Research
Aufgrund der Lebensdaten kommt am ehesten Hans Friedrich IV. von Mülinen (1551–1612) als Scheibenstifter in Frage. Der Herr zu Kastelen und Ruchenstein (Kanton Aargau) war ein Sohn Paul von Mülinens und Ursula von Wessenbergs. Seit dem 12. März 1577 war er mit Margaretha Waldner von Freundstein (1555–1607), einer Tochter Burkhards und Susanna Rusts, verheiratet (Kessel 2016). Die Erben der Brüder Hans Friedrich und Berchtold von Mülinen verkauften Ruchenstein 1634 an Hans Ludwig von Erlach (1595–1660). An diesen gelangte über Erbschaft auch die Herrschaft Kastelen.
Es haben sich zwei Allianzscheiben Hans Friedrich IV. von Mülinens und seiner Frau Margaretha Waldner von Freundstein erhalten. Die eine aus dem Jahr 1590 mit dem Monogramm des Aarauer Glasmalers Durs Hunziker befindet sich heute in der Sammlung von Hallwyl des Schweizerischen Nationalmuseums Zürich (Lehmann 1929, S. 91, Nr. 236), die andere aus dem Jahr 1606 im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 26171).
Es ist nicht bekannt, ob Hans Friedrich IV. Mitglied der Turniergesellschaft zum Fisch und Falken war, dessen Emblem neben der Helmzier des Wappens dargestellt ist. Es ist daher nicht ganz auszuschliessen, dass die Scheibe als Nachstiftung für den Ritter Hans Friedrich von Mülinen († 1491) entstand, den Meier von Biel und Kastvogt des Klosters Trub und Rüegsau, der mit Barbara von Scharnachtal († 1510) verheiratet gewesen war (Familiengeschichte von Mülinen 1844, S. 29).
Wahrscheinich existierte zur vorliegenden Scheibe ein Pendant mit dem Frauenwappen und den beiden fehlenden Aposteln Markus und Matthäus. Anders als hier nehmen in einem Scheibenriss Daniel Lindtmayers im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt die vier Evangelisten innerhalb der ovalen Rollwerkrahmen die vier Ecken ein (Thöne 1975, Kat.-Nr. 22, Abb. 36). Lindtmayer stellt auch die beiden Oberbildszenen mit Hiob auf einem Scheibenriss mit dem Wappen des Heiliggeistspitals von Schaffhausen dar (Thöne 1975, Kat.-Nr. 21, Abb. 34). Diese bildeten jedoch keine direkte Vorlage für die Berner Scheibe.
Die vorliegende Scheibe ist vom Brugger Glasmaler Jakob Brunner (1546–1589) monogrammiert. Dem "glasmaler von bruck" wurden auch die 1579 datierten Allianzwappenscheiben Anton von Luternaus und Bernhard von Wattenwyls für die Kirche von Unterkulm bezahlt (Hasler 2002, Kat.-Nrn. 155, 156). Für Brunner sind zudem drei weitere Glasgemälde gesichert (Banholzer 1968). Es handelt sich um die Allianzscheibe Christoph Effingers von 1575 im Schloss Wildegg, eine Berner Ämterscheibe von 1577 im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich (Inv. LM 8783; Schneider 1971, Bd. I, Kat.-Nr. 351) und eine Stadtscheibe Bruggs von 1586 in der Historischen Sammlung Zofingens (Hasler 2002, S. 286). Die Scheiben Brunners zeichnen sich durch eine sehr sorgfältige Zeichnung und eine gezierte Behandlung der kompakten Helmdecke aus.
Dating
1575
Original Donor
Mülinen, Hans Friedrich von (1551–1612)
Previous Location
Owner
Seit 1895 Bernisches Historisches Museum
Previous Owner
Bis 1895 Leipzig, vgl. Jahresbericht Bernisches Historisches Museum Bern 1895; Nachweisakten BHM Bern.
Inventory Number
BHM 2101