Franz Wech († 1697) aus Konstanz gelangte im Bischofszeller Stift St. Pelagius am 2. Mai 1652 zur ersten Possession. 1654 als Messmer amtend, durchlief er dort wie Tschudi sämtliche Ehrenämter (Boesch, 1947). Seine vorliegende Rundscheibe gehört zu einem Zyklus von mindestens sechs Scheiben der Chorherren des St. Pelagistifts und der Stadt Bischofszell aus dem Jahr 1660. Auf die Stiftung der Stadt bezieht sich der Eintrag in den städtischen Altratsrechnungen vom 21. April 1660: “Herrn Hans Kaspar Büeler von Schwyz umb ein Fenster undt schilt ihn seinen Neuwen Bauw vorrhat undt zallt fl. 8.-.” (Bürgerarchiv Bischofszell, Boesch, 1947). Neben den fünf Scheibenstiftern Tschudi, Büeler, Pfyffer, Wech und Reiffel gehörten 1660 drei weitere Personen, nämlich Franziskus Brandenberg, Hans Peter zum Brunnen und Kaspar Gallati, zum Chorherrenstift (Boesch, 1947, Anm. 2). Dass der Zyklus einstmals ebenfalls Glasgemälde von ihnen enthielt, ist mehr als wahrscheinlich. Mit Franz Karl Büeler zählte zu den genannten Chorherren auch der Sohn des aus Schwyz gebürtigen, in der Quelle genannten Hans Kaspar Büeler, der mit Thabita Tanner von Tau und Bollenstein verheiratet war und 1660 als konstanzisch-bischöflicher Obervogt in Bischofszell amtete. In seinen Artikeln von 1947 und 1951a ging Boesch davon aus, dass der Zyklus für ein von Büeler damals in Schwyz neu errichtetes Wohnhaus bestimmt war. Weil Büeler bis zu seinem Tod im Jahr 1664 in Bischofszell lebte, ist Albert Knoepfli (1962, S. 326–328) aber beizupflichten, dass dieser den in der Rechnung genannten “neuen Bau” um 1660 in Bischofszell erstellte. Laut Knoepfli dürfte es sich dabei um das ehemalige Ottsche Fideikommiss am Hofplatz Nr. 26 handeln. Dieses Gebäude gelangte 1662 durch Kauf an den oben erwähnten Sohn des bischöflichen Obervogtes. Da aber die Scheiben von 1660 und nicht 1662 datieren, ist ein anderes Gebäude als ursprünglicher Bestimmungsort wahrscheinlicher. 1660 konnte die unter dem Einfluss der Chorherren des St. Pelagistifts stehende katholische Stadtschule eingerichtet werden. Sie zog damals in das 1636 vom Stift erworbene Haus an der Schattengasse 41 in Bischofszell ein (Knoepfli, 1962, S. 132). Da Hans Kaspar Büeler als konstanzisch-bischöflicher Obervogt in Bischofszell wohl als Bauherr der Schule fungierte, könnte diese sehr wohl als “seinen Neuwen Bauw” bezeichnet worden sein. Eine Schule als Bestimmungsort liefert auch eine Erklärung für das ungewöhnliche, theologisch komplexe Bildprogramm der sechs Scheiben (siehe unten).
Die sechs stilistisch einheitlichen Scheiben können aufgrund der auf der Stiftung von Franz Heinrich Ludwig Pfyffer vorhandenen Meistersignatur HHP dem Luzerner Glasmaler Hans Heinrich Probstatt zugewiesen werden. Der Besteller dieser Scheibe, Chorherr Pfyffer aus Luzern, war es wohl auch, der Probstatt in seiner Heimatstadt den entsprechenden Auftrag zuhielt. Dieser komponierte alle sechs Werke in analoger Weise, indem er im unteren Drittel jeweils das Wappen mit der Stifterinschrift und darüber die von einem Lorbeerkranz und einer Schriftrolle mit der Bildlegende umrahmte biblische Darstellung festhielt. Diese biblischen Darstellungen beruhen auf den zehn Kupferstichen, die Léonard Gaultier (1561–1641) für Guillaume de Requieus “Conférence des figures mystiques” [1602] schuf. Die Stiche zeigen Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament, die einander gegenüber gestellt werden. De Requieus theologisches, antiprotestantisches Traktat diskutiert die aus der Gegenüberstellung entstehenden Bezüge (vgl. Engert, 2018, S. 157). Tamara Engert untersuchte jüngst die nach denselben Vorlagen zwischen 1612 und 1622 geschaffenen monumentalen Glasmalereien in der Kirche Saint-Etienne-du-Mont in Paris. Die Darstellung auf der vorliegenden Rundscheibe entspricht bis ins Detail dem “tableau VI” aus der “Conférence”, nur wurde die Komposition von einem Hochformat in ein Querformat übertragen und der zentrale Stab als Gliederungselement eingefügt. Hier wird ein typologischer Bezug zwischen dem Mannawunder und Christus, der in der während der Eucharistie verehrten Hostie gegenwärtig ist, erstellt. (vgl. Engert, 2018, Abb. 185, S. 185).
Diese Vorlage dürfte dem Glasmaler Probstatt durch einen Angehörigen des Bischofszeller Chorherrenstiftes St. Pelagius, der de Requieus “Conférence” kannte, vermittelt worden sein.
Die betreffenden sechs Glasgemälde finden sich in zwei im Bernischen Historischen Museum erhaltenen alten Verzeichnissen erwähnt, die ihrem Schriftcharakter zufolge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (sicher nach 1803) von unbekannter Hand erstellt und von Paul Boesch 1951 publiziert wurden (Boesch, 1951a). Darin ist die Bildlegende der Scheibe von Franz Wech noch vollständig wiedergegeben.
Die Scheibe wird genannt in:
Boesch, 1947, S. 50–59, Abb. 5.
Boesch, 1951, S. 53.
Boesch, 1951a, S. 236–238.
Knoepfli, 1962, S. 326–328.
Ortsmuseum Bischofszell, 1971, S. 38 (ausgestellt im Raum XIII).
Knoepfli, 1975, S. 31.
Reinhart, 1999, S. 45.