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FR_27: Wappenscheibe des Kapitels St. Nikolaus 1517
(FR_Freiburg_MAHF_FR_27)

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Titel

Wappenscheibe des Kapitels St. Nikolaus 1517

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Räschi, Rudolf · zugeschrieben
Datierung
1517

Ikonografie

Beschreibung

Vor rotem Damastgrund begleiten zwei auf Rasenboden stehende Engel mit blassgrünen Flügeln den Wappenschild des Kapitels St. Nikolaus. Beide sind blondgelockt und tragen weisse Alben mit gelben Bändern, die sie gemeinsam über dem Wappen zu einer Schlaufe zusammenhalten. Über den vor vierkantigen Pfeilern stehenden Kandelabersäulchen, die in der Mitte keulenartig anschwellen und mit Blattwerk geschmückt sind, setzt ein Halbbogen an, dessen Fläche mit fleischigem Akanthuslaub geschmückt ist. Davor steht links der hl. Nikolaus in Pontifikalkleidung. In der Rechten hält er den Krummstab, mit der Linken wirft er eine goldene Kugel, die rechts von einer der drei Jungfrauen aufgefangen wird. Ihre beiden Schwestern halten schon je eine Kugel in den Händen.

Iconclass Code
11G · Engel
11H(NICHOLAS) · der Bischof Nikolaus von Myra (oder Bari); mögliche Attribute: Anker, Boot, drei goldene Kugeln (auf einem Buch), drei Geldbörsen, drei Kinder in einer Wanne, drei Mädchen
44A1(+6) · Wappen (als Staatssymbol etc.) (+ Kirche, Kloster; ekklesiastische Gemeinschaft)
Iconclass Stichworte
Anker · Ball · Bari · Bischof · Boot · Buch · drei · Engel · Geldbeutel · Kind · Maedchen · Myra · Nikolaus (Heiliger) · Wanne · Wappen
Heraldik

Wappen Kapitel St. Nikolaus: In Blau über blauen Wolken ein goldenes Armreliquiar mit segnender silberner Hand.

Inschrift

Stifterinschrift: CLERVS . SANCTI . NICOLAI FRIBVRGENSIVM . PATRONI . 1517.

Signatur

Keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Erhaltung: Notbleie und zahlreiche kleinere Sprünge. Eine kleine Ergänzung im Oberbild.

Technik

Farbloses, blaues, mittelblaues, grünes, hellgrünes, graugrünes und rotes Glas. Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb in verschiedenen Farbstufen.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Die vorliegende Scheibe besitzt neben der künstlerischen auch eine besondere historische Bedeutung: Im Jahr 1512 wurde der damalige Schultheiss Peter Falck mit der Aufgabe betraut, beim Papst um die Erhebung der Pfarrkirche St. Nikolaus in ein dem Papst direkt unterstelltes Kollegiatsstift anzuhalten. Falck reiste nach Rom, wo er vom Kardinal Schiner in dieser Angelegenheit unterstützt wurde. Er erreichte sein Ziel. Mit der von Papst Julius II. erlassenen Bulle des Jahres 1512 wurde das Freiburger Kollegiatsstift eingerichtet; der erste Propst und die weiteren Würdenträger wurden jedoch erst 1515 vom Rat in ihr Amt eingesetzt (Zur Geschichte des Kollegiatsstiftes s. Brasey 1912; Dubois 1922; Strub. Kdm FR II. 1956. S. 6; Trésor/Kirchenschatz 1983. S. 21–22, 28; HS II, 2. 1977. S. 275–281; Chapitre Saint-Nicolas/Kapitel St. Nikolaus 2010). Möglicherweise stiftete das Kapitel die Scheibe in eine ihm inkorporierte Pfarrei und brachte auf diese Weise gleichsam ihr Besitzersiegel an (Anderes 1963. S. 144; Schmid 1948/49. S. 26). Hier käme zwar v. a. Autigny in Frage, dessen Kirchensatz 1517 dem Kollegiatsstift anvertraut wurde (Vevey 1948. S. 106; Anderes 1963. S. 144, Anm. 2. Es gehörte zu den vier durch die päpstliche Bulle von 1512 dem Stift inkorporierten Pfarreien, konnte aber erst 1517 durch das Kapitel in Besitz genommen werden, Vgl. Schmid 1948/49. S. 26; HS II, 2. 1977. S. 279, Anm. 12). Die Kapitelscheibe gehörte jedoch allem Anschein nach zu einer Serie von Stiftungen, wurden doch gleichzeitig mit ihr zwei Gegenstücke gleicher Provenienz und aus gleicher Künstlerhand angeboten, von denen eins inzwischen auch den Weg ins Freiburger Museum gefunden hat (vgl. FR_26), was eher auf einen Kapellen- oder Kirchenneubau als Stiftungsanlass hinweisen dürfte (Die Angabe bei Schafer 1970. S. 15, die Scheibe sei 1647 in die Kapelle St. Wolfgang gekommen, entstand aufgrund einer falsch verstandenen Quelle im Kapitelsmanuale von St. Nikolaus III, S. 159. Er bezweifelte daher auch, dass sie ein Werk Räschis sei).
Es handelt sich hier sicher um die früheste bekannte Darstellung des Kapitelwappens, das als Schildbild jenes Armreliquiar abbildet, das in eben diesen Jahren angefertigt worden sein muss. Am 14.10.1514 billigte nämlich der Rat die Anfertigung des Reliquiars, das mit dem Stifterwappen Jean de Furnos versehen ist und das den 1506 mit päpstlicher Hilfe im Kloster Hauterive beschafften Oberarmknochen des hl. Nikolaus aufnehmen sollte (Strub. Kdm FR II. 1956. S. 16–17, 132–133, Abb. 132; Trésor/Kirchenschatz 1983. S. 114). Eine zweite Kapitelscheibe des gleichen Jahres 1517 wird im Schweizerischen Nationalmuseum Zürich aufbewahrt (Inv.-Nr. LM 72195; Foto Nr. SLM 124113. Ankauf 1991. Siehe: JL 100, 1991. S. 53; Bergmann 2014. Bd. 2.Abb. 27.1). Sie weist eine ganz ähnliche Inschrift auf, besitzt aber eine andere Ikonographie, stellt sie doch die Heiligen Nikolaus und Mauritius in einer Landschaft und ohne Wappenschild dar.
Bernard de Vevey schrieb die vorliegende Kapitelscheibe noch dem Berner Glasmaler Lukas Schwarz zu, während Alfred A. Schmid die Zuschreibung an Schwarz mit einem Fragezeichen versah. Rolf Hasler stellte die Scheibe in die Nachfolge von Arbeiten Urs Grafs, aus dessen Umkreis sich in Bern ein Scheibenriss mit zwei schildhaltenden Engeln erhalten hat. Am überzeugendsten erscheint die These Bernhard Anderes’, die Scheibe sei in das Werk Rudolf Räschis einzureihen, der gleichzeitig auch den Scheibenzyklus für die Kapelle in St. Wolfgang realisierte. Räschis Arbeit bleibt im ganzen Gepräge ihrer Ornamentik und Figuren den gotischen Formen verpflichtet. Auch die Kapitelscheibe in Zürich schliesst sich im Figurentypus dem Werk des Glasmalers an. Die dort dargestellte Landschaft fand als modernes und wegweisendes Motiv ebenfalls in den Scheiben aus St. Wolfgang Eingang in das Œuvre Rudolf Räschis (vgl. FR_22).
Hasler, 2023 (BEZG), S. 46f, Nr. 21.

Datierung
1517
Eingangsdatum
1948
Schenker*in / Verkäufer*in

Kunsthandel Galerie Fischer, Luzern

Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Gottfried Keller-Stiftung

Vorbesitzer*in

Die Scheibe befand sich im 19. Jahrhundert in der Sammlung Albert von Parpart auf Schloss Hünegg am Thunersee und wurde 1884 mit ihrem Gegenstück (Kat.-Nr. 26) in Köln (Heberle) versteigert. Aus einer Berliner Sammlung kam sie später in die Sammlung Widener nach Philadelphia und wurde 1948 in der Schweiz verkauft. Aus dem Handel erworben.

Inventarnummer
MAHF D 2006-529 (FGK 939)

Bibliografie und Quellen

Literatur

Catalog der Kunst-Sammlungen des verstorbenen Herrn Albert von Parpart auf Schloss Hünegg am Thuner-See. Versteigerung zu Köln den 20. Oktober 1884 durch J. M. Heberle (H. Lempertz’ Söhne). Köln 1884. S. 36, Nr. 500.

Schmid, Alfred A. Wappenscheibe des Chorherrenstiftes St. Nikolaus in Freiburg. In: Bericht der Gottfried Keller-Stiftung 1948 und 1949. S. 24–28 (Lukas Schwarz).

Vevey, Bernard de. Un vitrail aux armes du chapitre de St-Nicolas. In: Annales fribourgeoises 36, 1948, S. 101–107 (Lukas Schwarz).

Anderes, Bernhard. Die spätgotische Glasmalerei in Freiburg i. Ü. Freiburg 1963. S. 143–144, 189, Nr. 100, Abb. 121 (1517 datiert, Rudolf Räschi).

Witzleben, Elisabeth von. Bemalte Glasscheiben. Volkstümliches Leben auf Kabinett- und Bierscheiben. München 1977. S. 105, Abb. 102.

Landolt, Hanspeter. Gottfried Keller-Stiftung. Sammeln für die Schweizer Museen / Fondation Gottfried Keller. Collectionner pour les Musées Suisses / Fondazione Gottfried Keller. Collezionare per i musei svizzeri 1890–1990. Bern 1990. S. 88, 616.

Hasler, Rolf. Die Scheibenriss-Sammlung Wyss. Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bernischen Historischen Museum. 2 Bde. Bern 1996–1997. Bd. I. S. 82.

Saint-Nicolas. Les aventures du patron de Fribourg. Sous la direction de Jean Steinauer. Fribourg 2005. Abb. S. 157.

Bergmann, Uta. Die Freiburger Glasmalerei des 16.–18. Jahrhunderts / Le vitrail fribourgeois du XVIe au XVIIIe siècle (Corpus vitrearum Schweiz, Reihe Neuzeit, Bd. 6 / époque moderne vol. 6). 2 Bde / vol. Bern et al. 2014. Bd. 2. Kat.-Nr. 27.

Vgl.

Brasey, Gustave. Le chapitre de l’insigne et exempte collégiale de Saint-Nicolas à Fribourg, Suisse 1512–1912. Notice Historique. IVme Centenaire de la Fondation du V. Chapitre de Saint-Nicolas Fribourg 1512–1912. Fribourg 1912.

Dubois, Frédéric-Théodore. Les armoiries et la croix du Chapitre de St-Nicolas à Fribourg. In: Archives héraldiques suisses / Schweizer Archiv für Heraldik 1922, p. 96–104.

Strub, Marcel. Les monuments d’art et d’histoire du canton de Fribourg. Tome II: La ville de Fribourg. (Les monuments d’art et d’histoire de la Suisse vol. 36) Bern 1956.

Schafer, Josef. Licht und Salz. St. Wolfgang. Estavayer-le-Lac, Selbstverlag [1970].

Trésor de la Cathédrale Saint-Nicolas de Fribourg/Der Kirchenschatz des Niklausenmünsters in Freiburg. (Ausstellungskatalog Freiburg, Museum für Kunst und Geschichte 22. Juni–9. Oktober 1983) Fribourg 1983. S. 21–22, 28, 114.

Marchal, Guy P. (Red.). Die weltlichen Kollegiatsstifte der Deutsch- und Französischsprachigen Schweiz. Helvetia Sacra. (Begründet von R. Rudolf Henggeler OSB, hrsg. von Albert Bruckner) Abteilung III. Teil 2. Bern 1977.

Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums (JL). Zürich 1893ff.

Le chapitre Saint-Nicolas de Fribourg : foyer religieux et culturel, lieu de pouvoir. Actes du colloque 3.–5.2.2010 / Das Kapitel St. Nikolaus in Freiburg. Hort des Glaubens, der Kultur und der Macht. Akten des Kolloquiums. Ed. / Hrsg. Jean Steinauer und Hubertus von Gemmingen. (Archives de la Société d’Histoire du Canton de Fribourg, n. s. 7) Fribourg/Freiburg 2010.

Staatsarchiv Freiburg (StAF): Kapitelsmanuale von St. Nikolaus.

Hasler, R. (2023). Die Glasgemälde der Sammlung. "Auf barbarische Weise verzettelt". Zur Kunstsammlung von Parpart-von Bonstetten. Berner Zeitschrift für Geschichte (BEZG), 85. Jahrgang, Nr. 1. (S. 46f., Nr. 21)

Weiteres Bildmaterial

SNM Zürich 40199; Foto L. Hilber

Bildinformationen

Name des Bildes
FR_Freiburg_MAHF_FR_27
Fotonachweise
© MAHF (Foto: Francesco Ragusa)
Copyright
© Gottfried Keller-Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern
Eigentümer*in

Gottfried Keller-Stiftung

Inventar

Referenznummer
FR_27
Autor*in und Datum des Eintrags
Uta Bergmann 2015

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