Research
Zwischen 1891 und 1894 liess Adrian August Gonzalvo Maximilian von Scherer (1848–1901) im neu errichteten Ostturm von Schloss Castell in Tägerwilen einen Maurischen Saal einbauen (vgl. Abegg, Erni, & Raimann, 2018, S. 449, Anm. 202; Giese/Keller, 2022). Für dieses Interieur schuf der Zürcher Glasmaler Adolf Kreuzer vier orientalisierende Doppelfenster. Während dasjenige in der Nische auf der Ostseite des Saales ein Flechtbandornament zeigt, rezipieren und variieren die drei Doppelfenster des Hauptraumes den pflanzlichen Dekor der im 10. Jahrhundert entstandenen Mosaikverkleidung der Mihrabfassade der Grossen Moschee von Córdoba. Kreuzer stützte sich für seine Rezeption auf Buchillustrationen, wie diejenigen des 1879 erschienenen Bandes “Monumentos latino-bizantinos de Córdoba” (Amador de los Ríos/Amador de los Ríos y Villalta, 1879; vgl. Monumentos, 2011). Die Pflanzen des Doppelfensters auf der Südseite unterscheiden sich von den streng symmetrisch angelegten Kompositionen mit starrem Mittelstamm der West- und Nordseite. Dieser Unterschied im Dekor besteht auch in den Mosaiken der Moschee von Córdoba. Das dort an der Vormihrabfassade angebrachte Feld mit der bewegten, naturalistischeren Pflanze geht vermutlich auf eine in den Jahren 1815 bis 1819 durchgeführte Restaurierung zurück (Giese, 2016, S. 259–273; Giese/Keller, 2022). Die genannte Publikation von 1879 bildet die Vormihrabfassade mit originalen und 1815–1819 ergänzten Mosaiken ab und, dieser Vorlage entsprechend, kopierte auch Adolf Kreuzer sowohl die originalen als auch die ergänzten Motive.
Vier Entwürfe Adolf Kreuzers für die Fenster des Maurischen Saals haben sich erhalten (Zentralbibliothek Solothurn, SII-160-5, 18 und 22). Sie unterscheiden sich jedoch deutlich von den ausgeführten Glasmalereien und zeigen, dass zunächst ein ebenfalls orientalisierendes, aber auf geometrischer Ornamentik basierendes Glasmalerei-Ensemble geplant war. Im Zuge des Entwurfsprozesses muss es allerdings zu einer Planänderung gekommen sein. Die ausgeführten Fenster zählen zu den wenigen erhaltenen neo-umayyadischen Glasmalereien des 19. Jahrhundert und sind bedeutende Zeugnisse der im späten 19. Jahrhundert in ganz Europa zu beobachtenden Faszination für orientalisierende Glasmalereien.
Dating
1892
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