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BE_761: Figurenscheibe mit hl. Mauritius und dem vermutlichen Wappen von Hans Müller
(BE_Worb_refK_Mauritius)

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Titel

Figurenscheibe mit hl. Mauritius und dem vermutlichen Wappen von Hans Müller

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Herstellungsort
Datierung
1522
Masse
82.5 x 51.5 cm im Licht

Ikonografie

Beschreibung

Vor blauem Damastgrund steht auf kargem braunem Boden der hl. Mauritius. Der in einen stahlblauen Vollharnisch gekleidete, auf seinem blond gelockten Kopf eine Zindelbinde mit Federbusch tragende Heilige hält in den Händen seinen Schild und sein Banner. Darauf erscheint wie auf seinem Brustpanzer das silberne Treffelkreuz (Kleeblattkreuz) auf rotem Grund. Vor der Figur ist über dem Boden das einen Brunnen darstellende Stifterwappen festgehalten (s. u.). Mauritius umrahmt eine schlichte spätgotische Säulenarkade mit der Jahreszahl 1522 auf der Tafel am Bogenscheitel. Die Bogenzwickel füllt Blattwerk in Grisaillemalerei.
Das Glasgemälde bildet das Gegenstück zur Scheibe mit dem hl. Ursus.

Iconclass Code
11H(MAURICE) · Mauritius von Agaunum, Kriegerheiliger und Märtyrer, Befehlshaber der Thebäischen Legion; mögliche Attribute: Banner, Lanze, Schild (mit Kleeblattkreuz)
46A122 · Wappenschild, heraldisches Symbol
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Brunner: in Blau ein silberner Brunnen

Inschrift

1522.

Signatur

Keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Der rechte Arm des Heiligen und das angrenzende Damaststück sowie der Brunnentrog mit einem weiteren Glasstück im Wappen neu ergänzt; Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Restaurierungen
1520er Jahre: Hans Lehmann und, ihm folgend, Fritz Engler, gehen davon aus, dass viele der 1521/22 in die Kirche gestifteten Scheiben infolge eines Unwetters (Hagelschlag) bereits kurz nach ihrer Entstehung restauriert werden mussten (Engler: "alle Scheiben im Chor und auf der Nordseite"). Nach Lehmann sollen bei dieser Restaurierung viele Scheibenteile von zwei Händen ergänzt worden sein, nämlich einerseits von Jakob Wyss (u. a. soll er mehrere Inschriften erneuert haben) und andererseits von Hans Funk. Dass namentlich im Chor bereits in den 1520er Jahren Glasgemälde zu reparieren waren, ist zwar denkbar. Wie bereits Heinz Matile feststellte (Kat. Manuel 1979, S. 53), lassen sich die allenfalls um oder kurz nach 1522 eingesetzten Ergänzungen aus heutiger Sicht jedoch kaum mehr sicher eruieren und ebenso wenig einer bestimmten Restauratorenhand zuweisen.
17./18. Jahrhundert: Laut Hans Lehmann sollen im betreffenden Zeitraum grössere Restaurationen (mit Ergänzungen) durchgeführt worden sein (Notizen Lehmanns in Unterlagen von Heinz Matile, BHM Bern).
Ende 19. Jahrhundert: Laut Hans Lehmann gab es damals eine Scheibenrestaurierung durch Johann Heinrich Müller, Bern (Notizen Lehmanns in Unterlagen von Heinz Matile, BHM Bern).
1932/33 Glasmaler Eduard Boss, Bern: Neuverbleiung der Glasgemälde (laut Fritz Engler soll Boss damals die in vielen Scheiben enthaltenen "abstossenden Flickstücke" nicht ersetzt haben).

Technik

Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit vorderseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Die sechs nicht zum zwölfteiligen Scheibenzyklus im Chor gehörenden Glasgemälde gelangten gleichfalls zur Zeit der Chorerneuerung, das heisst um 1521/22, in die Kirche. Weil man damals auch das Langhaus mit neuen Fenstern versah, liegt die Annahme nahe, dass sie für diese bestimmt waren. Nach Johann Rudolf Rahn (1882) sowie Franz Thormann und Wolfgang Friedrich von Mülinen (1896) befanden sich die sechs betreffenden Scheiben gegen Ende des 19. Jahrhunderts jedenfalls im Kirchenschiff.

Weil es sich beim Schildbegleiter, dem hl. Mauritius, um den Kirchenpatron Worbs handelt, spricht Vieles dafür, dass der Scheibenstifter aus diesem Ort stammte. Hans Lehmann betrachtet so die Scheibe als Schenkung eines unbekannten reichen Worber Bauern namens Brunner. Laut Murielle Schlup gab es 1522 in Worb einen Wirt namens Wolfgang Brunner (Worber Rodel von 1522). Sollte er der Stifter sein, dann müsste nach Schlup das Gegenstück mit dem hl. Ursus das Wappen seiner Frau darstellen. Schlup vermutet jedoch, dass das "I" auf diesem Wappen für "Jaberg" steht. Die Doppelstiftung mit den Heiligen Mauritius und Ursus wäre somit auf das im Jahrzeitbuch von Worb erwähnte Ehepaar "Hennsli Müller", Kirchmeier von Richigen, und "Elssen Jaberg" zu beziehen. Laut Mitteilung von Berchtold Weber (März 2015 in Bern) spricht Vieles für die Annahme Schlups, das heisst das Wappen mit dem "I" auf dem "Berg" dürfte als "Jaberg" zu verstehen sein. Man hätte es demnach mit einem "Rebus-Wappen" zu tun (solche erfreuten sich seit dem hohen Mittelalter einer gewissen Beliebtheit). Sofern dies zutrifft, muss das Wappen mit dem Brunnen dasjenige von Hans Müller, dem Gemahl Elisabeth Jabergs, sein.

In seiner im September 1913 erstellten Schätzung der Worber Glasgemälde datiert Hans Lehmann die zwei Scheiben mit den Heiligen Mauritius und Ursus in die Zeit um 1500. Dieselben müssten demnach für die Vorgängerkirche bestimmt gewesen und, schadhaft geworden, 1522 restauriert und in den erneuerten Bau übernommen worden sein. Wie bereits dargelegt wurde, ist es aus heutiger Sicht nicht möglich, allenfalls sehr früh in die Scheiben eingefügte Ergänzungen als solche sicher zu erkennen. Weil die beiden hier zur Diskussion stehenden Werke ungefähr die gleichen Masse besitzen wie die vier anderen 1522 ins Kirchenschiff gelangten Glasgemälde, werden vielmehr auch sie erst damals geschaffen worden sein. Lehmann vergleicht diese beiden Werke mit den Glasgemälden von 1512 in der Kirche Sumiswald, namentlich mit der dortigen Mauritiusscheibe des Lütold von Sumiswald. Die Sumiswalder Glasmalereien von 1512 als Arbeiten Hans Dachselhofers betrachtend, spricht er auch die beiden in Worb diesem Berner Meister zu. Da von Dachselhofer keine gesicherten (signierten) Werke existieren, erweist sich seine Zuschreibung aber als eine reine Hypothese (vgl. dazu Sumiswald). Die beiden Worber Figurenscheiben mit den Ritterheiligen erinnern in der Komposition an die Ursenscheiben, die Solothurn um 1515 in die Kirche Jegenstorf und 1518 in diejenige von Hindelbank schenkte. Mit der Jegenstorfer, die vermutlich in der Werkstatt Jakob Meyers entstand, besitzen sie freilich keinerlei Stilverwandtschaft. In ihrer Figurengestaltung sind zumindest aber gewisse Analogien zu der von Hans Lehmann mit Jakob Wyss in Verbindung gebrachten Ursenscheibe auszumachen, die 1911 in der Kirche Hindelbank verbrannte und deren Fragmente sich heute im Bernischen Historischen Museum befinden (BHM Bern, Inv. 8556; Lehmann, ASA NF 16/1914, S. 224, Abb. 9a und 18/1916, S. 227). Ob die beiden Worber Scheiben von der gleichen Hand wie die zerstörte Hindelbanker stammen, bleibt gleichwohl fraglich. Von wem sie geschaffen wurden, lässt sich beim heutigen Kenntnisstand nicht schlüssig beantworten.

Datierung
1522
Herstellungsort
Eigentümer*in

Kirchgemeinde Worb.
Die Unterhaltspflicht der dreizehn 1901 im Chor befindlichen Glasgemälde damals vom Staat Bern zusammen mit dem Chor an die Kirchgemeinde abgetreten (nach dem am 1. April 1940 überarbeiteten Verzeichnis der Glasgemälde in den Kirchenchören des Kantons Bern, erstellt 1936 von B. von Rodt; Staatsarchiv Bern, Inv. BB 05.7.343).

Bibliografie und Quellen

Literatur

Egbert Friedrich von Mülinen, Beiträge zur Heimathkunde des Kantons Bern deutschen Theils, Viertes Heft. Mittelland. III. Papiermühle–Zuzwyl, Bern 1883, S. 311.

Johann Rudolf Rahn, Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler. IV. Canton Bern, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, Januar 1882, Nr. 1, S. 252.

Hermann Kasser, Die Kirche von Worb und ihre Glasgemälde, Sep.-Abdruck aus: Kirchliches Jahrbuch für den Kanton Bern 1893, Bern 1893, S. 26–29.

Franz Thormann/Wolfgang Friedrich von Mülinen, Die Glasgemälde der bernischen Kirchen, Bern o. J. [1896], S. 22, 30, 96.

Heinrich Oidtmann, Geschichte der Schweizer Glasmalerei, Leipzig 1905, S. 247.

Hermann Schmitz, Die Glasgemälde des königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin. Mit einer Einführung in die Geschichte der deutschen Glasmalerei, Bd. 1, Berlin 1913, S. 184.

Hans Lehmann, Die Glasmalerei in Bern am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde NF 16/1914, S. 213f., Abb. 5 (Hans Dachselhofer).

Fritz Engler, Geschichte der Kirche Worb. Gedenkblatt zur Erinnerung an die Renovation 1932/33, Worb 1933, S. 8–12.

Jürg Schweizer, Kunstführer Emmental, Wabern 1983 (2. Aufl.), S. 131.

Samuel Rutishauser, Kirche Worb (Schweizerische Kunstführer), Bern 1985, S. 11–15.

Walter Gfeller, Auf den Spuren alter Wappen im Oberaargau, in: Jb. des Oberaargaus 36/1993, S. 120.

Murielle Schlup, "dem heiligen Sant mauritzien an sinen buw". Die Kirche von Worb im Mittelalter, in: Worber Geschichte, Bern 2005, S. 395f., Farbabb. 27.

Unterlagen von Heinz Matile im Bernischen Historischen Museum Bern (Kopien im Vitrocentre Romont; u. a. mit Schätzung der Scheiben und handschriftlichen Notizen Hans Lehmanns vom 10. 9. 1913).

Vgl.

Hans Lehmann, Die Glasmalerei in Bern am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde (Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde).

Weiteres Bildmaterial

Denkmalpflege Kt. Bern, Neg. Hesse B 1485, Neg. Howald 06485; SNM Zürich, Neg. 8388 (Hans Dachselhofer)

Bildinformationen

Name des Bildes
BE_Worb_refK_Mauritius
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2015
Copyright
© Reformierte Kirchgemeinde Worb
Eigentümer*in

Kirchgemeinde Worb.
Die Unterhaltspflicht der dreizehn 1901 im Chor befindlichen Glasgemälde damals vom Staat Bern zusammen mit dem Chor an die Kirchgemeinde abgetreten (nach dem am 1. April 1940 überarbeiteten Verzeichnis der Glasgemälde in den Kirchenchören des Kantons Bern, erstellt 1936 von B. von Rodt; Staatsarchiv Bern, Inv. BB 05.7.343).

Inventar

Referenznummer
BE_761
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2016; Sarah Keller 2016; Patricia Sulser 2016

Weiteres Bildmaterial und verwandte Objekte

Zusätzliches Bildmaterial
Schema