrift Kyms, lässt die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ursprünglich zwei Pendantscheiben – eine von Franz Karl oder Walter Ludwig von Roll und eine von Hans Konrad Kym – existierten. In stilistischer Hinsicht kann die Scheibe gut aus dem Jahr 1665 stammen. Sie weist dieselben unregelmässig aufgetragenen Farben und ähnliche Farbverläufe (vgl. TG_253, TG_85) wie die von Wolfgang Spengler signierten Scheiben auf. Als gemeinsamen Stiftungsort wäre etwa an das Rathaus des zwischen Ermatingen und Mammern gelegenen Steckborns zu denken. Dieses wurde 1667 erneuert und erhielt zu diesem Anlass mindestens zwei Wappengaben, eine davon geschaffen von Wolfgang Spengler (vgl. TG_136).
Die Scheibe wird genannt in:
Abegg/Erni/Raimann, 2014, S. 172.
Datierung
um 1665
Zeitraum
1660 – 1667
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Sammlung Rutishauser, Kreuzlingen
Inventarnummer
HRK 17360