Forschung
Das 1811 aufgehobene Kloster Schänis im St. Galler Linthgebiet war ein freiweltliches Damenstift unter der Leitung einer Äbtissin. Von 1528–1555 hatte die aus Konstanz gebürtige Ursula II. Muntprat von Spiegelberg (†13. Januar 1555) dieses Amt inne. Im Laufe der Reformationswirren wurde das Kloster unter ihr 1529 aufgehoben, zwei Jahre später aber bereits wieder errichtet (Meyer-Marthaler, 2004, S. 454).
Ausser der vorliegenden Scheibe gibt es von der Äbtissin Ursula Muntprat von Spiegelberg eine Figurenscheibe von 1541 im Historischen Museum St. Gallen (Anderes, 1970, S. 250, Abb. 262; Egli, 1927, S. 7f., Nr. 74, Abb.). Eine weitere, den Gekreuzigten darstellende Scheibenstiftung von ihr, die sie 1554 machte, befand sich in der Sammlung des Barons von Trétaigne in Paris und ist heute verschollen (Meyer-Marthaler, 2004, S. 454; Lehmann/Zeller-Werdmüller, 1903, S. 18).
Das Glasgemälde wird von Büchi (1890) irrigerweise ins Jahr 1517 datiert. Es kann jedoch frühestens 1528 entstanden sein, als Ursula II. Muntprat von Spiegelberg ihr Amt als Äbtissin von Schänis antrat. Sein noch fast rein spätgotischer Charakter lässt den Schluss zu, dass sie diese in ihrer frühen Amtszeit in Auftrag gab, das heisst wohl früher, als es die erneuerte Jahresangabe 1537 suggeriert.
Das Wappen mit dem Hirschkopf bezieht sich vermutlich auf die den Edlen von Andwil entstammende Mutter der Äbtissin (Anderes, 1970, S. 250). Zwei aus der Kirche Lommis stammende Bronzeepitaphe aus dem Jahr 1500 zeigen die Allianz Muntprat-von Andwil (im Schweizerischen Nationalmuseum; Knoepfli, 1955, S. 259, Abb. 255). In der 1504 erbauten Muntprat-Kapelle der Kirche Lommis hatte das Konstanzer Geschlecht ihre Grablege (Knoepfli, 1955, S. 247). Vielleicht hatte Ursula Muntprat ihre Scheibe nach Lommis gestiftet.
Da sich Muntprats Scheibe nicht in das Werk der Konstanzer Glasmaler (Ludwig und Caspar Stillhart) einordnen lässt, ist eine Zürcher Werkstatt als Hersteller zu vermuten.
Die Scheibe wird genannt in:
Büchi, 1890, S. 31.
Boesch, 1943, S. 55.
Anderes, 1970, S. 250, Abb. 261.
Datierung
um 1530
Zeitraum
1528 – 1555
Ursprünglicher Standort
Eigentümer*in
Historisches Museum Thurgau (Altbesitz)
Inventarnummer
T 66