Forschung
Über den Thuner Bürger und ehemaligen Siechenvogt Johannes Lang ist bislang nichts bekannt. Seine Scheibe könnte aber aufgrund ihrer Bildaussage durchaus ins alte Spital von Thun gelangt sein.
Der mit reichlichen und köstlichen Lebensmitteln beladene Esel ist ein Sinnbild des Geizes, denn ebenso wie der Reiche, der sich das Beste leisten könnte und aus Geiz darbt, frisst er nur Disteln, während andere von der guten Speise, die er auf seinem Rücken trägt, profitieren. In der Renaissance wurde die Geschichte des distelfressenden Esels aus den Fabeln des Aesop von Andrea Alciati in seine Emblemata (1531, Emblem 86) als Bild des Geizes übernommen. Schon in der dortigen Illustration trägt der Esel eine Schatztruhe und einen Stab mit Würsten und Geflügel auf dem Rücken. Zahlreiche Autoren und Illustratoren folgten dem weitverbreiteten Vorbild, so auch Marcus Gheeraerts der Ältere in "De warachtighe fabulen der dieren" 1567. Die vorliegende Scheibe wurde nach einem Emblem Christoph Murers gestaltet, das in den "XL Emblemata miscella nova" 1622 in Zürich erschien (Emblem XVI: Geitz: Ein anders // Avaritia; Vignau-Wilberg 1982, Abb. 49). Die Radierungen sollten ursprünglich eine erweiterte Fassung des Dramas über die Verfolgung der orthodoxen Christen in Edessa illustrieren. Sie lehnen sich stark an die südniederländische Graphik, namentlich die genannten Radierungen des Niederländers Marcus Gheeraerts an (Vignau-Wilberg 1978, S. 19, Abb. 15). Der Glasmaler übernahm das Vorbild Murers in allen Teilen, auch die Bildinschrift entspricht dem Text der Emblemata, die der Glasmaler Johann Heinrich Rordorf in Zürich verfasst hatte.
Der Hersteller der Scheibe ist bislang nicht identifiziert. In der Behandlung der Landschaft ähnelt ihr jedoch die ovale Wappenscheibe der Landschaft Lauterbrunnen von 1658, die der Glasmaler Matthias Zwirn mit seinem Monogramm versah (Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Inv. LM 6375; Schneider 1971, Bd. 2, Kat.-Nr. 607).
Datierung
1650
StifterIn
Lang, Johannes (Hans), Siechenvogt Thun
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 1916 Bernisches Historisches Museum
Vorbesitzer*in
Bis 1916 Sammlung Knechtenhofer, Thun.
Inventarnummer
BHM 8956