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TG_110: Bildscheibe Martin Gartenhauser mit allegorischer Darstellung des über das Heidentum und die Häresie triumphierenden katholischen Glaubens
(TG_Frauenfeld_HistMuseum_TG_110)

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Titel

Bildscheibe Martin Gartenhauser mit allegorischer Darstellung des über das Heidentum und die Häresie triumphierenden katholischen Glaubens

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Spengler, Hieronymus · zugeschr.
Datierung
1615

Ikonografie

Beschreibung

Das Mittelstück der Scheibe zeigt die Personifikation der katholischen Kirche mit den Attributen des Kreuzes, der Petrusschlüssel und der päpstlichen Tiara, wie sie über die geketteten und knienden Figuren des Heidentums und der Häresie sitzend triumphiert. Über der Mittelgruppe sind klein im leeren Raum die Throne Davids, Christi und Petri verteilt. Den seitlichen Rahmen bilden sechs einander gegenübergestellte biblische Symbole: Arche Noah und Schiff Petri, Burg Davids und Stadt auf dem Berg, Haus Gottes und Schafherde Christi. Eine zweite seitliche Bahn wird durch die Ganzfiguren der Fürstapostel und die Evangelistensymbole gebildet. Den obern Abschluss formt das auf Wolken erscheinende Himmlische Jerusalem, flankiert von zwei Szenen aus dem Leben der Patrone Franziskus und Martin. Unter der Hauptszene umlagern Raubtiere das verschlossene Himmelstor und den Höllenrachen, aus den seitliche Zwickeln greifen sechs Gegner an, von links Tyrann, Türke und Pharisäer, von rechts Häretiker, Apostat und Heuchler. Das untere Register nimmt den Stifter in Chorherrentracht, die Inschrift und das Wappen auf. Das Ganze wird durch lateinische Inschriften ausführlich erläutert (vgl. Fischer, 1973, S. 274f.).

Iconclass Code
11H(FRANCIS)59 · die Stigmatisation des hl. Franz von Assisi: auf dem Berg Alverna hat er eine Vision vom geflügelten Christus am Kreuz (in der Art eines sechsflügeligen Seraphen); Strahlen führen zum Körper des knienden Heiligen und formen die fünf Wundmale
11H(MARTIN)41 · der hl. Martin teilt seinen Mantel (Barmherzigkeit des hl. Martin); in der Regel wird er zu Pferde dargestellt; er zerteilt den Mantel mit dem Schwert oder legt die Mantelhälfte um die Schultern des Bettlers, der neben ihm kniet
11H(PAUL) · der Apostel Paulus (von Tarsus); mögliche Attribute: Buch, Schriftrolle, Schwert
11H(PETER) · der Apostel Petrus, erster Bischof von Rom; mögliche Attribute: Buch, Hahn, (umgekehrtes) Kreuz, Krummstab mit drei Querbalken, Fisch, Schlüssel, Schriftrolle, Schiff, Tiara
11I42 · die vier Evangelistensymbole, die sogenannten Apokalyptischen Wesen
11N42 · Häresie, Ripa: Heresia
11P110 · Triumph der Kirche (oder der Religion)
11P163 · Wahre Kirche vs. Falsche Kirche, Häresie oder Sektierertum, Schisma
11S15 · Darstellung des Himmels als Stadt
11T41 · der Eingang zur Hölle als Maul eines Ungeheuers (des Leviathan)
46A122(GARTENHAUSER) · Wappenschild, heraldisches Symbol (GARTENHAUSER)
71B33111 · die Arche
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Gartenhauser, Martin: In Blau auf grünem Hügel eine silberne, beflaggte Burg, überdeckt von goldenem Zaum mit blauem Durchgang; Helm: blau; Helmdecke: rot (rechts) und golden und blau (links); Helmzier: ein wachsender, bekränzter Jüngling in silbernem Gewand, in der Rechten ein silbernes Ährenbündel, in der Linken ein umkränztes silbernes Herz haltend.

Inschrift

Her Marthinus Gartenhauser / Für·Bischofflicher Costanzischer / Generalis Commissarius vnd Pfarher zu / Appenzell Chorher zu Bischoffzell vnd / deβ Sant Gallischen Landt Cappitelβ / Dechant · Anno 161·5·
Bildlegenden im Hauptfeld von oben nach unten: Ecclesia Triumphans; Lux anima; Lux mundi; Iter Coeleste; Tÿpus Catholicae Et Apostolicae Ecclesiae Biblicis figuris Et similit[udini] bus exornatus // Cathedra Christi; Sedes Davit; INRI; Sedes Petri & legitimae eius suceβionis; Subegit Gentes; Vicit Haeresos / Porta Celÿ; Porta infer; Vulpes / Lupus /Can[c]er / Ve[s]pertilio / Co[r]vuus / Aper / Basiliscus; Hanc Stÿgiae nunquam potuerunt sternere portae / Structa supra petram firma columna stetit / Nulla tyrannis eam vel ui gladioue perennit / Nec ferus haereseos perdedit vsque lupus.
Bildlegenden im linken Aussenfeld von oben nach unten: Ego stigmata Dm Iesu in Corpore meo porto Gal 6; S. Mattheus; S. PETRVS; S. LVCAS; Arca Noe; Domus Dauid; Domus Dei; Tÿrannus · Turca · Pharisaeus; Vnica sola uetus P...maena Ecclesia Christi / Sponsaque Romana est et caput manet.; DEVS SE MIHI EGO ME DEO; In te Domine Spera / ui et non confundar in aeternum / Psal 70; Dne conserva nos in unitate. Verae fidei.
Bildlegenden im rechten Aussenfeld von oben nach unten: Martinus Adhuc Cat / cumenus hac me veste c[...] fe; S. MARCVS; S. PAVLVS; S. Ioannes; Nauic[u]la Petri; Ciuitas super montem posita; Horreum Area et Ouile Christi. Hereticus, Apostata, Hipocrita, confige Cor meum Deus quia ae [...] / Judicis tuis timeo; Extra hanc nec quisqua(e) / poterit sperare salute / Etsi plus sapiat quam sapit ipse pla / to.

Signatur

keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Zwei alte Flickstücke am oberen rechten Rand; Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Technik

Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit rückseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb, Eisenrot sowie blauer und violetter Schmelzfarbe.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Der einer Appenzeller Familie entstammende Martin Gartenhauser (vor 1570–1621) ging 1588 nach Mailand, wo er an dem von Karl Borromäus gegründeten Helvetischen Kolleg studierte. Wohl nicht lange nach seiner Weihe zum Priester wurde er 1594 zum Pfarrer von Appenzell gewählt. Wie lange er dieses Amt bekleidete, ist nicht ganz klar. Daneben war er aber jedenfalls auch anderenorts tätig. So weiss man, dass Propst und Kapitel zu Bischofszell Gartenhauser 1611 die dortige Pfarrei samt einem Kanonikat antrugen und dass er 1613 zum Dekan des st. gallischen Landkapitels ernannt wurde (Fischer, 1966 und 1984). Laut vorliegender Stifterinschrift war er denn auch 1615 Pfarrherr von Appenzell, Chorherr zu Bischofszell, Dekan des Landkapitels St. Gallen und darüber hinaus bischöflich-konstanzischer Generalkommissar.
Von Gartenhauser existiert in unbekanntem Besitz eine Bildscheibe von 1602 (Fischer, 1966, S. 34).

Paul Boesch (1954, S. 4) wies das Glasgemälde dem Bischofzeller Glasmaler Hans Heinrich Bridler (vor 1593–1635) zu. Dieser war der Sohn des Stiftsammanns Heinrich Bridler und wurde 1614 Bürger von Bischofszell. Bridler schuf 1614/15 vier Wiler Stadtscheiben (Boesch, 1949, S. 31). Diese sind jedoch nicht erhalten, und auch sonst sind keine weiteren Scheiben von Bridler bekannt, so dass es keine weiteren Anhaltspunkte gibt, um ihm die Gartenhauser-Scheibe zuzuweisen. Da Gartenhauser bischöflich-konstanzischer Generalkommissar war, gab er seine Scheibe wahrscheinlich in Konstanz in Auftrag. Das Glasgemälde stammt auch aus der in Konstanz ansässigen Sammlung Vincent (siehe Feld VorbesitzerIn). Dort war in dieser Zeit Hieronymus Spengler tätig, in dessen Werk sich ganz ähnlich komponierte Glasgemälde ohne architektonische Rahmung finden lassen (Scheibe des Klosters Münsterlingen, 1614, Schweizerisches Nationalmuseum, Schneider, 1980, S. 269, Abb. 5; Scheibe der Büchsenschützen zu Steckborn, 1615, verschollen, Raimann/Erni, 2001, S. 419; Scheibe des Amtsvorstehers Tannegg und Fischingen, 1626, verschollen, Barockes Fischingen, 1991, S. 275). Auch der Figurenstil von Spenglers Glasmalereien geht gut mit demjenigen der vorliegenden Scheibe überein.

Der Hauptszene der komplexen Darstellung liegt der Titelkupfer der “Annales Ecclesiastici” des Kardinals Cesara Baronio (Cäsar Baronius) zugrunde. Rainer Fischer verweist dabei auf das Titelblatt in der Kölner Ausgabe von 1609 (Fischer, 1984 und 1973, Abb. 2). Weil die Figurengruppe auf dem Glasgemälde gegenüber dem betreffenden Kupferstich spiegelbildlich wiedergegeben ist, vermutet Fischer allerdings, dass sich der Glasmaler auf eine ältere Edition des Werkes gestützt haben könnte. Dies wird durch Baronios Mainzer Ausgabe von 1606 bestätigt, deren Titelkupfer die Figurengruppe in gleicher Form wie das Glasgemälde zeigt. Laut Fischer dürfte dem Glasmaler das Bildprogramm durch Gartenhauser vermittelt worden sein, der sich am Mailänder Collegium Borromeum theologisch ausgebildet hatte. Die Herkunft der Bildlegenden konnte bislang nicht geklärt werden.

Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1890, Nr. 273.
Heberle, 1891, Nr. 251.
Boesch, 1947, S. 58, Nr. 11.
Boesch, 1953, S. 12–18.
Boesch, 1954, S. 4, Anm. 13 (Hans Heinrich Bridler zugeschr.).
Knoepfli, 1962, S. 356f.
Fischer, 1966, S. 31–35.
Fischer, 1973, S. 274–276, Abb. 1.
Fischer, 1984, S. 102, Abb. 139.
Wieland, 1988, Abb. S. 73.
Früh, 1988, S. 158.
Bergmann/Hasler, 2018, S. 35, Abb. 2.

Datierung
1615
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Seit 1955 Historisches Museum Thurgau

Vorbesitzer*in

Bis 1890 Sammlung Johann Nikolaus Vincent, Konstanz · 1926–1955 Josef Federspiel (Haus zum Hohen Hirschen, Wessenbergstr.), Konstanz

Inventarnummer
T 6469

Bibliografie und Quellen

Literatur

Barockes Fischingen. Ausstellung zum Abschluss der Restaurierungsarbeiten am Kloster Fischingen 1980–1991. Katalog (1991). Fischingen: Verein St. Iddazell.

Bergmann, U., Hasler, R. (2018). “Meyd die falschen Lehren schnöd” – Reformation und Gegenreformation in den Schweizer Glasmalereien des 16. und 17. Jahrhunderts. Stained glass in the 17th century – Continuity, invention, twilight. Corpus Vitrearum. 29th International Colloquium, Antwerp, 2–6 July 2018.

Boesch, P. (1947). Sechs Rundscheiben von Bischofszell von 1660. Thurgauische Beiträge zur Vaterländischen Geschichte, Heft 83.

Boesch, P. (1953). Eine konfessionell-allegorische Scheibe aus der Zeit der Gegenreformation. Heimatkundliche Mitteilungen des Bodenseegeschichtsvereins, Heft 18.

Boesch, P. (1954). Toggenburger Scheiben. Toggenburgerblätter für Heimatkunde. Lichtensteig: A. Maeder Söhne, 17. Jg., 1/2.

Fischer, R. (1966). Eine spätgotische Reiterstatue des hl. Martin im Frauenkloster Appenzell. Innerrhoder Geschichtsfreund, Heft 12.

Fischer, R. (1973). Erbauungsliteratur als Quelle für die Ikonographie des 17. Jahrhunderts. Unsere Kunstdenkmäler, Bd. 24.

Fischer, R. (1984). Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Innerrhoden. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Birkhäuser Verlag.

Früh, M. (1988). Glasmalereien im Umkreis der Bischöfe von Konstanz. Die Bischöfe von Konstanz, Bd. II (Kultur). Friedrichshafen: Verlag Robert Gessler.

Heberle, J. M., Köln (1891). Katalog der reichhaltigen Kunst-Sammlung der Herren C. und P.N. Vincent in Konstanz am Bodensee. Versteigerung zu Konstanz am Bodensee, den 10. September 1891. Köln.

Knoepfli, A. (1962). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Bd. III: Der Bezirk Bischofszell. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Birkhäuser Verlag.

Rahn, J.R. (1890). Die schweizerischen Glasgemälde der Vincentschen Sammlung in Constanz. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. XXII, Heft 6.

Raimann, A., Erni, P. (2001). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Bd. VI: Der Bezirk Steckborn. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte.

Schneider, J. (1980). Farbenprächtige Glasmalerei aus dem Kanton Thurgau. In Von Farbe und Farben. Albert Knoepfli zum 70. Geburtstag. Zürich: Manesse.

Wieland, G. (1988). Die geistliche Zentralverwaltung des Bistums. In: Die Bischöfe von Konstanz, Bd. I (Geschichte). Friedrichshafen: Verlag Robert Gessler.

Vorlage

Titelkupfer zu Cäsar Baronius’ “Annales Ecclestiastici”, Mainz 1606

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Frauenfeld_HistMuseum_TG_110
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont (photo : Yves Eigenmann, Francesco Ragusa, Fribourg)
Aufnahmedatum
2018
Copyright
© Historisches Museum Thurgau
Eigentümer*in

Seit 1955 Historisches Museum Thurgau

Inventar

Referenznummer
TG_110
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2020; Sarah Keller 2020