Forschung
Die Scheibe bildet ein Pendant zur Bildscheibe mit der Darstellung Josephs und Putiphars Weib (VMR_163_FR_300). Das heutige oktogonale Format der Scheibe beruht auf einem späteren Eingriff. Das Glasgemälde besass ehemals die übliche Rundform (Die Achteckscheibe ist in dieser Zeit in den Niederlanden völlig unüblich. Zudem sind die Ränder mit dem Diamanten geschnitten, was auch technisch auf eine spätere Intervention hinweist). Der Glasmaler hielt sich bei der vorliegenden Scheibe, wie bei ihrem Gegenstück (VMR_163_FR_300), an Kupferstiche des Niederländers Lukas van Leyden (1494–1533). Dieser schuf im Jahr 1512 einen fünfteiligen Zyklus der Josephsgeschichte: Er beginnt mit der Schilderung der beiden Träume, die Joseph, der Lieblingssohn Jakobs, seinem Vater erzählt, und die ausdrücken, dass er rangmässig über seinen Brüdern stehe. Den Verkauf Josephs durch seine Brüder an eine nach Ägypten ziehende Karawane stellt Lukas van Leyden nicht dar. Am Hof des Pharaos weist Joseph die Liebe von Potiphars Frau zurück, die ihn dann aus Rachsucht der Vergewaltigung beschuldigt. Der Pharao lässt den Jüngling ins Gefängnis werfen. Dort trifft er auf zwei ebenfalls in Ungnade gefallene Hofbeamte, denen er ihre Träume deutet. Die prophetischen Fähigkeiten Josephs kommen dem Pharao zu Ohren, den ebenfalls nächtliche Träume quälen. Joseph prophezeit dem ägyptischen Herrscher die bevorstehenden sieben fetten und sieben mageren Jahre. Aus Dankbarkeit setzt Pharao Joseph an die Spitze seines Volkes.
Das querrechteckige Format des Kupferstichs (Matile 2000. Nr. 56. Stichgrösse ca. 12,60 x 16,70 cm; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 301.1) setzte der Glasmaler geschickt in das ursprünglich runde Format um. Er musste dabei die Szene v. a. im oberen Teil, aber auch unten frei gestalten, was er mit der Ergänzung der Architektur und der Bodenfläche durch einen reich gemusterten Kachelboden erreichte. Es ist anzunehmen, dass zu den beiden erhaltenen Scheiben (FR_300 und FR_301) auch die drei anderen zugehörigen Szenen der Josephsgeschichte existiert haben. Die Werke Lukas van Leydens, der laut Karel van Mander (1610–1670) neben Gemälden, Zeichnungen und Graphiken auch Glasgemälde schuf, wurden in der niederländischen Glasmalerei oft zum Vorbild genommen (vgl. Husband 1995. S. 116–128. S. 56–64 auch mehrere niederländische Scheiben zur Josephsgeschichte nach anderen Vorlagen). Der Meister der beiden in Romont aufbewahrten Scheiben stammt ebenfalls aus den Niederlanden, wo die mit Grisaille und Silbergelb bemalte Rundscheibe weit verbreitet war. Nur dort ist die Qualität der raffiniert abgestuften, miniaturhaft feinen Malerei anzutreffen.
Zur vorliegenden Scheibe hat sich eine (Nach-?) Zeichnung im Rijksmuseum Amsterdam erhalten, die das Bild ebenfalls im Format eines Achtecks spiegelverkehrt wiedergibt (Freundlicher Hinweis Kees Berserik, Niederlande. Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. RP-T-1898-A-3983. 19,5 x 19,2 cm. Dort um 1512 datiert. Boon 1978. S. 122, Nr. 340).
Datierung
Um 1520
Zeitraum
1500 – 1540
Eingangsdatum
1997
Schenker*in / Verkäufer*in
Erbengemeinschaft Sibyll Kummer-Rothenhäusler, Zürich
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
1990/91 im Handel Hôtel Drouot in Paris. 1997 Ankauf aus dem Nachlass Sibyll Kummer-Rothenhäusler, Zürich.
Inventarnummer
VMR 162