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Die Scheibe stellt die mythenhafte Geschichte des kleinasiatischen Königs Gyges und seiner Machtergreifung dar. Nach Herodot (Hist. I, 8–13) war Gyges der Freund und Lanzenträger des lydischen Königs Kandaules (griech: Myrsilos). Letzterer war in seine eigene Frau Nyssia (auch Ludo) verliebt und schwärmte seinem Vertrauten von deren Schönheit vor. Gyges wollte nichts davon wissen, doch der König zwang ihn, seine Frau beim Umkleiden zu beobachten. Die Königin bemerkte Gyges jedoch, als er sich davonschlich. Sie stellte ihn, da er sie nackt gesehen hatte, vor eine Entscheidung: entweder er stelle sich dem Tod durch die Hand ihrer treuen Diener oder er töte Kandaules und nehme sie zur Frau. Gyges ermordete daraufhin den König und eroberte die Herrschaft von Lydien, die durch einen Orakelspruch in Delphi bestätigt wurde.
Die Darstellung auf dem vorliegenden Scheibenfragment folgt einen Kupferstich aus der erstmals 1642 in Frankfurt in Folioformat erschienenen "Historischen Chronica" des Johann Ludwig Gottfried (um 1584–1633). Die Universalgeschichte "von der Erschaffung der Welt bis auf unsere Zeiten, nach Austeilung der vier Monarchien" wurde nach Gottfrieds Tod vom Strassburger Historiker Johann Philipp Abele (1600–1634) vollendet und von Matthäus Merian dem Älteren illustriert und ediert. In nur leichter Abwandlung erschien das Bild auch in dem 1692–1701 in Sulzbach und Nürnberg gedruckten "Neu-eröffneten Historischen Bildersaal". Dieses damals berühmte und weit verbreitete, mit über 900 Kupferstichen ausgestattete Werk hatte der Historiker Andreas Lazarus Imhof (1656–1704) "in höherem Auftrage" für den österreichischen Erzherzog und nachmaligen Kaiser Joseph I. verfasst (Allgemeine Deutsche Biographie).
Mit der graphischen Vorlage ergibt sich auch ein Terminus post quem für die Datierung des Fragmentes, das wohl ehemals ein Scheibenmittelbild darstellte. Der Glasmaler ist bislang unbekannt.
Datation
Um 1660
Période
1640 – 1680
Localisation d'origine
Propriétaire
Vor/seit 1892 Bernisches Historisches Museum, Depositum
Numéro d'inventaire
BHM 884