Forschung
Möglicherweise war es Matthäus Ensinger, der selbst mit einer Wappenscheibe in der Kirche vertretene Vogt von Wangen, der sich anlässlich des 1515 errichteten Neubaues darum bemühte, dass ausser Bern weitere Stände und Institutionen dorthin Fenster und Wappen schenkten. Bern selbst machte seine Stiftung 1515, die meisten anderen Donatoren wohl aber etwas später, zum Teil vielleicht ab 1519 im Anschluss an die Übernahme des Kirchensatzes durch Bern.
Bei dieser Scheibe lässt sich nicht schlüssig beantworten, ob das darauf festgehaltene Wappen sich auf die Stadt Liestal oder den Basler Bischof Christoph von Utenheim (um 1450–1527) bezieht. Zu Fragen Anlass bietet diesbezüglich der erneuerte niedere, rote Schildfuss. Sollte derselbe korrekt ergänzt sein, dann müsste sich das Wappen auf die Stadt Liestal beziehen, deren altes Wappen auf den Siegeln von 1407 und 1569 den aus der unteren Schildhälfte emporwachsenden Krummstab zeigt. Im Wappen des Bistums Basels erscheint der Krummstab hingegen seit jeher schwebend, das heisst nie auf dem Schildfuss stehend. Es kann sich demnach nur dann um eine Stiftung des Basler Bistums handeln, wenn das Wappen falsch ergänzt ist. Wie Berchtold Weber richtig bemerkt, kommt für die Kirche Ursenbach eine Schenkung des Basler Bischofs Christoph von Utenheim freilich weit eher in Frage als eine solche Liestals, umso mehr als die Scheibe dessen Namenspatron darstellt. Wegen des vorhandenen Schildfusses muss man die Stadt Liestal aber gleichwohl als mögliche Stifterin in Betracht ziehen (Mitteilung Berchtold Webers in Bern, 15. 10. 2014).
Christoph von Utenheim (um 1450–1527) entstammte einem elsässischen Adelsgeschlecht. Er studierte ab 1460 in Erfurt und wurde 1466 Magister artium. Nach seiner Niederlassung in Basel wurde er dort Rektor der Universität (1473/74), Domherr (1475), Domkustos (1486), Statthalter und Vertreter des Bischofs Kaspar zu Rhein (1499) sowie 1502 schliesslich dessen Nachfolger. In den turbulenten Zeiten der Reformation versuchte er mit Hilfe seines Koadjutors Niklaus von Diesbach in Verhandlungen mit Basel, Solothurn und Bern die weltlichen Besitzrechte des Basler Bistums zu sichern. Als die Stadt Basel ab 1524 die neue Lehre zu tolerieren begann, zog er sich nach Pruntrut zurück, wo er noch vor dem Durchbruch der Reformation verstarb (HLS 12/2013, S. 703f.).
Nach Hans Lehmann sollen die Ursenbacher Scheiben mit Ausnahme derjenigen Solothurns von Jakob Stächeli (Stäheli) stammen. Von Stächeli kennt man jedoch weder signierte noch durch Schriftquellen bezeugte Glasgemälde. Dass dieser Berner Glaser auf Glas malte, ist demnach nicht erwiesen (Anderes 1963, S. 125) und Lehmanns Zuschreibung somit nicht stichhaltig. Weil die zwischen 1515 und 1523 in die Kirche Ursenbach gekommenen Scheiben stilistisch keine wirklich homogene Gruppe bilden, muss an ihrer Herstellung mehr als ein Glasmaler beteiligt gewesen sein. Um welche es sich dabei handelte, lässt sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht schlüssig beantworten und ebenso wenig die Frage, wie diese organisiert waren, d. h. ob sie verschiedenen Werkstätten angehörten oder ob sie für das Projekt in Ursenbach zeitweilig in einer Werkstattgemeinschaft zusammenarbeiteten.
Laut Egbert Friedrich von Mülinen (1872) wurden die alten Glasgemälde nach der Restaurierung Röttingers von diesem in den Fenstern "unrichtig und bunt durcheinander" eingesetzt. Nach Franz Thormann und Wolfgang Friedrich von Mülinen (1896) soll sich die vorliegende Scheibe zusammen mit derjenigen der Stadt Basel ursprünglich im "2. Fenster der Südseite" des Langhauses befunden haben.
Datierung
um 1523
Zeitraum
1517 – 1523
StifterIn
Liestal, Stadt? · Utenheim, Christoph von (um 1450–1527), Bischof von Basel?
Herstellungsort
Eigentümer*in
Kirchgemeinde Ursenbach.
Die Unterhaltspflicht der zwölf 1901 im Chor befindlichen Glasgemälde damals vom Staat Bern zusammen mit dem Chor an die Kirchgemeinde abgetreten (nach dem am 1. April 1940 überarbeiteten Verzeichnis der Glasgemälde in den Kirchenchören des Kantons Bern, erstellt 1936 von B. von Rodt; Staatsarchiv Bern, Inv. BB 05.7.343).