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Der ursprüngliche Standort dieser Thuner Stadtscheibe ist nicht überliefert. 1623 wurden zwar nachweislich die Fenster im Pfrundhaus (Pfarrhaus) von Zweisimmen erneuert. In den Amtsrechnungen Obersimmentals dieses Jahres ist nämlich vermerkt, dass damals der Tischmacher, Schlosser, Glaser und Glasmaler für dort vier neue Kreuzfenster herzustellen hatten und dafür 40 Pfund erhielten (Dr. Marti-Wehren, Auszüge aus den Berner Amtsrechnungen, Staatsarchiv Bern [Kopien im Vitrocentre Romont]). Ob Thuns Scheibe von 1624 tatsächlich in Verbindung mit der damaligen Fenstererneuerung im Pfrundhaus von Zweisimmen steht, bleibt jedoch ungewiss.
Im Ausstellungskatalog vom Schloss Schadau von 1964 wird das vorliegende Glasgemälde als Arbeit Hans Gantings des Jüngeren angesprochen. Die Zuschreibung an diesen Berner Meister ist jedoch abzulehnen. Dagegen sprechen die Figuren seiner signierten Scheibenrisse, die einen völlig anderen, untersetzten und puppenhaften Charakter besitzen (Hasler 1996/97, Bd. 2, Kat.-Nrn. 429–432). Aus stilistischen Gründen lässt sich die Scheibe vielmehr dem Thuner Glasmaler Kaspar Lohner zuweisen (vgl. Lehmann 1911, S. 59). Sie wurde möglicherweise mit der Scheibe des Gwer Franz von 1622 (BHM Bern, Inv. 393) für den gleichen Bestimmungsort geschaffen und gleichzeitig mit ihr 1881 vom Bernischen Historischen Museum angekauft (ob Thuns Scheibe wie jene des Gwer Franz über die Sammlung Bürki ins Museum kam, ist allerdings unsicher). Beide Scheiben lassen sich aufgrund ihrer stilistischen Verwandtschaft dem gleichen Glasmaler zuordnen. Zu den damit verwandten Werken gehören zwei im Bernischen Historischen Museum befindliche Scheiben von 1623, nämlich jene der Landschaft Frutigen (BHM Bern, Inv. 2998) und jene des Ehepaares Jakob Pieren und Magdalena Hauswirth (BHM Bern, Inv. 6515). Unter den signierten Werken Kaspar Lohners ist vor allem die Ämterscheibe Berns von 1622 in der Kirche Kandersteg mit der Stadtscheibe Thuns vergleichbar. Die von Lohner signierte Scheibe Frutiger-Bauer von 1640 (BHM Bern, Inv. 5630) unterscheidet sich hingegen durch eine andere Radiertechnik und vor allem durch die Kopfgestaltung. Der Glasmaler Kaspar Lohner tätigte 1642 eine Eigenstiftung, auf der er sich und seine Frau Maria Engemann in Form eines Willkomm-Paares darstellte (unbekannter Besitz; Kat. Thun 1964, Nr. 181, Abb.).
Die Thuner Stadtscheibe von 1624 beruht auf einem wesentlich älteren Entwurf aus der Zeit von 1565–1675, der im Umkreis des Berner Glasmalers Thüring Walther anzusiedeln ist (Hasler, 1996/97, Bd. 1, Kat.-Nr. 213). Weitere kompositorisch identische Scheiben von 1593 (BHM Bern, Inv. 3107) und 1615 (aus der Sammlung Wüthrich, London; SNM Zürich, Foto-Neg. 41252) legen die grosse Ausstrahlungskraft dieser Vorlage nahe (Hasler 1996/97, Bd. 1, Abb. 213.1 und 213.3).
Bei der in den genannten Scheiben und im Scheibenriss dargestellten zweiten Fahne, die Hasler 1996/97 noch als Banner der Zunft zu Oberherren identifizierte, dürfte es sich eher um eine Auszügerfahne handeln, die benutzt wurde, wenn ein Teil der Wehrpflichtigen auszog (freundliche Mitteilung Peter Küffer, Thun, vom 3.11.2016). Solche Fahnen zeigten meist nur ein Element des Stadtwappens, wie hier den Stern auf weissem Grund (vgl. Bruckner 1942, S. XXXVIIf.). Im Schlossmuseum Thun hat sich ein dreieckiges Auszugsfähnlein des 14./15. Jahrhunderts erhalten. Es stellt auf dem weissvergilbten Seidentaft nächst der Stange einen schwarzen Stern dar (Inv. 5829, T 314; Bruckner 1942. S. 122, Abb. S. 33: erst mit der Wappenbesserung nach der Schlacht bei Murten 1476 durfte Thun einen goldenen statt schwarzen Stern im Fähnlein führen). Dagegen zeigt das Wappen der Zunft zu Oberherren einen goldenen Stern auf blauem Grund.
Datation
1624
Commanditaire / Donateur·trice
Localisation d'origine
Lieu de production
Propriétaire
Vor/seit 1882 Bernisches Historisches Museum
Propriétaire précédent·e
Aus der Sammlung Bürki? (vgl. Heinz Matile, Karteikarte Slg. Bürki, BHM Bern; erworben von Gohl am 21.6.1881 für das Antiquarium in Bern). Im Inventar und Katalog Bürki bislang allerdings nicht nachzuweisen. Oder allenfalls aus der Thuner Burgerkanzlei? (vgl. Kat. Thun 1964; genauere Angaben fehlen jedoch. Nach Peter Küffer (09.2015) ist die Scheibe in den historischen Sammlungen Thuns nicht dokumentiert). – Bis 2016 Schloss Oberhofen (Besitz BHM Bern)
Numéro d'inventaire
BHM 393