Research
Die Thuner Stadtscheibe von 1593 ist nach dem gleichen Kompositionsschema gestaltet wie die beiden jüngeren Thun-Scheiben von 1615 (ehem. Sammlung Wüthrich, London; SNM Zürich, Foto 41252) und von 1624 (BHM Bern, Inv. 393). Alle drei gehen auf einen Scheibenriss zurück, den Thüring Walther um 1565–1575 in Bern geschaffen hatte. Der betreffende Riss, der das Monogramm dieses Glasmalers trägt, hat sich im Original oder einer etwa zeitgleichen Kopie in der Sammlung Wyss des Bernischen Historischen Museums erhalten (Inv. 20036.613; Hasler 1996/97, Bd. 1, Kat.-Nr. 213, mit Abb. der Scheiben). Die Zeichnung bzw. das zugehörige, nicht erhaltene Glasgemälde muss eine so grosse Ausstrahlungskraft besessen haben, dass die Stadt auch 50 Jahre später noch Scheiben nach dem gleichen Muster herstellen liess.
Bei der in den genannten Scheiben und im Scheibenriss dargestellten zweiten Fahne, die bei Hasler (1996/97) als Banner der Zunft zu Oberherren geführt wird, dürfte es sich eher um eine Auszügerfahne handeln, die benutzt wurde, wenn ein Teil der Wehrpflichtigen ins Feld zog (freundliche Mitteilung Peter Küffers, Thun, vom 3.11.2016). Solche Fahnen trugen meist nur ein Element des Stadtwappen, wie hier den Stern auf weissem Grund (Bruckner 1942, S. XXXVIIf.). Im Schlossmuseum Thun hat sich ein dreieckiges Auszugsfähnlein des 14./15. Jahrhunderts erhalten. Es zeigt auf dem weissvergilbten Seidentaft nächst der Stange einen schwarzen Stern (Inv. 5829 T 314; Bruckner 1942, S. 122, Abb. S. 33; erst mit der Wappenbesserung nach der Schlacht bei Murten 1476 durfte Thun einen goldenen statt schwarzen Stern im Fähnlein führen). Dagegen enthält das Wappen der Thuner Zunft zu Oberherren einen goldenen Stern auf blauem Grund.
Leider fehlen die Thuner Seckelmeisterrechnungen der Jahre 1592/93 und 1593/94, die Aufschluss über Herkunft und Hersteller der vorliegenden Stadtscheibe hätten geben können. In den 1590er Jahren werden die Meister Bartlome Horner (1590), Heinrich Seemann (1590, 1591, 1594/95), Crispinus Vischer (eventuell nur Glaser, 1590) und Peter Wolang/Woland (1594/95) für Fenster und Wappen der Stadt Thun entlöhnt. Es ist denkbar, dass einer von ihnen auch das vorliegende Glasgemälde schuf. Heinrich Seemann (der meist erwähnte) und Peter Wolang (sicher seit 1568 in Thun tätig) dürften dabei am ehesten in Frage kommen. Bartlome Horner ist wohl identisch mit dem Glasmaler Bartlome Norweger, dem 1590 erlaubt wurde, sich für ein halbes Jahr in Thun niederzulassen, da sich dort zu dieser Zeit kein Meister seines Handwerks befand (Hofer 1902/03, S. 215f.). Sein Name taucht nicht weiter in den Rechnungen auf.
Dating
1593
Original Donor
Previous Location
Place of Manufacture
Owner
Seit 1898 Bernisches Historisches Museum
Inventory Number
BHM 3107