Forschung
Die vorliegende Scheibe wird von Hans Lehmann zusammen mit der Bannerträgerscheibe der Stadt Thun als Stiftung dieses Ortes angesprochen. Die unterschiedlichen Rahmungen beider Werke führt derselbe dabei auf in Folge eines Unwetters im Jahr 1521 eingesetzte Ergänzungen zurück. Den Grössenunterschied der Figuren hinwiederum erklärt er mit unterschiedlichen Vorlagen (Lehmann 1915). Der heutige Zustand der Gläser lässt jedoch keine Ergänzungen vermuten. Ebensowenig überzeugt die Erklärung, der Glasmaler habe mit unterschiedlichen Vorlagen gearbeitet. Doppelstiftungen sind stets nach demselben Kompositionsschema gestaltet und die Figuren folgen demselben Grössenmassstab. Ausserdem sind bislang keine weiteren Doppelstiftungen der Stadt Thun bekannt (vgl. Hofer 1902/03). Naheliegender ist es, in der Scheibe mit dem hl. Mauritius eine Stiftung des Standes Luzern zu sehen. So zeigt etwa dessen um 1519 in die Kirche Ursenbach verehrte Scheibe die beiden Patrone dieses Ortes, den hl. Leodegar und den hl. Mauritius. Dass Luzern um 1515 in die Kirche Jegenstorf eine Doppelscheibe mit seinen beiden Patronen schenkte, wäre an sich durchaus vorstellbar.
Da die Stiftung Thuns nach Jegenstorf durch dessen Stadtrechnungen als Werk Jakob Meyers belegt ist (siehe dort), betrachtet Lehmann auch die vorliegende Scheibe als Schöpfung dieses Glasmalers (Lehmann 1915). Nach obigen Ausführungen ist von dieser Annahme Abstand zu nehmen, zumal die für Meyer quellenkundlich gesicherte Freiburger Stiftung in Jegenstorf zwar dem Thuner Bannerträger eng verwandt ist, jedoch nicht dem hl. Mauritius. Die Berner Stiftung, insbesondere die beiden Figuren, die das Reichswappen halten, weisen hingegen enge stilistische Parallelen dazu auf. Bern gab seine Stiftung zwar bei Hans Sterr in Auftrag, aber wie stilistische Unterschiede innerhalb der sechs betreffenden Scheiben deutlich machen, hat dieser dieselben sicher in Zusammenarbeit mit mindestens einem anderen Glasmaler, wohl Jakob Meyer, hergestellt (s. d.). Stilistisch verwandt ist auch Freiburgs Scheibe mit dem hl. Nikolaus in der Kirche Ursenbach. Das Damastmuster ist darauf das gleiche wie bei der Mauritiusscheibe in Jegenstorf, d. h. es wurde dafür wohl dieselbe Schablone verwendet (so bereits Heinz Matile, in: Kartei Ortskatalog Glasgemälde, Bernisches Historisches Museum). Allerdings reichen die betreffenden Werke in Ursenbach von ihrer Qualität her nicht ganz an die von Meyer und Sterr gefertigten Scheiben in Jegenstorf heran. Einiges spricht deshalb dafür, dass sie nicht von diesen Glasmalern selbst, sondern von einem anonym bleibenden Berufskollegen aus ihrem Umkreis stammen.
Datierung
um 1515
StifterIn
Herstellungsort
Eigentümer*in