Research
Möglicherweise war es Matthäus Ensinger, der selbst mit einer Wappenscheibe in der Kirche vertretene Vogt von Wangen, der sich anlässlich des 1515 errichteten Neubaues darum bemühte, dass ausser Bern weitere Stände und Institutionen dorthin Fenster und Wappen schenkten. Bern selbst machte seine Stiftung 1515, die meisten anderen Donatoren wohl aber etwas später, zum Teil vielleicht ab 1519 im Anschluss an die Übernahme des Kirchensatzes durch Bern.
Laut Hans Lehmann bezieht sich das erneuerte Wappen möglicherweise auf das Kloster Königsfelden. Nach der Eroberung des Aargaus 1415 stand dieses bis zu seiner Auflösung 1528 unter Berner Herrschaft. Unter den zahlreichen Altären in der Klosterkirche von Königsfelden gab es zwei, die der hl. Katharina und der hl. Barbara geweiht waren. Die beiden hier dargestellten Heiligen könnten also allenfalls die beiden genannten Klosterheiligen repräsentieren. Zudem war die hl. Katharina die Namenspatronin von Katharina Truchsess von Waldburg, der letzten Äbtissin von Königsfelden (1516–1528). Wie Lehmann richtig bemerkt, müsste das mehrheitlich erneuerte Wappen in diesem Fall aber falsch ergänzt worden sein. Das ehemalige Klosterwappen von Königsfelden zeigt analog zum Ungarnschild nämlich ein silbernes Patriarchenkreuz in Rot. Als Königsfelden später zur Klostervogtei umgewandelt wurde, erhielt sein Wappen zudem noch einen goldenen Dreiberg. Sollte der Wappenschild korrekt ergänzt sein, dann lässt er sich bestimmt nicht mit demjenigen des Klosters Königsfelden gleichsetzen. Berchtold Weber vermutet denn auch, dass es sich eher um ein Familien- denn um ein Klosterwappen handelt. Er verweist dabei auf die Bieler Familie Marti, die im Wappenbuch Dättwiler von 1821 mit dem hier dargestellten Wappen eingetragen ist. Weil diese Familie im frühen 16. Jahrhundert kaum etwas mit Ursenbach zu tun hatte, geht Weber jedoch mit guten Gründen davon aus, dass mit dem auf der Scheibe festgehaltenen Wappen eine andere (unbekannte) Familie gemeint sein dürfte (Mitteilung von Berchtold Weber in Bern, 15. 10. 2014).
Nach Hans Lehmann sollen die Ursenbacher Scheiben mit Ausnahme derjenigen Solothurns von Jakob Stächeli (Stäheli) stammen. Von Stächeli kennt man jedoch weder signierte noch durch Schriftquellen bezeugte Glasgemälde. Dass dieser Berner Glaser auf Glas malte, ist demnach nicht erwiesen (Anderes 1963, S. 125) und Lehmanns Zuschreibung somit nicht stichhaltig. Weil die zwischen 1515 und 1523 in die Kirche Ursenbach gekommenen Scheiben stilistisch keine wirklich homogene Gruppe bilden, muss an ihrer Herstellung mehr als ein Glasmaler beteiligt gewesen sein. Um welche es sich dabei handelte, lässt sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht schlüssig beantworten und ebenso wenig die Frage, wie diese organisiert waren, d. h. ob sie verschiedenen Werkstätten angehörten oder ob sie für das Projekt in Ursenbach zeitweilig in einer Werkstattgemeinschaft zusammenarbeiteten.
In seinem Aufbau erweist sich das vorliegende Glasgemälde gleichsam als Pendant zur ebenfalls 1523 datierten Standesscheibe Basels. Man kann sich deshalb fragen, ob es ursprünglich direkt neben der Basler Stiftung in einem Kirchenfenster angeordnet war. In diesem Falle wäre die 1896 von Franz Thormann und Wolfgang Friedrich von Mülinen gemachte Standortangabe allerdings unrichtig (ihnen zufolge soll sich die Scheibe mit dem Doppelkreuz im Wappen ursprünglich zusammen mit derjenigen Ensingers im ersten Fenster der Schiffssüdseite befunden haben). Wenn die Scheibe mit den beiden weiblichen Heiligen sowie die Basler Scheibe mit Maria und Kaiser Heinrich tatsächlich Pendants gebildet haben sollten, dann müsste zwischen ihren Stiftern freilich irgendeine Beziehung existiert haben. Eine solche lässt sich bislang jedoch weder über die dargestellten Heiligen noch über die Wappen nachweisen. Ob die zwei betreffenden Glasgemälde zusammengehören oder nicht, muss deshalb offen bleiben.
Laut Egbert Friedrich von Mülinen (1872) wurden die alten Glasgemälde nach der Restaurierung Röttingers von diesem in den Fenstern "unrichtig und bunt durcheinander" eingesetzt.
Dating
1523
Original Donor
Königsfelden, Kloster? · Waldburg, Katharina Truchsess von, Äbtissin?
Place of Manufacture
Owner
Kirchgemeinde Ursenbach.
Die Unterhaltspflicht der zwölf 1901 im Chor befindlichen Glasgemälde damals vom Staat Bern zusammen mit dem Chor an die Kirchgemeinde abgetreten (nach dem am 1. April 1940 überarbeiteten Verzeichnis der Glasgemälde in den Kirchenchören des Kantons Bern, erstellt 1936 von B. von Rodt; Staatsarchiv Bern, Inv. BB 05.7.343).