Die Scheibe war bis 1958 in der Sammlung Hörni und dazumal besass sie als Fussstück nicht die Inschriftentafel von 1586 mit dem Namen des Fischinger Abtes Christoph Brunner, sondern diejenige von 1569 mit dem Namen der Gemeinde Ermatingen, welche heute in eine Kompositscheibe im Vinorama von Ermatingen eingefügt ist (TG_322; vgl. Boesch, 1944; Abegg/Erni/Raimann 2014). Die vorliegende Scheibe wurde demnach nicht von Brunner gestiftet.
Christoph Brunner, der nach dem 1586 datierten Flickstück damals eine heute verschollene Scheibe in Auftrag gab, war von 1574–1594 Abt des Klosters Fischingen. Nach Krisenjahren erlebte das Kloster unter ihm einen Aufschwung, indem er neue Konventsgebäude errichtete, eine solide Ausbildung der Mönche einführte und 1580 die Idda-Bruderschaft gründete. Zudem fand unter Brunner in den Klosterpfarreien eine Rekatholisierung statt (Historisches Lexikon der Schweiz, 4/2005, S. 542; Meyer, 1976).
Mit Ausnahme seiner durch das Bruchstück dokumentierten Wappenstiftung sowie einem weiteren Fragment aus einer solchen Stiftung von 1580 (TG_293) kennt man von Abt Christoph Brunner fünf Glasgemälde, die er in den Jahren 1575, 1576, 1583 (Greys Court, Foto Vitrocentre Romont), 1585 und 1589 ausführen liess. Davon sind diejenige von 1575 und von 1583 vom Wiler Glasmaler Niklaus Wirt und diejenige von 1589 vom Rapperswiler Meister Wolfgang Breny signiert. Die beiden anderen Stiftungen lassen sich nach Paul Boesch ebenfalls Niklaus Wirt zuweisen (Boesch, 1949, S. 14, 19, 22).
Die dritte Ziffer der Jahreszahl ist aufgrund des Sprungbleis zwar nicht mehr deutlich zu lesen, da Brunner aber von 1574–1594 Abt war und es sich sicher nicht um eine 7 handelt, muss die Scheibe aus dem Jahr 1586 stammen.
Wegen der fehlenden Angaben zu Stifter und Datierung ist die Zuschreibung der vorliegenden Scheibe an einen Glasmaler erschwert. Der Stil der Figuren in der Apostelreihe und in der Abendmahlsszene lässt am ehesten an Caspar Spengler denken (vgl. TG_77, TG_159). Vom Konstanzer Glasmaler sind jedoch ausschliesslich Wappenscheiben ohne grössere bildliche Szenen bekannt.
Die vorne rechts am Tisch hockende, sich von den übrigen Aposteln abwendende Figur in blauem Kleid und gelbem Mantel ist Judas. In analoger Form, jedoch zusätzlich mit einem an seinen angehängte Geldbeutel greifenden Teufel wurde dieser vom Luzerner Glasmaler Franz Fallenter in der Abendmahlsdarstellung der 1601 für das Kloster Rathausen geschaffenen Stadtscheibe von Sursee festgehalten (Schweizerisches Nationalmuseum, Inv. IN 49/7; Schneider, 1971, Bd. II, Nr. 457).
Die Scheibe wird genannt in:
Boesch, 1944, S. 154, Nr. 102c (zum Inschriftenfragment).
Kleiner, 1988, Nr. 4.
Barockes Fischingen, 1991, S. 272.
Abegg/Erni/Raimann, 2014, S. 172, Nr. 3, Abb. 194.