Forschung
Ein katholischer Zweig der ursprünglich aus Konstanz stammenden Familie Harder stellte 1587 mit Benedikt den Vogt zu Eschenz, kam 1620 durch Heirat in den Besitz der Gerichtsherrschaft Wittenwil und stieg mit Benedikt (gestorben 1675) in das Landrichteramt und den thurgauischen Gerichtsherrenstand auf. Bis ins 18. Jahrhundert stellten die Harder mehrmals den Gerichtsherrenschreiber (1636–1652 Benedikt, 1652–1671 Johann Ludwig und 1710-1760 Joseph Antoni) sowie den Gerichtsschreiber von Tänikon (Historisches Lexikon der Schweiz, 6/2007, S. 107f.). Johann Baptist Harder (†1662) von Konstanz, Doktor beider Rechte, war Kanzler in St. Gallen, wo er am 28. Oktober 1662 starb. Er wurde in der Kirche zu St. Fiden begraben, wo er einen Altar gestiftet hatte. Er war verheiratet mit Barbara Hiller (†1629). Ihre Tochter Magdalena Harder war 1648–1688 Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters Mariazell zu Kalchrain (Henggeler 1945, S. 67). Harders Wappen ist dasjenige der gleichnamigen Familie aus Egelshofen.
Die von Hieronymus Spengler signierte Scheibe hat ein Pendant, dass sich heute in der Eremitage in St. Petersburg befindet (32,2 x 21,5 cm; Shlikevich, 2010, Nr. 44, Abb.). Das Stifterehepaar dieser Scheibe sind Marx von Ulm zu Griessenberg und Anna Barbara Reichlin von Meldegg. Die Inschrift lautet: “Marx von Vlm grichtsherr zu Griessenberg / Fl:S: Gallischer Rath vnd Hoffmaister Fr. Anna / Barbara von Vlm geborne Reichline von Meldeckh / sein Ehgemachel 16 26.” Marx von Ulm war Herr von Griesenberg, Hofmeister des Klosters St. Gallen und Obervogt von Sommeri. 1607 ehelichte er Anna Barbara Reichlin von Meldegg. Das Ehepaar stiftete auch 1610 eine Allianzscheibe (TG_1440) sowie 1626 eine zweites Glasgemälde (Historisches Museum St. Gallen, Egli, 1927, Nr. 110).
Die beiden Pendant-Scheiben weisen dieselbe architektonische Rahmung auf. Dieselbe verwendete Hieronymus Spengler bereits 1621 für eine Allianzscheibe des Ehepaars Hans Jakob Locher und Anna Maria von Dankenschweil (TG_226). Die Inschriftkartuschen der Pendants von 1626 unterscheiden sich leicht und die Oberbilder zeigen bei vorliegender Scheibe Johannes Evangelist und die hl. Barbara als Namenspatrone der Stifter, und bei der Scheibe in der Eremitage die Verkündigung. Offenbar hatte das Ehepaar Marx von Ulm und Anna Barbara Reichlin von Meldegg eine Vorliebe für diese Szene, denn auch auf ihrer Scheibe von 1610 (TG_1440) ist die Verkündigung dargestellt. Die Verkündigung auf der Scheibe in der Eremitage schuf Spengler nach derselben Komposition wie auf einer Allianzscheibe von 1620, ebenfalls aus seiner Werkstatt stammend (TG_259).
Da beide Stifter, Johann Baptist Harder und Marx von Ulm, im Rat von St. Gallen sassen (Harder als Kanzler), erfolgte die Stiftung wohl in ihrer Funktion als Ratsherren. Möglicherweise gehörten noch weitere Scheiben dazu. Als Bestimmungsort ist ein Gebäude in St. Gallen anzunehmen.
Beide Scheiben befanden sich bis 1891 in der Sammlung Vincent (Heberle, 1891, Nr. 418 und 419).
Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1890, Nr. 455.
Heberle, 1891, Nr. 418.
Rahn, 1892, S. 14.
Büchi, 1892, S. 7.
Rickenmann, 1940, Abb.
Früh, 2001, S. 91.
Datierung
1626
StifterIn
Harder, Johann · Hiller, Barbara
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 1891 Historisches Museum Thurgau
Vorbesitzer*in
Bis 1890 Sammlung Johann Nikolaus Vincent, Konstanz (Verkauf für 300 CHF)
Inventarnummer
T 6470