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TG_2237: Lanzettspitze mit Christuskopf
(TG_Kreuzlingen_privat_TG_2237)

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Titel

Lanzettspitze mit Christuskopf

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Herstellungsort
Datierung
Drittes Viertel 13. Jahrhundert

Ikonografie

Beschreibung

Ein nach oben spitz zulaufendes und blau hinterlegtes Medaillon rahmt das Antlitz Christi. Das violette Haar fällt in kräftig ondulierenden Strähnen auf die Schultern herab; am Hals liegt ein gelber und mit Edelsteinen besetzter Gewandsaum an. Das Haupt Christi umgibt ein grosser grüner Kreuznimbus mit roten Strahlen. Von dem Teppichgrund unterhalb des Medaillons ist nur noch das rechte Ornamentband mit gelbem Blatt auf rotem Grund original erhalten. Ein hellblaues Band und ein weisser Randstreifen schliessen die Bildkomposition nach aussen ab.

Iconclass Code
11D · Christus
22C3111 · Kreuznimbus
Iconclass Stichworte
Signatur

keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Der frühzeitige Ausbau und die museale Aufbewahrung der Scheibe hat die Gläser vor grösseren Korrosionsschäden bewahrt. Die Flickungen gehen vermutlich auf eine ältere Reparaturmassnahme vor dem Ausbau zurück. Lediglich die hellblauen Gläser weisen aussenseitig stellenweise feinen Lochfrass auf. Innenseitig sind im Auflicht partiell mehlige Ausblühungen zu erkennen. Darüber hinaus ist die Leuchtkraft der Gläser durch innenseitige Schmutzablagerungen (Russ?) gemindert. Im Inkarnatglas lässt sich ein stellenweiser Ausbruch der nachgedunkelten Überzüge feststellen. Die ursprüngliche Komposition ist im unteren Bereich der Scheibe durch ältere Flickungen gestört. Die offenbar zu hell ergänzten weissen Bänder wurden in jüngster Zeit durch rückseitig applizierte Papierstreifen gedämpft. Kratzspuren. Weitgehend originales Blei.

Technik

Farbiges und farbloses Glas, rotes Überfangglas, Bemalung mit deckenden Schwarzlotkonturen und im Gesicht noch erkennbaren Halbtonüberzügen. Eine aussenseitige Bemalung ist nicht festzustellen.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Die sechs Masswerkfelder gelangten 1971 zusammen mit weiteren Glasmalereien aus der Sammlung Oettingen-Wallerstein auf Schloss Harburg (Bayerisch-Schwaben) gegen Tausch einiger Gemälde in die Sammlung Heinz Kisters nach Kreuzlingen (Vaassen, 1997, S. 326). Anhaltspunkte für die Einordnung bietet der Christustypus in den beiden Kopfscheiben. Dieser steht Werken des sogenannten Zackenstils nah: Das Haupt ziert schulterlanges, in ondulierenden Strähnen herabwallendes Haar; das ovale Gesicht ist durch runde Augen, einen langen, schlanken Nasenrücken und einen zotteligen Vollbart charakterisiert. Dazu gesellt sich der reiche Edelsteinbesatz an Nimbus und Gewandsaum. Hervorzuheben ist ferner das naturalistisch gebildete Blattwerk. Das Stilbild weist in das dritte Viertel des 13. Jahrhunderts, auch die einfachen Masswerkformen unterstützen diese Datierung. Sehr wahrscheinlich waren die verlorenen Bahnen mit ähnlich gerahmten Figurenfeldern vor ornamentalem Teppichgrund gestaltet.
Hans Wentzel hatte die Scheibengruppe mit einem Passionszyklus aus der Sammlung Oettingen-Wallerstein (jetzt Sam Fogg, London) in Zusammenhang gebracht, die einer “unbestätigten mündlichen Überlieferung” aus dem Zisterziensernonnenkloster in schwäbischen Kirchheim am Ries stammen soll (Wentzel, 1958, S. 221f.). Dieser Bau war im Zuge der Säkularisation 1802 an den Fürsten Ludwig von Oettingen-Wallerstein gefallen. Von diesem wenig begründeten Lokalisierungsversuch abgesehen stehen die Passionsscheiben den Masswerkfeldern zwar in einigen Detailformen nahe, ihre Figuren sind jedoch moderner und die Passionsfolge daher einige Jahrzehnte später anzusetzen.
Einen wichtigen Hinweis auf die Herkunft der Scheibengruppe hält der mit einem Wappen belegte Dreipass bereit. Der Schild zeigt in Silber eine rote schwebende Burg mit zwei Zinnentürmen, dazwischen ein Häuschen. Das sprechende Wappen geht vermutlich auf die Truchsessen von Rothenburg zurück, deren Stammsitz bei Luzern lag (Borchardt, 2016, S. 189–191). Die Staufer setzten die Truchsessen im neuen Herrschaftszentrum Rothenburg zur Verwaltung ihrer Territorien auf fränkisch-schwäbischem Gebiet ein. Mit dem beginnenden 13. Jahrhundert wurde dieses Amt von den Reichsküchenmeistern übernommen, die das Wappen wahrscheinlich von ihren Vorgängern übernahmen, ebenso wie die mit ihnen verschwägerten Bebenburger. Im späteren 13. Jahrhundert ging das Wappenbild im Gebrauch auf die Stadt selbst über und wurde schliesslich deren eigenes Wappen.
Ludwig von Oettingen-Wallerstein (1791–1870) reiste im Jahr 1812 zum Aufbau seiner Sammlung altdeutscher Kunst mehrfach nach Rothenburg. Neben der Franziskanerkirche war der Fürst vor allem am Inventar der Dominikanerinnenkirche interessiert, aus welcher er nachweislich Kunstwerke erwarb (Kahsnitz, 1997). Das Frauenkloster geht auf eine Gründung des Reichsküchenmeisters Lupold I. von Nordenberg zurück (†1276), der jedoch ein anderes Wappen führte. Kirche und Klausur wurden im Jahr 1265 durch den Dominikanergelehrten Albertus Magnus geweiht und sind die einzigen Sakralbauten der Stadt, die sich mit der frühen Entstehungszeit der Scheiben gut verbinden liessen (Ress, 1959, S. 454–524; Borchardt, 1988, I, S. 151–194; Tittmann, 1996, S. 377–380). Für die 1813 abgetragene Klosterkirche sind frühe Grablegen der Bebenburger bezeugt; dazu kämen aus oben genannten Gründen als Fensterstifter auch die Burgvögte oder die Stadt in Frage. Als ursprünglicher Standort der Verglasung wäre neben dem Westfenster der Kirche und den Fensterlanzetten der Langhaussüdseite auch an den Kreuzgang zu denken, wo sich massgenaue Fensteröffnungen erhalten haben; der Chor scheidet hingegen aufgrund der späteren Bauzeit aus. Ohne weitere Quellen, welche diese Überlegung bestätigen können, muss dieser Lokalisierungsvorschlag jedoch vorerst hypothetisch bleiben.

Die Scheibe wird genannt in:
Wentzel, 1958, S. 221f.

Datierung
Drittes Viertel 13. Jahrhundert
Zeitraum
1250 – 1275
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Privatbesitz

Bibliografie und Quellen

Literatur

Borchardt, K. (1988). Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte Reihe IX, Bd. 37,1). 2 Bde. Neustadt/Aisch: Komm. Degener.

Borchardt, K. (2016). Kirchen, Bürger, Bauern. Ausgewählte Studien zu Rothenburg ob der Tauber und seinem Umland (Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg e. V.). Rothenburg: Verein Alt-Rothenburg e.V.

Kahsnitz, R., Riemenschneider, T. (1997). Zwei Figurengruppen unter dem Kreuz Christi. In T.Riemenschneider, Zwei Figurengruppen unter dem Kreuz Christi (Patrimonia 106). München: Kulturstiftung der Länder in Verbindung mit dem Bayerischen Nationalmuseum München, S. 13–119.

Ress, A. (1959). Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken. VIII: Stadt Rothenburg ob der Tauber. Kirchliche Bauten. München: Oldenbourg.

Tittmann, E. (1996). Rothenburg und seine Kunst im Spätmittelalter. Zu zwei neuen kunstwissenschaftlichen Arbeiten aus Heidelberg. Mit Anmerkungen zur Baugeschichte des Rothenburger Frauenklosters, seiner zwei Kirchen und der Kapelle St. Veit. Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken, Bd. 97, 1994/5, S. 373–400.

Vaassen, E. (1997). Bilder auf Glas. Glasgemälde zwischen 1780 und 1870. München/Berlin: Deutscher Kunstverlag.

Wentzel, H. (1958). Die Glasmalereien in Schwaben von 1200–1350 (CVMA Deutschland I,1). Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft.

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Kreuzlingen_privat_TG_2237
Fotonachweise
© Rechteinhaber
Aufnahmedatum
2019
Eigentümer*in

Privatbesitz

Inventar

Referenznummer
TG_2237
Autor*in und Datum des Eintrags
Daniel Parello 2020

Weiteres Bildmaterial und verwandte Objekte

Zusätzliches Bildmaterial
Lanzettspitze mit Christuskopf Schema