Forschung
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten sich die beiden Pfarrer François Xavier Lemaire (1858–1867) und Célestin Laurent (1867–1897) für die Restaurierung der Kirche Notre-Dame von Senlis und ihre Ausstattung, unter anderem mit einem umfangreichen Glasmalereiensemble, ein (Aubert, 1910, 49).
Das Livanius-Fenster gehört zu den ersten beiden Glasmalereien mit bildlichen Darstellungen, die 1861 für die zwei westlichsten Kapellen des Chorumgangs in Auftrag gegeben wurden (Registres des délibérations du Conseil de Fabrique de la paroisse Notre-Dame de Senlis, Eintrag vom 13. April 1861). Es zeigt Medaillons mit Szenen aus dem Leben des heiligen Livanius und stammt aus dem Pariser Atelier Laurent, Gsell et Cie. (später Gsell-Laurent). Ein dazugehöriger Entwurf wird im Pariser Musée Carnavalet aufbewahrt (D.14638(80)). Die zweite damals erstellte Glasmalerei für die dem heiligen Ludwig IX. geweihte Kapelle wurde 1863 eingesetzt und zeigt Medaillons mit Szenen aus dem Leben des französischen Königs. Sie stammt aus dem Pariser Atelier von Claudius Lavergne (siehe dazu Gérin, 1865).
Als 1869 der Architekt Edmond Duthoit (1837–1889) die Restaurierung der Kirche plant, schlägt der Pfarrer Laurent vor, die Gelegenheit zu nutzen, um die Fenster im Chorobergaden mit farbigen Glasmalereien zu versehen. Der Auftrag soll an einen der beiden in Senlis bereits bekannten Glasmaler vergeben werden. Gemeindemitglieder, Kirchenkommission und Pfarrer sprechen sich für Lavergne aus; die Wahl fällt schliesslich auf den vom Architekten bevorzugten Caspar Gsell. Zu Ostern 1870 sind die hauptsächlich durch Spenden finanzierten sieben Glasmalereien für insgesamt 18’500 Francs im Obergaden des Chors zur Zufriedenheit aller Beteiligten eingesetzt (Laurent, 1889, 28 und Registres des délibérations du Conseil de Fabrique, Einträge von April 1869 bis Juni 1870). Sie zeigen im oberen Bereich der Lanzetten die Geburt Marias, die Präsentation Marias im Tempel, die Verkündigung, die Heimsuchung, die Geburt Jesu Christi, die Hochzeit in Kana und die Krönung Marias, sowie im unteren Bereich der Lanzetten die Schutzpatrone der Stadt und der sieben mit der Revolution aufgelösten und später der Kirchgemeinde Notre-Dame angegliederten Kirchgemeinden von Senlis (siehe Laurent, 1889, 28–34 und Aubert, 1910, 165–167). Die sieben Fenster wurden während der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert zerstört, überliefert ist einzig eine Entwurfszeichnung von 1869 im Musée Carnavalet (D.16082) für das zentrale Chorfenster.
Auf die Chorverglasung folgten weitere Aufträge an Gsell. Pfarrer Laurent arbeitete für die übrigen 14 Obergadenfenster in Chor und Langhaus ein Bildprogramm aus, das in jedem Fenster die Darstellung einer Begebenheit aus dem Leben Jesu Christi mit deren Ankündigung durch eine Erzählung im Alten Testament ergänzte (siehe Übersichtsplan in Laurent, 1889). Umgesetzt wurden durch Gsell zwischen ca. 1877 und 1888 vermutlich die zehn Fenster östlich des Querhauses; sechs davon sind bis heute erhalten (CG_280–285).
Ebenfalls aus dem Atelier Gsell-Laurent stammen zwei Glasmalereien in der Josefskapelle von 1877 (CG_278, CG_279; ein drittes Fenster zum Tod Josefs ist nicht erhalten) und ein Katharina-Fenster von 1881/82 (CG_276). Nicht erhalten sind: das Medaillonfenster zum Leben des heiligen Frambourg; das Fenster mit Szenen aus dem Leben von Johannes dem Täufer und Jesus Christus für die Taufkapelle (Registres des délibérations du Conseil de Fabrique, Eintrag vom 4. April 1880); die Rose (1885) für das Südquerhaus, die im Zentrum den Heiligen Geist als Taube, darum angeordnet sechs Bischöfe von Senlis und darunter sechs Apostel zeigte (siehe Müller, 1887, 23–24; Laurent, 1889, 3–5, 12–14, 16–17, 35–36; Aubert, 1910, 167).
Datierung
ca. 1861–1863
Zeitraum
1861 – 1863
StifterIn
Mademoiselle Céline Picquery (siehe Laurent, 1889, 9)
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort