Research
Das 1307 gegründete Niedere oder Untere Spital zu Bern wurde dort 1527 ins Predigerkloster verlegt und fortan "Grosser Spital" genannt. 1719 wurde dieser mit dem Oberen Spital zum "Grossen Spital", dem heutigen Burgerspital, zusammengeschlossen. Das Niedere Spital machte seine Scheibenstiftung als Kollator der Kirche Oberwils, und zwar wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Chorneubau von 1507. Einen Anhaltspunkt für die genauere Datierung seines Glasgemäldes bieten die beiden unterhalb des Spitalwappens festgehaltenen Wappenschilde, bei denen es sich laut Lehmann (1916), Kocher (1942) und Aeberhard (1980) um diejenigen von zwei Spitalvögten Berns handelt. Demzufolge bezieht sich das Wappen mit zwei silbernen Balken auf blauem Grund auf Kaspar Wyler († 1520), den Vogt des Unteren Spitals (1504–1519), sowie dasjenige mit der von zwei Sternen beseiteten Bäckerschaufel auf dem Dreiberg auf Andreas Hubler, den Meister des Oberen Spitals (1509–1512). Der letztgenannte Wappenschild ist eine neuzeitliche Ergänzung, die dem in die Brüche gegangenen Originalwappen exakt nachgebildet ist (dies belegen die davon im Bernischen Historischen Museum erhaltenen Fragmente). Wenn Andreas Hubler an der Wappenstiftung beteiligt war, dann kann diese frühestens 1509 bei seinem Amtsantritt als Spitalmeister entstanden sein. Demnach hätte das Niedere Spital sein Glasgemälde der Kirche Oberwil bald nach ihrer Chorerneuerung verehrt. Das Niedere Spital war möglicherweise auch die Stifterin der um 1503 für die Kirche in Büren an der Aare geschaffenen Katharinenscheibe, die sich im Bernischen Historischen Museum befindet (BHM Inv. 361).
Laut Hans Lehmann soll die Spitalscheibe um 1500 von dem aus Reutlingen stammenden Berner Glasmaler Hans Hänle (um 1490–1510 nachweisbar) gefertigt worden sein. Weil von diesem Meister keine signierten oder dokumentarisch gesicherten Arbeiten bekannt sind, bleibt Lehmanns Zuschreibung jedoch eine reine Hypothese. Als Schöpfer kommen folglich auch andere damals in Bern tätige, in ihrem Schaffen nicht näher fassbare Glasmaler wie Hans Jucker, Hans Stumpf oder Lukas Schwarz in Frage. Das Werk verrät eine künstlerisch durchaus beachtliche Hand, die Figuren und Gegenstände (Wappen, Blumen) sorgfältig und detailliert zu gestalten verstand (vgl. Kopf des relativ gut erhaltenen linken Schildbegleiters). Vergleichbar ist es diesbezüglich mit verschiedenen weiteren aus den beiden ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts stammenden Glasmalereien wie zum Beispiel den mit der Bubenberg-Werkstatt in Verbindung gebrachten Scheiben in der Kirche von Kirchberg.
Nach Franz Thormann und Wolfgang Friedrich von Mülinen befand sich die Spitalscheibe 1896 im "1. Fenster" des Chors, das heisst im Fenster nII. Bei der Kirchenrenovation von 1929/30 wurden die alten Glasgemälde im Chor umplatziert (Kocher 1942). Damals gelangten sie offenbar alle an ihre heutigen Standorte.
Dating
um 1509
Period
1509 – 1512
Original Donor
Wyler, Kaspar († 1520) · Hubler, Andreas · Unteres, Niederes Spital Bern
Place of Manufacture
Owner
Kirchgemeinde Oberwil.
Die Unterhaltspflicht über die acht Glasgemälde im Chor 1901 zusammen mit dem Chor vom Staat Bern an die Kirchgemeinde abgetreten (nach Verzeichnis der Glasgemälde in den Kirchenchören des Kantons Bern, erstellt von B. v. Rodt 1936; Staatsarchiv Bern, Inv. BB 05.7.343).