Heinrich Lanz von Liebenfels (†1534) war der Sohn des Baders Hans Lanz von Liebenfels, Hofmeisters und Rats des Herzogs Sigmund von Österreich, und der Anna Brun von Tettikofen. Sein Vater hatte 1474 Konstanz verlassen, um sich in Liebenfels bei Mammern (Bezirk Frauenfeld) anzusiedeln, wo er vom Konstanzer Bischof mit der dortigen Burg belehnt wurde. Seither nannte sich die Familie Lanz von Liebenfels. Heinrich Lanz von Liebenfels war Stadtammann in Konstanz und seit 1489 Herr zu Liebenfels. Um 1510 erscheint er als Gerichtsherr zu Gündelhart und 1502–1534 als Gerichtsherr von Thurberg. Verheiratet war er seit 1517 mit Agnes Muntprat, der Schwester Sebastians (TG_16; Giger, 1993, S. 88, 101, 115; Bodmer, S. 36f.; Kindler von Knobloch, Bd. III, 1919, Stammtaf. S. 174; Knoepfli, 1947). Die Allianzwappen dieses Ehepaares finden sich auch an einem Kamin im Schloss Liebenfels eingehauen.
Da auf vorliegender Scheibe eine Edeldame als Schildhalterin auftritt, stellt sich die Frage, ob die Initiative zu dieser Stiftung von der Gemahlin des Heinrich Lanz von Liebenfels ausging. Vom gleichen Stifterpaar sind zwei weitere Scheibenstiftungen bekannt. Während davon die eine vormals in der Sammlung des Kronprinzen Ruprecht von Bayern war und ebenfalls die beiden Wappen in Begleitung einer vornehmen Schildhalterin zeigt (Bodmer, 1940, Abb. 44), befindet sich die andere im Fugger-Museum zu Augsburg (Bodmer, 1940, S. 36f.).
Ermatingen unterstand dem Kloster Reichenau, dessen Abt Kollator, Grundherr und Gerichtsherr war. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert hatte die Ortschaft einen Kleinen und Grossen Rat sowie ein eigenes Gericht (Rothenbühler, 2004). 1520 bat Ermatingen die Eidgenossen, in sein nach der Zerstörung im Schwabenkrieg wieder aufgebautes Rathaus Wappenscheiben zu stiften (Eidgenössische Abschiede 3/2, S. 1251, 26. Juli 1520). Wie die vier von dort stammenden Allianzwappenscheiben zeigen (TG_16, TG_17; TG_18, TG_19), stifteten damals auch verschiedene Konstanzer Privatpersonen in das Rathaus. Als Herr zu Liebenfels sowie als Gerichtsherr zu Thurberg war Heinrich Lanz von Liebenfels in Ermatingen benachbarten Orten tätig.
Eine der vier Allianzscheiben, die Stiftung von Hans Jakob von Ulm und Barbara Zum Thor, trägt das Monogramm des Konstanzer Glasmalers Ludwig Stillhart.
In den beiden Oberbildern wird das zu Beginn des 16. Jahrhunderts beliebte Thema der Weibermacht oder Weiberlist dargestellt (vgl. Lata, 2017, S. 89). Links reitet Phyllis auf Aristoteles, rechts schneidet Delila Samson die Haare ab. Nach der mittelalterlichen Erzählung, war Aristoteles als Lehrer des Alexander, Sohn eines mazedonischen Königs, angestellt. Alexander verliebt sich in Phyllis, ein Mädchen aus der Gefolgschaft der Königin und kann sich in der Folge nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren. Aristoteles tadelt ihn dafür und erreicht, dass die Liebenden getrennt werden. Phyllis will sich deswegen an Aristoteles rächen. Sie verführt Aristoteles und bringt ihn dazu, sich von ihr satteln und reiten zu lassen. Dieses Schauspiel beobachten einige Hofdamen und die Königin. Daraufhin ist Aristoteles der Lächerlichkeit und der Schande preisgegeben und flieht. Sowie die Macht der Frau und der Liebe über die Weisheit des Aristoteles triumphiert, wird in der biblischen Geschichte von Samson und Delila die Stärke des Mannes besiegt. Der gottgeweihte Samson verliebte sich in Delila, und lüftete auf ihr hartnäckiges Fragen das Geheimnis seiner unbesiegbaren Stärke. Sie verriet ihn darauf an die Philister, welche ihm die kraftgebenden Haare abschnitten (Ri 16). In bildlichen Darstellungen ist es oft Delila selbst, welche ihm die Locken abschneidet.
Paul Boesch sieht in der Darstellung von Aristoteles' Minneritt eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Stich des Hausbuchmeisters von ca. 1480 (Boesch 1947, 26, T.1a). 1521 zeichnete Urs Graf dieses Motiv ebenfalls in vergleichbarer Weise. Grafs Riss diente als Vorlage für die 1527 entstandene Scheibe mit Aristoteles und Phyllis im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich (Inv. LM 12817; Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 179).
Die Scheibe wird genannt in:
Boesch, 1947, S. 26, Taf. 2b.
Knoepfli, 1947, Nr. 227, Abb.
Knoepfli, 1950, S. 144.
Das Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 39.
Früh, 2001, S. 54.
Knoepfli, 2001, S. 43, Farbtaf.
Raimann/Erni, 2001, S. 87.
Hasler, 2010, S. 336.
Abegg/Erni/Raimann, 2014, S. 172.
Bergmann, 2014, Bd. 2, S. 872, Anm. 14.