Masswerkfenster mit vier Lanzetten und Couronnement mit drei Vierpässen. In den beiden mittleren Lanzetten ist die 12. Station des Kreuzweges dargestellt: Jesus Christus hat am Kreuz den Tod erlitten, neben ihm stehen die trauernde Mutter Maria und der Jünger Johannes. Ebenfalls im Hintergrund ist ein Reiter mit Lanze dargestellt. Im Vordergrund sind die Soldaten gezeigt, die um den Mantel Jesu würfeln. Die Bildszene ist von einer Rahmenarchitektur im Stil der Gotik gefasst, die mit Fialen bekrönt ist. In den beiden äusseren Lanzetten sind als zur Rahmenarchitektur gehörende Statuen zwei Engel mit Schriftbändern sowie Abraham mit Dolch und Feuerschale und sein Sohn Isaak mit einem Bündel Holz gezeigt. Der Sockel der Rahmenarchitektur ist mit Schriftbändern geschmückt. Das oberste Viertel der Lanzetten ist mit geometrischen Ornamenten, Grisaillemalerei und einer farbigen Rahmung mit Blatt- und Blütenmotiven gestaltet. In den Vierpässen sind ein roter geflügelter Dämon (eherne Schlange?) sowie zwei Leidenswerkzeuge (der mit Essig getränkte Schwamm an einem Rohr und eine Zange) auf ornamentiertem Hintergrund dargestellt.

Beschädigt 1944; repariert in den 1960er Jahren durch Raymond Julin.

Eine von vierzehn Glasmalereien mit Darstellungen der Kreuzwegstationen in den Seitenkapellen der ehemaligen Stiftskirche Notre-Dame in Huy. Diese Kapellen wurden 1875–1878 (Planung ab 1873) im Rahmen einer von Eugène Carpentier (1819–1886) geleiteten Restaurierungskampagne mit neuen Glasmalereien ausgestattet, angeregt durch Jean-Joseph Delruelle, den Dekan von Huy (1854–1882). Der Auftrag ging an das renommierte Glasmalerei-Atelier Gsell-Laurent in Paris, das 1872–1877 auch die farbigen Verglasungen der Fenster im Chor und in den Seitenkapellen des Chors (CG_1–CG_7) sowie der grossen Westrose (nicht erhalten) lieferte. Nebst den vierzehn Kreuzwegstationen zeigen die Fenster der Seitenkapellen insgesamt 28 Ganzfiguren in den Rahmenarchitekturen (vier Propheten, acht männliche und vier weibliche Personen des Alten Testaments, acht Apostel und die vier Evangelisten), sowie mit dem Kreuzestod Christi verbundene Embleme in den Masswerkfüllungen. Das Fenster mit der 12. Kreuzwegstation wurde von Marie Louise Victoire Gomrée (1819–1905) in Erinnerung an ihren Ehemann Charles Philippe Florent de Francquen (1826–1870) und ihre Eltern Richard Joseph Gomrée (1756–1840) und Barbe-Josèphe Piffet (1781–1849) gestiftet. 1878 weihte der Bischof von Liège, Théodore Alexis Joseph de Montpellier (1807–1879), den fertigen Scheibenzyklus (siehe Demaret, 1922, S. 15).
Die in den Glasmalereien dargestellten Rahmenarchitekturen und Ornamente sind – passend zur Architektur der Kirche – stilistisch an Vorbilder aus der Zeit der Gotik angelehnt. Zwei Entwurfszeichnungen dazu werden im Musée Carnavalet in Paris aufbewahrt (D.16286 und D.16287). Die zur Rahmenarchitektur gehörigen Engels- und Personendarstellungen sowie die Bildszenen mit den Kreuzwegstationen sind hingegen in einem malerischen und realistischeren Stil komponiert, der sich tendenziell an den monumentalen Glasmalereien der Renaissance orientiert. Eine Entwurfszeichnung (D.16273) zur 10. Kreuzwegstation belegt, dass Caspar Gsell für die Kreuzwegstationen ursprünglich die gleiche an mittelalterliche Vorbilder angelehnte schematische Bildsprache vorgeschlagen hatte, wie sie in den Chorfenstern zur Anwendung gekommen war. Die Umsetzung der Fenster mit den Kreuzwegstationen stellte für Gsell offenbar in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung dar (siehe Lecocq/Joris, 2023, S. 254–255). Obwohl er zwei unterschiedliche Bildsprachen wählte, bilden seine Glasmalereien für die Kirche Notre-Dame in Huy insgesamt ein harmonisches Ensemble. Aufgrund seines Umfangs und seiner herausragenden Qualität zählt dieses Ensemble zu den Hauptwerken des Pariser Ateliers.

Mehrere Glasmalereien mit Kreuzwegstationen wurden im Sommer 1944 beim Bombardement von Huy beschädigt. Das Fenster mit der 12. Kreuzwegstation erlitt vermutlich die grössten Schäden und wurde in den 1960er Jahren von Raymond Julin restauriert (siehe Lecocq/Joris, 2023, S. 269). Aufgrund fehlender Informationen veränderte und vereinfachte er damals die Bildszene. Wie die ursprünglich kleinteiliger gestaltete Kreuzigungsszene ausgesehen haben mag, lässt eine im Musée Carnavalet in Paris aufbewahrte Entwurfszeichnung (PH34048) erahnen.