Research
Das Glasgemälde stammt aus dem gleichen Jahr und von der gleichen Hand wie dasjenige mit dem aus der Brust des Zähringerherzogs wachsenden Berner Ämterbaum. Diese beiden auch in den Massen übereinstimmenden, Herzog Berchtold V. von Zähringen als Stadtgründer verherrlichenden Werke müssen als Pendants für denselben Ort geschaffen worden sein. 1661 befand sich die Scheibe mit dem thronenden Herzog in der Vennerstube des Berner Rathauses. Dies belegt die damals von Albrecht Kauw gemalte Innenansicht der Stube mit der darin versammelten Ohmgeldkammer (BHM Bern, Inv. 1953; Herzog 1999, Kat.-Nr. 114, Abb.; Hofer 1947, S. 174, Anm. 6; S. 199, Nr. 25 [hier irrtümlicherweise Johannes Dürer zugeschrieben]). Darin ist im Oberlicht des mittleren der drei in die Nordwand der Stube eingebauten Butzenfenster diese Scheibe (assymetrisch) eingefügt. Dass Glasgemälde zur Ausstattung der 1531 im zweiten Stockwerk des Rathauses eingerichteten Vennerstube zählten, ist kaum zu bezweifeln (Hofer 1947, S. 32f., 174). An sich könnte dazu die Scheibe mit dem thronenden Stadtgründer gehört haben. Allerdings wird sie 1542 zusammen mit der Ämterbaumscheibe im gleichen Raum zur Aufstellung gekommen sein (s. o.). Weil sie in Kauws Innenansicht der Vennerstube in den drei Butzenfenstern das einzige Glasgemälde überhaupt darstellt und dementsprechend verloren wirkt, dürfte sie sich ursprünglich denn auch kaum in dieser Weise präsentiert haben. Es wäre demnach denkbar, dass der Berner Rat 1542 die beiden Scheiben für seine elf Jahre zuvor errichtete Vennerkammer oder Vennerstube in Auftrag gab. Vor 1661 müsste es dann zu ihrer Versetzung beziehungsweise Trennung gekommen sein, wobei man die eine davon in der Vennerstube beliess. Nahe liegender ist jedoch die Annahme, dass ihr ursprünglicher Bestimmungsort nicht die Vennerkammer im Rathaus, sondern ein anderer Staatsbau war. Damit gemeint ist das Hauptwerk des bernischen Profanbaues im 16. Jahrhundert, die zwischen 1526 und 1541 an der heutigen Postgasse erbaute Staatskanzlei, an deren Realisierung damals führende Berner Amtsträger wie der Stadtschreiber Peter Cyro oder der Seckelmeister Hans Franz Nägeli mitwirkten. Mit dem Einbau der Öfen und Fenster wurde der neue Amtssitz nach einer Bauzeit von anderthalb Jahrzehnten 1541 vollendet (Hofer 1947, S. 34f.), also vermutlich genau zu jenem Zeitpunkt, als sich der Berner Rat an die Auftragsvergabe der beiden dem Stadtgründer gewidmeten Scheiben machte. Einiges spricht somit dafür, dass die beiden Glasgemälde für die Staatskanzlei, das "Gedächtnis der Staatsverwaltung" geschaffen wurden.
Die beiden inhaltlich bedeutungsvollen Glasgemälde von 1542 gehören zu den künstlerisch herausragendsten Leistungen bernischer Glasmalerei aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie stammen also sicher von einem Meister, der im Dezennium nach Hans Funks Tod († um 1540) in der Aarestadt zu den führenden Glasmalern zählte. Weil die Staatsrechnungen aus den Jahren von 1541 bis 1551 nicht erhalten geblieben sind, lässt sich jedoch nicht schlüssig beantworten, wer unter den damals zahlreichen Berner Glasmalern aufgrund seines Renommees von der Obrigkeit ganz besonders geschätzt und demzufolge regelmässig mit wichtigen Aufträgen eingedeckt wurde. Alfred Scheidegger glaubt, dass es sich bei Joseph Gösler um einen solchen handeln muss. Für Gösler eindeutig gesicherte Glasmalereien existieren jedoch keine und deshalb erweist sich das von Scheidegger für diesen in Anspruch genommene umfangreiche, auch die beiden Scheiben von 1542 enthaltende Œuvre als eine unhaltbare Hypothese. Ein Glasmaler mit gewissem Renommee könnte beispielsweise ebenso gut Georg (Jörg) Harr gewesen sein, von dem man weiss, dass er 1540 für die Herstellung der Fenster der neuen Staatskanzlei über 477 Pfund erhielt und für ein im Auftrag der Obrigkeit in ein Privathaus geliefertes Wappen entlohnt wurde (Keller-Ris 1915, S. 72). Infolgedessen lässt sich der Meister der zwei Glasgemälde von 1542 nicht sicher benennen. Zumindest steht aber fest, dass er im Einflussbereich von Hans Funk stand und vor 1540 vermutlich sogar in dessen Werkstatt tätig war.
Dating
1542
Original Donor
Previous Location
Place of Manufacture
Owner
Stiftung zum Turm Schloss Holligen
Previous Owner
Sammlung von Mutach, Schloss Holligen, Bern (wohl identisch mit: Abraham Friedrich von Mutach, 1765–1831).