Der einem Urner Geschlecht entstammende Hektor von Beroldingen (um 1570–nach 1631), der Sohn des Johann Peregrin, Herrn zu Steinegg im Thurgau, war katholischen Glaubens und seit 1610 mit Veronika von Heidenheim verheiratet, der Tochter des Gerichtsherrn auf Klingenberg Kaspar Ludwig von Heidenheim, der ab 1562 die Herrschaft Gachnang besass. Diese Herrschaft erwarb Hektor von Beroldingen 1587. Im Zuge seiner Rekatholisierungsbemühungen baute von Beroldingen 1605 innerhalb der Ringmauern seines Gachnanger Schlosses eine eigene Kapelle (die spätere katholische Kirche St. Sebastian). Dort befindet sich noch heute der Taufstein von 1605 mit den Allianzwappen von Beroldingens und dessen Gemahlin (Knoepfli, 1950, S. 200f., Abb. 141). Die Protestanten, welche die Mehrheit der Einwohnerschaft Gachnangs bildeten, stürmten 1610 das Schloss mit seinem neuen Kultgebäude. Der sogenannte Gachnangerhandel führte die Eidgenossenschaft an den Rand eines Religionskrieges. Durch Vermittlung Berns konnte das Schlimmste aber verhindert werden, indem man die Plünderer bestrafte sowie Friedhof und Pfarrpfründe Gachnangs zwischen den verfeindeten Konfessionen aufteilte. Hektor von Beroldingen, der auch massgeblich an der thurgauischen Kriegsordnung von 1619 beteiligt war, verkaufte 1623 die Herrschaft Gachnang an das Kloster Einsiedeln (Historisches Lexikon der Schweiz, 2/2003, S. 319; HLS, 5/2006, S.58). 1588–1609 verwaltete Hektor von Beroldingen auch die Herrschaft Klingenberg (Giger, 1993, S. 97) und 1622 kaufte er die Herrschaft Gündelhart samt Kollatur der dortigen Pfarrei.
1934 kaufte das Historische Museum Uri in Altdorf aus der Sammlung in Schloss Wolfsberg in Ermatingen eine fragmentarische Scheibe des Ehepaares aus dem Jahr 1614 an (Jahresbericht, 1934, S. XX. Dort ist sie 2020 nicht aufzufinden). Eine ebenfalls 1608 gestiftetes Glasgemälde des Ehepaares befindet sich in Privatbesitz in Oregon, USA (Foto Vitrocentre Romont).
Laut André Salathé (HLS) sollen sich Hektor von Beroldingen und Veronika von Heidenheim 1610 verheiratet haben. Die vorliegende,1608 entstandene Scheibe (die undeutlich lesbare letzte Ziffer der Jahreszahl dürfte eine 8 sein) und der erwähnte Taufstein von 1605 in der katholischen Kirche Gachnangs lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass sie 1610 bereits seit mehreren Jahren im Ehestand lebten. Als überzeugter Katholik, der sich im Schloss Gachnang für seinen Kult eine Kapelle errichten liess, kann Hektor von Beroldingen die Scheibe 1608 unmöglich in die dortige reformierte Kirche gestiftet haben. 1959 wurde die Scheibe auf dem Kunstmarkt entdeckt und gelangte in das Schloss Gachnang (Knoepfli, 1959, S. 82). Erst 1996 wurde sie in der reformierten Kirche eingebaut (Auf Glasstück unterhalb der Scheibe: Gestiftet von den Familien Müller / Schloss Gachnang 1996).
Zwar darf man als ursprünglichen Bestimmungsort für die Scheibe die Kapelle oder einen anderen Raum im Schloss Gachnang in Betracht ziehen. Dass das Glasgemälde für dort geschaffen wurde, ist jedoch nicht gesichert.
Knoepfli (1959, S. 82) deutete einige Linien beim Sprungblei am rechten Rand der Inschriftkartusche als Monogramm WB des Glasmalers Wolfgang Breny. Dies kann nun aufgrund einer jüngst (2022) zum Vorschein gekommenen Wappenscheibe in Privatbesitz in den USA (Foto Vitrocentre Romont) bestätigt werden. Diese ebenfalls 1608 gestiftete Scheibe des Ehepaares ist identisch komponiert und trägt das deutlich lesbare Monogramm WB. Die Putten und die gleiche architektonische Rahmung verwendete Breny erneut für eine Scheibe von 1610 (Weinfelden, Gasthaus Trauben, TG_1440).
Wie Knoepfli feststellte, entspricht die Darstellung des Apfelschusses im Oberbild bis ins Einzelne dem Oberbild einer 1578 datierten Wappenscheibe von Roll (Abb. 17 und 18 in Heinemann, 1902), damaliger Privatbesitz Ed. Ettlin in Sarnen (Knoepfli, 1959, S. 82). Dieser Bildtypus seinerseits ist sehr nahe verwandt den von Jos. bzw. Christoph Murer geschaffenen Kupferstich mit der synoptischen Darstellung von der Gründung der Eidgenossenschaft und noch mehr dem Scheibenriss von 1580 in der öffentlichen Kunstsammlung Basel sowie dem von denselben Meistern 1577/79 geschaffenen Oberbild der Urner Standesscheibe im Kloster Wettingen.
Vgl. zu letzterer sowie der Darstellung des Apfelschusses auf Wappenscheiben Hoegger, 2002, S. 376–77.
Die Scheibe wird genannt in:
Galerie Stuker, 1959, Nr. 1218.
Knoepfli, 1959, 82–84, Abb.
Bollhalder-Müller, 1990, Abb. S. 16.