Research
Um 1607 sind zwar keine Erneuerungsarbeiten an der Kirche von Pieterlen bezeugt. Gleichwohl dürften die drei aus dem Jahre 1607 stammenden Glasgemälde für dort und nicht für den Wohnsitz bestimmt gewesen sein, den sich damals Hans Heinrich I. Thellung mit einer darin integrierten Gerichtsstube in Pieterlen errichten liess (s. ref. Kirche Pieterlen). Gegen ihre Herkunft aus Thellungs Haus sprechen zum einen ihre monumentalen Ausmasse und zum anderen das Fehlen jeglicher Nachrichten über eine spätere Überführung derselben in die Kirche. Man darf Heinz Rauscher deshalb beipflichten, wenn er davon ausgeht, dass 1607 die vom Basler Fürstbischof durchgesetzten neuen Machtverhältnisse im Erguel den Anlass für dessen Wappenstiftung sowie diejenigen des Klosters Bellelay und Biels in die Kirche von Pieterlen boten.
Werner Briselance (Spiessbrecher) aus Pruntrut wurde 1579 unter dem Basler Bischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee zum Abt des Prämonstratenserklosters Bellelay erhoben und von diesem am 13. Dezember des gleichen Jahres in seiner Wahl bestätigt. In der Folge hatte er die Abtswürde bis bis zu seinem Tod Ende August 1612 inne. Unter ihm blühte die Abtei wieder auf (Wiedereinführung von Ordnung und Zucht und geordneter Finanzen). Zugleich erfuhr das Kloster zu seiner Zeit auch bauliche Erneuerungen (Helvetia Sacra IV, 3, S. 131; HBLS 2/1924, S. 58). Als Abt von Bellelay besass er das Kollaturrecht über die Kirche Pieterlen und darauf gründete die Wappenstiftung, die er 1607 dorthin machte (die betreffende Jahreszahl wurde 1934 von Hans Drenckhahn zweifellos historisch korrekt ergänzt).
Die in der Kirche Pieterlen aus dem Jahre 1607 erhaltenen drei Glasgemälde bilden eine Werkgruppe von durchaus beachtlicher künstlerischer Qualität, zeichnen sie sich doch durch eine sorgfältige und detaillierte Bemalung aus. Laut den wohl von Hans Lehmann stammenden Angaben auf den alten Aufnahmen des Schweizerischen Nationalmuseums in Zürich sollen sie vom Berner Glasmaler Hans Zeender (tätig 1580–1633) geschaffen worden sein. Mit den Glasgemälden von 1597 in der Kirche Grosshöchstetten gibt es von diesem zwar Arbeiten von vergleichbarer Qualität, die stilistisch zumindest gewisse Berührungspunkte dazu bieten. Dessen ungeachtet erweist sich die Zuschreibung an Zeender als unhaltbar, insbesondere wenn man die Auftraggeber in die Betrachtung einbezieht. Welche genaue Rolle der Basler Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee bei der Wahl der Werkstatt spielte, geben uns die Quellen nicht preis. Jedenfalls trat er mehrfach als Scheibenstifter in Erscheinung. Dies zeigt seine im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befindliche Wappenscheibe von 1605, die derjenigen in Pieterlen nicht unähnlich ist (GNM, Inv. MM 705). Wenn Blarer mit den drei Glasgemälden in Pieterlen die wiedergewonnene fürstbischöfliche Macht im Erguel medial wirksam inszenieren wollte, dann wird er kaum bereit gewesen sein, deren Herstellung ausgerechnet einer Werkstatt im angefeindeten reformierten Bern zu überlassen. Vielmehr dürfte er dieselben in diesem Fall in Basel oder in der Werkstatt eines katholischen Ortes wie Luzern oder Solothurn in Auftrag gegeben haben. Diesbezüglich bleibt jedoch festzuhalten, dass die Glasgemälde von Pieterlen keine engen stilistischen Bezüge zu den Werken der Glasmaler besitzen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den drei genannten Orten tätig waren. Vielleicht war bei der Werkstattwahl denn auch nicht Blarer selbst, sondern Hans Heinrich I. Thellung (1550–1637) aus Courtelary federführend. Als getreuer Gefolgsmann des Fürstbischofs amtete dieser im Jahr der Scheibenstiftung als Meier zu Biel, das heisst als dessen dortiger Statthalter. Unter Blarers Nachfolger wurde er 1610 Landvogt im Erguel und als solcher hatte er seinen Sitz im Schloss von Courtelary. Dorthin erhielt er 1613 von der Stadt Nidau eine vom Bieler Glasmaler Peter Feitknecht angefertigte Wappenscheibe geschenkt (Burgermeisterrechnung im Burgerarchiv Nidau von 1613/14, S. 29; davon Auszug von Frau Trudi Aeschlimann, Burgdorf, in den Unterlagen von Andres Moser im Vitrocentre Romont). Sollte Thellung als Bieler Meier 1606/07 für die Auftragserteilung aller drei Glasgemälde verantwortlich gewesen sein, dann dürfte er am ehesten eine Werkstatt in Biel damit betraut haben. Als Glasmaler tätig waren dort damals Peter Feitknecht (1585–1645) und Hilarius Dürr (1602–1610 nachweisbar). Weil von ihnen beiden keine gesicherten Werke erhalten sind, muss leider aber offen bleiben, ob einer von ihnen die Scheiben für Pieterlen herstellte. Wo und von wem diese geschaffen wurden, lässt sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand somit nicht beantworten.
Die drei Glasgemälde werden 1607 im Kirchenchor zur Aufstellung gekommen sein. Gemäss der Baunotizen von Rudolf Emanuel Dick, zwischen 1843 und 1888 Vikar und Pfarrer in Pieterlen, befanden sie sich vor 1858 jedenfalls "im grossen Fenster des Chors". Beim Umbau von 1858/59 wurden sie ins Kirchenschiff versetzt (Schmucki 1957), wo sie auch heute zu sehen sind.
Dating
1607
Original Donor
Briselance (Spiessbrecher), Werner († 1612), Abt Kloster Bellelay
Place of Manufacture
Owner
Laut Regierungsratsprotokoll des Kantons Bern vom 20. 4. 1934 haben an den drei früher im Chor befindlichen, jetzt im Südfenster IV angebrachten Scheiben der Staat und die Kirchgemeinde ein Miteigentumsrecht.