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BE_835: Ämterbaumscheibe Bern mit Herzog Berchtold V. von Zähringen
(BE_Holligen_Schloss_1542)

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Title

Ämterbaumscheibe Bern mit Herzog Berchtold V. von Zähringen

Type of Object
Artist / Producer
Place of Manufacture
Dating
1542
Dimensions
39.1 x 34.4 cm im Licht
Location
Place
Lunette über Eingangsportal
Inventory

Iconography

Description

Das zentrale Figurenbild zeigt Herzog Berchtold V. von Zähringen als Stammvater Berns. Im Vordergrund auf dem Wiesenboden liegend, trägt der Stadtgründer einen roten Waffenrock und stahlblauen Harnisch mit rotem Brustpanzer, den ein weisses Kreuz ziert. Während er sich mit seinem angewinkelten rechten Arm auf den vor ihm aufgerichteten Zähringer Wappenschild stützt, hält er in seiner rechten Hand einen Streitkolben und in seiner linken den auf seinem Knie ruhenden Spangenhelm. Er wird von drei um ihn gruppierten, mit Halbarten und Schweizerdolchen ausgerüsteten Bärenkriegern begleitet, von denen zwei in ein Kettenhemd gekleidet sind. Aus der Brust des Fürsten wächst der vom bekrönten Reichsschild überhöhte Berner Ämterwappenbaum. Darin vereint sind die folgenden 28 Ämterwappen (von oben links nach unten rechts): Burgdorf, Thun, Zofingen, Aarau, Simmental, Hasli (Hasle), Laupen, Brugg, Lenzburg, Nidau, Unterseen, Äschi, Frutigen, Weissenburg, Büren, Aarberg, Wiedlisbach, Wangen, Landshut, Aigle, Trachselwald, Huttwil, Interlaken, Aarburg, Aarwangen, Erlach, Signau, Biberstein. Hinter dem Baum und der Figurengruppe ist die in eine Alpenlandschaft eingebettete Stadt Bern von Süden mit dem Marzilitor, dem Zeitglockenturm, einem Teil der Barfüsserkirche (?) und dem Münster dargestellt (vgl. Jürg Schweizer). Die Komposition umfasst ein den Ämterbaum bogenförmig umschliessendes Schriftband mit der langen, unvollständig erhaltenen Bildlegende. In den Eckfeldern darüber ist je ein Bernschild in fein stilisierten Blatt- und Blütenranken festgehalten.

Iconclass Code
25F23(BEAR) · beasts of prey, predatory animals: bear
25F33(EAGLE)(+12) · predatory birds: eagle (+ heraldic animals)
25I1 · city-view in general; 'veduta'
42G1 · family lineage, pedigree, genealogical tree or table
44A1(+3) · coat of arms (as symbol of the state, etc.) (+ province; provincial)
45C14(HALBERD) · helved weapons, polearms (for striking, hacking, thrusting): halberd
46A122 · armorial bearing, heraldry
Iconclass Keywords
Heraldry

Wappen Bern, Zähringen, Reich; Amterwappen Burgdorf, Thun, Zofingen, Aarau, Simmental, Hasli (Hasle), Laupen, Brugg, Lenzburg, Nidau, Unterseen, Äschi, Frutigen, Weissenburg, Büren, Aarberg, Wiedlisbach, Wangen, Landshut, Aigle, Trachselwald, Huttwil, Interlaken, Aarburg, Aarwangen, Erlach, Signau, Biberstein

Inscription

ANO DOMINI M D XXXXII IAR.
Hertzog Bärchtold ... Stat m... ...iche Bärner wol erkant ... / wol Bÿ mine wapen man m[i]ch erkenen sol Vnd ...wen ... diser beid furwar so wieβ mir ... / ...ÿden der ich mich ... [e]rgetz. Das ich den beren hab ...eset Zů erbe was mir ... / mich das hies. Darvff ein boum gewachse ist V[f]f gute grun[d] on arge list vil schöner blůme daran stand Vnd di... / ...il krafft an ine hand vnd w[a]n der bar ...il varen an Strittes tantz so mach... / so hüt ich ir mit flis Da[s] der blůmen keinÿ [a]bris Vnd hab ir gewarned merck furwar Do man zallt MC[L]XXXX[I] / [J]ar Nach der geburt J[esu] Crist Der vns h[at] behüt Zů aller frist Der verlich ... / göttliche hilf vnd ouch s[in] krafft Das sÿ r[e]gierend hie vff erden Dardurch gottes lob [m]ög gefürt werde: am[en]

Signature

Keine

Technique / State

State of Conservation and Restorations

Im bogenförmig angelegten Schriftband zwei neue Ergänzungen aus Klarglas; einige Sprünge und Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.
Das Glasgemälde befindet sich zusammen mit seinem Pendant von 1542 (s. u.) und der ovalen Berner Ämterscheibe von 1581 in der Lünette des Eingangsportals von Schloss Holligen, und zwar in einer Verglasung des 19. Jahrhunderts.
Restaurierungen
2015 Daniel Stettler, Bern: Reinigung der Lünettenverglasung mit den darin eingesetzten drei Scheiben des 16. Jahrhunderts und Anbringung einer Schutzverglasung.

Technique

Farbloses und farbiges Glas; rotes und hellblaues Überfangglas mit rückseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb.

History

Research

Das Glasgemälde stammt aus dem gleichen Jahr und von der gleichen Hand wie dasjenige mit dem thronenden Herzog Berchtold V. von Zähringen. Diese beiden auch in den Massen übereinstimmenden, den Zähringerherzog als Stadtgründer verherrlichenden Werke müssen als Pendants für denselben Ort geschaffen worden sein. 1661 befand sich die Scheibe mit dem thronenden Herzog in der Vennerstube des Berner Rathauses. Dies belegt die damals von Albrecht Kauw gemalte Innenansicht der Berner Vennerstube mit der darin versammelten Ohmgeldkammer (BHM Bern, Inv. 1953; Herzog 1999, Kat.-Nr. 114, Abb.; Hofer 1947, S. 174, Anm. 6; S. 199, Nr. 25 [hier irrtümlicherweise Johannes Dürer zugeschrieben]). Darin ist im Oberlicht des mittleren der drei in die Nordwand der Stube eingebauten Butzenfenster diese Scheibe (assymetrisch) eingefügt. Dass Glasgemälde zur Ausstattung der 1531 im zweiten Stockwerk des Rathauses eingerichteten Vennerkammer oder Vennerstube zählten, ist kaum zu bezweifeln (Hofer 1947, S. 32f., 174). An sich könnte dazu die Scheibe mit dem thronenden Stadtgründer gehört haben. Allerdings wird sie 1542 zusammen mit der Ämterbaumscheibe im gleichen Raum zur Aufstellung gekommen sein (s. o.). Weil sie in Kauws Innenansicht der Vennerstube in den drei Butzenfenstern das einzige Glasgemälde überhaupt darstellt und dementsprechend verloren wirkt, dürfte sie sich ursprünglich denn auch kaum in dieser Weise präsentiert haben. Es wäre demnach denkbar, dass der Berner Rat 1542 die beiden Scheiben für seine elf Jahre zuvor errichtete Vennerkammer in Auftrag gab. Vor 1661 müsste es dann zu ihrer Versetzung beziehungsweise Trennung gekommen sein, wobei man die eine davon in der Vennerstube beliess. Nahe liegender ist jedoch die Annahme, dass ihr ursprünglicher Bestimmungsort nicht die Vennerstube im Rathaus, sondern ein anderer Staatsbau war. Damit gemeint ist das Hauptwerk des bernischen Profanbaues im 16. Jahrhundert, die zwischen 1526 und 1541 an der heutigen Postgasse erbaute Staatskanzlei, an deren Realisierung damals führende Berner Amtsträger wie der Stadtschreiber Peter Cyro oder der Seckelmeister Hans Franz Nägeli mitwirkten. Mit dem Einbau der Öfen und Fenster wurde der neue Amtssitz nach einer Bauzeit von anderthalb Jahrzehnten 1541 vollendet (Hofer 1947, S. 34f.), also vermutlich genau zu jenem Zeitpunkt, als sich der Berner Rat an die Auftragsvergabe der beiden dem Stadtgründer gewidmeten Scheiben machte. Einiges spricht somit dafür, dass die beiden Glasgemälde für die Staatskanzlei, das "Gedächtnis der Staatsverwaltung" geschaffen wurden.

Die Scheibe von 1542 stimmt in den Grundzügen mit der Berner Ämterbaumscheibe überein, die Hans Funk 1512 für das Rathaus von Mülhausen ausführte (Hérold/Gatouillat 1994, S. 298, Fig. 140). Ihr Schöpfer wird diese demnach gekannt haben. In den Details freilich weichen die beiden Werke voneinander ab (Scheidegger 1947). Obwohl auch ihre beiden um den Stammbaum verlaufenden Reiminschriften nicht gleich lauten, sind sie inhaltlich identisch, d. h. sie nehmen auf Herzog Berchtold V. Bezug, nennen das Gründungsjahr der Stadt 1191 und bezeichnen die Ämterwappen als Blumen des Baumes. Eine Inspirationsquelle für sie beide bildete sicherlich das Chorfenster mit dem Stammbaum Jesse im Berner Münster. Der aus der liegenden Herzogsfigur herauswachsende Ämterstammbaum entspricht im Grundschema ebenfalls den Stammbäumen des Hauses Luxemburg (fol. 105b) und des Hauses Habsburg, die in einem 1531 entstandenen Wappenbuch eingezeichnet sind. Dieses befindet sich unter den Leu'schen Manuskripten in der Zürcher Stadtbibliothek (Ms. L 119; Ganz 1898, S. 15f., Abb.).

Die beiden inhaltlich bedeutungsvollen Glasgemälde von 1542 gehören zu den künstlerisch herausragendsten Leistungen bernischer Glasmalerei aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie stammen also sicher von einem Meister, der im Dezennium nach Hans Funks Tod († um 1540) in der Aarestadt zu den führenden Glasmalern zählte. Weil die Staatsrechnungen aus den Jahren von 1541 bis 1551 nicht erhalten geblieben sind, lässt sich jedoch nicht schlüssig beantworten, wer unter den damals zahlreichen Berner Glasmalern aufgrund seines Renommees von der Obrigkeit ganz besonders geschätzt und demzufolge regelmässig mit wichtigen Aufträgen eingedeckt wurde. Alfred Scheidegger glaubt, dass es sich bei Joseph Gösler um einen solchen handeln muss. Für Gösler eindeutig gesicherte Glasmalereien existieren jedoch keine und deshalb erweist sich das von Scheidegger für diesen in Anspruch genommene umfangreiche, auch die beiden Scheiben von 1542 enthaltende Œuvre als eine unhaltbare Hypothese. Ein Glasmaler mit gewissem Renommee könnte beispielsweise ebenso gut Georg (Jörg) Harr gewesen sein, von dem man weiss, dass er 1540 für die Herstellung der Fenster der neuen Staatskanzlei über 477 Pfund erhielt und für ein im Auftrag der Obrigkeit in ein Privathaus geliefertes Wappen entlohnt wurde (Keller-Ris 1915, S. 72). Infolgedessen lässt sich der Meister der zwei Glasgemälde von 1542 nicht sicher benennen. Zumindest steht aber fest, dass er im Einflussbereich von Hans Funk stand und vor 1540 vermutlich sogar in dessen Werkstatt tätig gewesen war.

Dating
1542
Previous Location
Place of Manufacture
Owner

Stiftung zum Turm Schloss Holligen

Previous Owner

Sammlung von Mutach, Schloss Holligen (wohl identisch mit: Abraham Friedrich von Mutach, 1765–1831).

Bibliography and Sources

Literature

Franz Thormann/Wolfgang Friedrich von Mülinen, Die Glasgemälde der bernischen Kirchen, Bern o. J. [1896], S. 42.

Heinrich Oidtmann, Geschichte der Schweizer Glasmalerei, Leipzig 1905, S. 83.

Alfred Scheidegger, Die Berner Glasmalerei von 1540 bis 1580, Bern/Bümpliz 1947, Nr. 1, S. 32f., 113 (Nr. 1), Abb. 31 (Joseph Gösler).

Heinz Matile, Berner Ämterscheiben, in: Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums in Bern, Jg. 45/46, 1965/66, S. 64–66, Abb. 24 (Joseph Gösler zugeschr.).

Rolf Hasler, Die Scheibenriss-Sammlung Wyss. Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bernischen Historischen Museum, 2 Bde., Bern 1996/97, Bd. 1, S. 79.

Jürg Schweizer, Berns Stadtbefestigung, in: Berns grosse Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 1999, S. 94f., Abb. 51.

Vgl.

Paul Ganz, Ein Wappenbuch von 1531 auf der Zürcher Stadtbibliothek, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde VIII/1896–98, Zürich 1898.

J. Keller-Ris, Die Fenster- und Wappenschenkungen des Staates Bern von 1540 bis 1797, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde NF 17/1915.

Paul Hofer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Bd. III: Die Staatsbauten der Stadt Bern, Basel 1947.

Michel Hérold/Françoise Gatouillat, Les vitraux de Lorraine et d'Alsace (Corpus Vitrearum, Recensement des vitraux anciens de la France, vol. 5), Paris 1994, S. 298, Fig. 140.

Georges Herzog, Albrecht Kauw (1616–1681). Der Berner Maler aus Strassburg, Bern 1999.

References to Additional Images

SNM Zürich, Neg. 9933 (Joseph Gösler)

Image Information

Name of Image
BE_Holligen_Schloss_1542
Credits
© Vitrocentre Romont
Date
2015
Copyright
© Turmstiftung Schloss Holligen
Owner

Stiftung zum Turm Schloss Holligen

Inventory

Reference Number
BE_835
Author and Date of Entry
Rolf Hasler 2016; Sarah Keller 2016