Recherche
Die vorliegende Scheibe entstand sicher in Gedenken an Ludwig II. von Diesbach und seine zweite Frau Agatha von Bonstetten.
Ludwig II. von Diesbach (1452–1527) war der in Godesberg bei Bonn geborene Sohn Ludwigs I. und der Elisabeth von Runtz (Runs) sowie der Bruder Wilhelms. Nach seiner Ausbildung in Bern unter seinem Cousin Niklaus (1430–1475) hielt er sich in Savoyen und als Page Ludwigs XI. am französischen Hof in Paris auf. Er war Herr zu Diessbach, zu Landshut (1514 veräussert) und zu Spiez (1516 veräussert). In Bern seit 1480 dem Grossen Rat angehörend, wurde Ludwig von Diesbach dort 1481 Sechzehner. Er diente 1481–1483 als Schultheiss zu Thun und 1487–1489 als Vogt zu Baden. Auf dem Italienzug Kaiser Maximilians wurde er 1496 in Pavia zum Ritter geschlagen. 1512–1514 amtete Ludwig von Diesbach als Gouverneur zu Neuenburg und 1516–1519 als Vogt zu Aigle (Aelen). Verheiratet war er mit Antonia von Ringoltingen († 1487) und in zweiter Ehe seit 1494 mit Agatha von Bonstetten, einer Tochter des Zürcher und Berner Bürgers, Herrn von Uster und Hohensax, Andreas Roll von Bonstetten, und der Johanna von Bubenberg sowie Witwe Georg vom Steins (HBLS 2/1924, S. 712; HLS 3/2004, S. 714). Ludwig von Diesbach führte autobiographische Aufzeichnungen, die heute zu den aufschlussreichsten kulturhistorischen Zeugnissen des Spätmittelalters gehören.
Scheiben Ludwigs II. finden sich in der Pérolles-Kapelle zu Freiburg i. Ü. (ca. 1520–1523) sowie in den Kirchen von Worb (1521) und Ligerz (um 1523). Er stiftete vermutlich auch 1485/90 eine Wappenscheibe in die Kirche Utzenstorf, heute im Besitz des Bernischen Historischen Museums (BHM Bern, Inv. 420), und eine nunmehr verschollene Scheibe aus der Kirche von Oberdiessbach (Diessbach) von 1499 (Haller 1900, S. 117).
Die drei Allianzwappenscheiben im Bernischen Historischen Museum von Diesbach-von Runtz (BHM Bern, Inv. 11599), von Diesbach-Brüggler (BHM Bern, Inv. 11600) und von Diesbach-von Bonstetten (BHM Bern, Inv. 11596) sind alles Gedenkstiftungen, die 1556 in Auftrag gegeben wurden. Da sie in den Massen (31 x 24 cm) übereinstimmen, liegt die Vermutung nahe, dass sie aus einer Serie gleicher unbekannter Herkunft stammen und eine Art Stammbaum des damaligen Stifters darstellten. Solche Glasgemäldezyklen, die auf das Familiengedächtnis ausgerichtet waren, stifteten die von Diesbach auch in die Kirche zu Worb und in die Pérolles-Kapelle in Freiburg, wo sie jedoch nur noch fragmentarisch erhalten sind.
Um 1556 war Niklaus von Diesbach (1511–1585) wohl der bedeutendste Familienvertreter und kommt daher am ehesten als Auftraggeber der Scheiben in Frage. Der Sohn Ludwigs II. von Diesbach und Agatha von Bonstettens war seit 1547 Herr von Diessbach, Hauptmann in französischen Diensten, 1537 Vogt von Thonon, 1549 Vogt von Lenzburg und seit 1557 Ratsherr in Bern. Es ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es Niklaus von Diesbach war, der mit den drei Scheiben seiner Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern ein Familiendenkmal setzte.
In der Fotothek des Schweizerischen Nationalmuseums Zürich ist die vorliegende Scheibe dem Berner Simon Steinegger zugeschrieben. Die grossen Wappenscheiben in den südlichen Obergadenfenstern des Berner Münsters, die Brigitte Kurmann-Schwarz mit diesem Glasmaler in Zusammenhang bringt (Kurmann-Schwarz 1998, S. 378f.), lassen sich aufgrund ihrer Monumentalität und dem dadurch gegebenen Anspruch aber nur schwer mit den vorliegenden Von-Diesbach-Scheiben vergleichen, ebensowenig wie die quellenmässig für Steinegger belegte runde Standesscheibe von 1566 in der Nydeggkirche Bern. Die Zuschreibung bleibt damit hypothetisch.
Das Bernische Historische Museum bewahrt einen Entwurf Hans Drenckhahns von 1921 zum linken Sockel und zum ergänzten Stück der Helmdecke dieser Scheibe (in Schachtel mit Fragmenten aus Von-Diesbach-Scheiben, BHM Bern, Inv. 17630). Ebenda befinden sich drei ältere Ergänzungen der Scheibe (zweimal derselbe Sockel und das Helmdeckenstück), die von Drenckhahn entfernt wurden.
Datation
1556
Localisation d'origine
Lieu de production
Propriétaire
Seit 1919 Bernisches Historisches Museum
Propriétaire précédent·e
Bis 1919 Robert von Diesbach, Bern (Geschenk von ihm an das BHM Bern)
Numéro d'inventaire
BHM 11599